28
(20. August 2023)
(Überarbeitet: 18.10.2023)
Tigerpfote
So schnell sie konnte rannte sie zurück. Sobald Tigerpfote sich etwas von der Grenze entfernt hatte und wieder auf ihrem Territorium war, lief sie los. Es fühlte sich an als würden ihre Pfoten den Boden nicht mehr berühren, doch Tigerpfote konnte nicht schnell genug beim Lager sein. Die Panik wurde immer größer umso näher sie dem Lager kam. Sie hörte keine Schreie oder Stimmen. Nichts. Das hieß entweder, dass nichts passiert war oder, dass alle tot waren.
Tigerpfote hielt sich nicht lange mit der Felswand auf, sondern lief gleich außen herum. Sie wollte nicht riskieren hinunter zu stürzen, aber sie wollte auch hinauszögern zu sehen was womöglich geschehen war. Sie hatte Angst in ein Lager voller toter Katzen zurück zu kehren.
Schließlich erreichte sie den Eingang und bremste scharf ab. Wie erstarrt blieb sie stehen. Die Angst um ihre Familie und ihre Clangefährten lähmte sie. Noch immer hörte die Schülerin nichts. Das Blut rauschte dafür aber auch viel zu laut in den Ohren.
Dann schaffte sie es sich loszureißen und sich durch die Zweige zu zwängen.
Auf der anderen Seite erwarteten sie Katzen, die sobald sie die Bewegung wahrnahmen hochschauten. Tigerpfote blickten traurige, wütende und erstaunte Augen entgegen. Die meisten saßen am Rand der Lichtung in kleinen Gruppen zusammen.
Tigerpfote suchte nach Flusspfote. Sie entdeckte ihn in der Nähe der Frischbeutehöhle. Neben ihm saßen die anderen Schüler sowie Mottenschweif und Abendlied.
Kaum war Tigerpfote richtig im Lager erblickte Erlenfeuer sie, gleichzeitig mit Flusspfote. Beide Kater rannten auf sie zu. Der eine wütend, der andere erleichtert.
Der wütende erreichte sie leider zu erst.
„Was fällt dir ein, einfach so aus dem Lager zu verschwinden und niemandem Bescheid zu sagen! Mal abgesehen davon, dass du im Lager bleiben sollst. Drachenauge war der einzige Krieger im Lager und du haust ab. Ich bin enttäuscht von dir!", schrie Erlenfeuer sie an. Sein Pelz war aufgeplustert.
Tigerpfote kannte ihn nun schon lange genug um unter der Wut auch etwas Erleichterung heraus zu hören. Flusspfote war in der Zwischenzeit auch bei den beiden angekommen und rieb seine Wange an der von Tigerpfote.
„Dummkopf", murmelte er und stellte sich neben die junge Kätzin.
„Geht es allen gut?", fragte Tigerpfote, obwohl sie die Antwort schon wusste. Nicht um sonst hatte sich der ganze Clan auf der Lichtung versammelt.
Erlenfeuer antwortete statt Flusspfote, der ebenfalls das Maul aufgemacht hatte.
„Löwenjunges ist krank und..."
Flusspfote beendete den Satz, was ihm jedoch sichtlich schwer fiel.
„Mama hat ein Leben verloren!"
Erschrocken riss Tigerpfote die Augen auf. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass Distelstern ein Leben verlieren würde.
„Wo ist sie? Wie geht es ihr? Durch was hat sie ein Leben verloren?", sprudelten die Fragen nur so aus Tigerpfote heraus. Ungeduldig trat sie von einer Pfote auf die andere. Ihr Blick fiel auf den Heilerbau, aus dem gerade Dunstschimmer kam.
Ohne, dass jemand eine Chance gehabt hätte sie aufzuhalten, stürmte sie auf den Heilerbau zu. Sie hörte dumpf wie Flusspfote ihr etwas hinterher rief und ihr dann folgte.
„Es geht ihr besser", schnaubte der Kater und trat Tigerpfote in den Weg.
„Fliederglanz sagt, sie braucht..." Er wurde von einem markerschütternden Schrei unterbrochen. Er kam vom Fluss. Sofort wirbelte Tigerpfote herum und sah sich nach der Katze um, die geschrien hatte.
