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(27. August 2023)
(18.10.2023)
Tigerpfote
„Und ihr glaubt einem Streuner?", fragte Krähenschatten laut und stand auf. Elegant und arrogant ging er nach vorne. Mit einer Schweifbewegung scheuchte er die Schülerin beiseite.
„Was ist, wenn das Wasser nicht vergiftet ist, aber die Beute? Es ist doch komisch, dass nur vier Katzen krank geworden sind, obwohl doch jede von dem Fluss trinkt?", warf er ein und schaute kurz zu Tigerpfote. Die Katzen begannen zu murmeln und warfen Krähenschatten und Tigerpfote abwechselnd merkwürdige Blicke zu. Die einen wirkten misstrauisch gegenüber Tigerpfote, andere aber schienen Krähenschatten nicht zu glauben.
„Das ist überhaupt nicht komisch. Nicht alle Katzen trinken aus dem Fluss! Außerdem hat uns das vergiftete Wasser erst heute Nacht erreicht!", rief Tigerpfote verzweifelt.
„Woher weißt du das schon wieder? Wusstest du es und hast es uns verschwiegen?", wollte Krähenschatten knurrend wissen. Dann leuchteten seine Augen triumphierend auf.
„Du warst bei ihm!", stellte er fest und schüttelte enttäuscht den Kopf.
„Ja, das war ich. Durch die Strecke, die das Gift zurückgelegt hat, hat es sich verdünnt und verteilt", erklärte Tigerpfote. Einige Katzen nickten nachdenklich. Flusspfote nickte ihr aufmunternd zu. Die Schülerin straffte die Schultern und stellte sich vor Krähenschatten. Im Nacken spürte sie seinen Blick.
„Wir müssen flussaufwärts ziehen, sonst sterben noch mehr Katzen!", rief sie.
Krähenschatten schnaubte.
„Ohne Wasser? Wir werden verdursten!", warf er ein und schob sich wieder vor die junge Kätzin. Diese schüttelte den Kopf.
„Es ist nicht weit bis wir zu dem Zweibeinervogel kommen von dem das Gift stammt. Danach ist das Wasser wieder sauber. Milo sagt...", versuchte Tigerpfote ihre Clangefährten von ihrer Sichtweise zu überzeugen.
„Wen interessiert, was dieser Streuner sagt?", unterbrach der zweite Anführer sie wieder. Er schnippte mit dem Schweif. Damit war die Diskussion für ihn beendet, aber für Tigerpfote nicht. Der Kater jedoch ließ sie einfach stehen und verschwand im Heilerbau.
Tigerpfote blickte ihm mit zusammen gekniffenen Augen nach.
Ein Wimmern erklang vom Flussufer. Die braune Schülerin erkannte Sommerlicht an der Stimme, die immer wieder den Namen ihres ehemaligen Baugefährten miaute.
Neben ihr saßen auch noch die Königin, Eichenherz, und einige Krieger sowie Schüler.
Mit erstaunlicher Geschwindigkeit sprang die Älteste plötzlich auf und rannte zum Fluss hin. Noch bevor jemand reagieren konnte, hatte sie einige Schlucke von dem vergiftete Wasser genommen.
„Sommerlicht, stopp!", jaulten Lichtpelz und Eichenherz gleichzeitig. Die Königin war schneller bei Sommerlicht als Lichtpelz.
Fliederglanz musste das Jaulen gehört haben, denn sie tauchte aus dem Heilerbau auf und schaute sich nach der jaulenden Katze um.
„Hier, Fliederglanz! Sommerlicht hat von dem Wasser getrunken", maunzte Kletterschweif und lief vor Fliederglanz zu den beiden Kätzinnen.
Doch die Heilerin folgte der Kriegerin nicht, sondern machte kehrt und holte ein Bündel Kräuter aus ihrem Vorrat. Schnell lief die silbern gestreifte Kätzin zu ihrer Patientin und untersuchte sie.
Tigerpfote stand noch immer unter dem Hochfelsen. Sie konnte sich nicht bewegen. Die Angst lähmte sie zu sehr und die Schuldgefühle machten es nicht leichter. Mehr oder weniger war sie daran schuld, dass zwei Katzen aus ihrem Clan gestorben waren.
Die Gefühle schnürten ihr die Kehle zu. Sie bekam keine Luft mehr!
Ich möchte an dem nicht schuld sein!
„Dachsstreif?", maunzte eine Katze und holte so Tigerpfote wieder zurück. Sie sah sich um. Fliederglanz stand neben Sommerlicht, die sich aufgerappelt hatte. Die Älteste starrte Wiesenblüte an. Die Kätzin hatte grau-weißes Fell und sah somit Dachsstreif recht ähnlich, aber nicht so ähnlich, dass man sie verwechseln konnte. Vor allem weil Dachsstreifs Leichnam noch auf der Lichtung lag.
„Sie halluziniert!", rief Eichenherz entgeistert aus und trat gleichzeitig einen Schritt von Sommerlicht weg, so als ob sie ansteckend wäre.
Fliederglanz nickte nur und ging langsam näher zu der Kätzin hin.
„Sommerlicht, iss die Blätter hier", bat die Heilerin und schob ihr zwei Blätter hin. Tigerpfote vermutete, dass es sich um Scharfgabe handelte.
Doch die alte Kriegerin schüttelte den Kopf.
„Ich bin nicht krank!", wiedersprach sie und ging auf den vermeintlichen Dachsstreif zu. Plötzlich krampfte sie sich zusammen.
„Fuchsdung", murmelte Lichtpelz, die neben Tigerpfote getreten war. Sie sah sie von der Seite an, Tigerpfote war aber zu sehr auf das Geschehen vor sich fokussiert um Lichtpelz zu bemerken.
„Ich glaube, an deiner Geschichte ist etwas dran", flüsterte Lichtpelz und beugte sich zu Tigerpfote hinunter. Diese zuckte zurück und bemerkte erst jetzt die cremefarbenen Kriegerin.
„Wie bitte?", fragte Tigerpfote. Lichtpelz schmunzelte.
„Ich habe gesagt, dass ich glaube, dass an deiner Geschichte ist etwas dran", wiederholte sie. Tigerpfote nickte ihr dankbar zu.
„Danke. Zumindest irgendwer, der mir glaubt."
„Nicht nur ich glaube dir. Auch Amselflug und Lilienblüte sind auf deiner Seite. Ich habe mitbekommen, dass Mottenschweif und Springpfote dir auch glauben?"
Tigerpfote nickte bestätigend.
„Ja, sie glauben mir und Milo."
Auf einmal schreckte Tigerpfote hoch.
Ich muss sie fragen, wie die Treffen gelaufen sind!
„Ist Mottenschweif im Lager?", fragte Tigerpfote an die Mutter der jungen Kriegerin gerichtet.
„Vorhin habe ich sie bei der Frischbeutehöhle gesehen", war Lichtpelz' Antwort. Tigerpfote bedankte sich nicht einmal, sondern drehte sich gleich zu der kleinen Höhle um.
Sie konnte die Kriegerin nicht entdeckten, also lief sie hinüber und steckte den Kopf in die Höhle.
Darin herrschte Ruhe, keine Katze befand sich beim Frischbeutehaufen.
Tigerpfote verließ den Bau wieder und schaute sich noch einmal um. Sie entdeckte die grau gefleckte Kätzin bei einem Kater, den die Schülerin zuerst nicht erkannte. Es war Hummelpelz. Die beiden standen dicht beieinander bei Dachsstreifs Leichnam. Auch andere Katzen hatten sich darum versammelt und niedergelassen.
Die Trauer überkam Tigerpfote wie eine Flutwelle und sie entschied sich dazu, später mit Mottenschweif zu reden. Stattdessen gesellte sie sich zu den anderen.
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