Am Ufer erkannte sie Sommerlicht und Drachenauge. Die beiden standen über einen sich krümmenden Körper gebeugt. Die Katze hatte schwarz-weißes Fell und die einzige Katze mit schwarz-weißem Fell im Clan war Dachstreif.
„Dachstreif!", brüllte Teichfuß im selben Moment und war kaum einen Herzschlag später bei dem Ältesten.
„Fliederglanz! Springpfote!", bat Wiesenblüte laut um Hilfe. Mit Kräutern im Maul kam Springpfote aus dem Bau geschossen. Offenbar hatte sie Sommerlichts Schrei von vorhin gehört.
Tigerpfote konnte sich nicht bewegen, sondern nur zusehen, wie Drachenauge und Teichfuß den zuckenden Kater auf ihren Rücken zum Heilerbau trugen. Bachstreif stützte den Ältesten so gut es eben ging.
Plötzlich ging ein Schauer durch Drachenauges Körper und der Kater brach zusammen.
Hintereinander erklangen zwei dumpfe Töne, als die Körper auf dem Boden aufschlugen. Bachstreif wurde halb unter dem gefleckten Krieger begraben.
Im ersten Moment war sie zu geschockt um sich von dem Gewicht zu befreien, dann kroch sie vorsichtig unter Drachenauge hervor. Springpfote war sofort bei ihr und schnupperte an Dachsstreif.
Mit leicht glasigem Blick sah sie hoch und schüttelte den Kopf.
Dachsstreif ist tot. Was ist mit Drachenauge?
Es kam Bewegung in den Clan. Springpfote lief vor zum Heilerbau und stieß Tigerpfote grob beiseite. Die Kätzin verlor das Gleichgewicht und stürzte beinahe. Gerade noch konnte sie sich fangen und sah wie Drachenauge von Teichfuß und Lichtpelz in den Heilerbau getragen wurde.
Noch immer wie erstarrt, schaute Tigerpfote ihnen nach und versuchte etwas in den Schatten zu erkennen. Selbst jetzt bei Sonnenhoch lag der Heilerbau halb im Schatten und die vielen Katzen verdeckten Tigerpfote die Sicht auf die Nester und somit auf Distelstern.
Ich wünschte, Milo wäre hier. Er würde ruhig bleiben.
Tigerpfote straffte entschlossen die Schulter. Milo wüsste was zu tun wäre. Er würde alle noch einmal an das vergiftete Wasser erinnern! Mit in die Höhe geregten Schweif ging Tigerpfote zum Anführerfelsen hinüber. Sie traute sich zwar nicht hinaufzuspringen, aber davorstellen konnte sie sich.
Erlenfeuer bemerkte sie und durchschaute ihr Vorhaben sofort. Er kam auf sie zu, doch Tigerpfote ließ sich davon nicht beirren.
Überall auf der Lichtung war Wimmern und leises Jaulen zu hören. Alle trauerten um Dachsstreif.
Ihre Brust zog sich vor Trauer und Schmerz zusammen. Auch sie trauerte um Dachsstreif, selbst wenn sie in letzter Zeit nicht einer Meinung gewesen waren. Sie würde seine Geschichten und sein Gejammer vermissen.
Tigerpfote räusperte sich und schluckte den Kloß hinunter, der sich in ihrem Hals gebildet hatte.
„Katzen des FrostClans, bitte hört mich an!", jaulte sie und versuchte dabei möglichst selbstbewusst auszusehen und zu klingen. Sobald es ruhig war auf der Lichtung, begann Tigerpfote zu sprechen.
„Ich weiß, die meisten vertrauen Milo nicht und glauben seinen Worten nicht. Ich glaube ihm und heute haben wir auf tragische Weise erfahren, dass es stimmt! Das Wasser ist vergiftet!", maunzte die Schülern und schaute jedem einzelnen Clanmitglied in die Augen. In den meisten Gesichtern spiegelte sich ihre eigene Trauer und Verzweiflung wieder. In anderen laß sie Misstrauen, Wut, aber manche Katzen glaubten Tigerpfote. Dazu zählten nicht nur die beiden Schüler Rabenpfote und Staubpfote und die vier Krieger, sondern auch die Königinnen und einige der älteren Krieger. Nicht alle, aber ein paar.
Sie fing den Blick von Krähenschatten auf, der sie mi seinen stechenden gelben Augen anfunkelte. Er glaubte ihr nicht.
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