27
(13. August 2023)
(Überarbeitet: 18.10.2023)
Tigerpfote
Seit die fünf Katzen aufgebrochen waren, hatte Tigerpfote ein schlechtes Bauchgefühl. Sie wusste nicht, ob sie es geschafft hatten oder überhaupt bis zu den Lagern gekommen waren. Glaubten die Anführer ihnen? Das mussten sie! Besonders sobald sie von dem Traum erfuhren.
Bevor die Katzen aufgebrochen hatten, hatte Tigerpfote ihnen noch schnell von ihrem Traum erzählt, den sie in der Nacht gehabt hatte, in der sie bei Milo geschlafen hatte.
Bei dem Gedanken an Milo musste sie sofort wieder an das denken, was Mottenschweif über Krähenschatten gesagt hatte.
Sie verließ den Bau und sah sich automatisch nach dem zweiten Anführer des FrostClans um. Sie vermutete, dass er sich auf einer Patrouille befand, da sie ihn nicht entdecken konnte und auch sein Geruch nicht frisch war. Sie konnte sich aber auch irren. Sicher war sie sich nicht, also tappte die Schülerin vom Schülerbau hinüber zum Kriegerbau.
Im Inneren hörte sie keine Stimmen, also trat sie ein. Zuerst konnte sie niemanden entdecken, dann sah sie aber grau-weißen Pelz. Beim näheren Hinschauen erkannte sie Drachenauge, der ruhig schlief. Er bemerkte sie nicht.
Tigerpfote verließ en Bau wieder. Auf der Lichtung befand sich niemand. Auch keine Stimmen oder Pfotenschritte waren zu hören.
Bin ich alleine im Lager?
Voller Erwartung überprüfte sie die einzelnen Baue. Keiner war im Lager, selbst die Ältesten und Jungen nicht. Offensichtlich hatten sie nur Tigerpfote und Drachenauge im Lager gelassen. Einen Bau hatte Tigerpfote noch nicht angesehen. Der Heilerbau.
Fliederglanz, die Heilerin, und Springpfote, die Heilerschülerin, waren gerade dabei ihren Vorrat zu überprüfen und neu zu sortieren. Die beiden bemerkten die junge Kätzin nicht.
Soll ich abhauen? Ich könnte zu Milo gehen und keiner würde es bemerken.
Nervös schnippte Tigerpfote mit den Ohren und drehte sie in verschiedene Richtungen. Die Jungen spielten vermutlich in der Nähe des Tümpels, also waren die Ältesten auch dort. Die restlichen Schüler befanden sich dann entweder in der Trainingskuhle oder beim Gewitterbaum. Sie würden Tigerpfote nicht in die Quere kommen. Ein paar der Krieger waren auch bei den Schülern. Blieb somit nur noch die Gefahr einer Jagdpatrouille. Die morgentliche Grenzpatrouille musste schon längst fertig sein.
Tigerpfote nickte sich selbst zu und rannte, so leise und schnell sie konnte, auf die Felswand zu. Plötzlich fielen ihr die ganzen kleinen Steinchen am Fuß der Wand auf und sie entschied sich um. Beim Klettern würde sie zu viel Lärm durch die herunterfallenden Steinchen machen. Zwar wäre sie schneller, aber die Gefahr entdeckt zu werden, war auch größer.
Die Schülerin schlüpfte durch den gut versteckten Notausgang und lief ein kleines Stück am Fluss entlang, bis sie an die Stelle kam an der die Böschung nicht mehr ganz so steil war und sie hinaufklettern konnte. Oben angekommen spitzte sie die Ohren und prüfte die Luft auf mögliche Katzen in ihrer Nähe.
Sie konnte keine ungewöhnlichen Gerüche in der Luft ausmachen, also lief sie geduckt und leise durch den Wald. In Gedanken war sie schon über der Grenze bei Milo.
Langsam kroch die Sonne den Himmel hinauf, fiel schräg durch das Blattwerk und zeichnete kleine Flecken auf den Waldboden. Es war still und trotzdem durch das Vogelgezwitscher und das Rascheln der Mäuse laut.
Die braune Kätzin ließ das Lager rasch hinter sich. Inzwischen musste sie sich auf der Höhe des Gewitterbaumes befinden, der auf der anderen Uferseite stand.
Tigerpfote duckte sich noch tiefer. Beinahe schon berührte ihr Bauchfell den Boden. Sie achtete peinlich genau darauf auf keinen Ast und auf kein Blatt zu steigen.
Ihr stieg der Geruch von Erlenfeuer, ihrem Mentor, in die Nase. Bei ihm war auch noch Sumpfschweif. Die beiden unterhielten sich in normaler Lautstärke und schienen Tigerpfote nicht bemerkt zu haben.
Erleichtert atmete die Kätzin aus als die Waldgrenze in Sicht kam. Nach Erlenfeuer und Sumpfschweif hatte sie keine anderen frischen Katzengerüche mehr bemerkt.
Noch immer geduckt und mit wachsam umher schweifendem Blick überquerte Tigerpfote die Grenze. Sie wusste, dass man ihrer Spur leicht folgen konnte, aber sie hatte keine Zeit mehr gehabt um zum Fluss zu laufen und durch das Wasser zu waten.
Sie suchte in der Luft nach Spuren von Blut und am Boden nach Fellbüscheln oder abgeknickten Halmen und Blättern.
„Milo?", flüsterte Tigerpfote. Sie lief weiter über die freie Fläche. In regelmäßigen Abständen blickte sie zum Himmel hoch, als ob sie befürchten würde, dass sich etwas von oben auf sie herabstürzen könnte.
Die Schüler schnupperte an einem Glasbüschel, das teilweise platt gedrückt worden war.
Eindeutig Milo.
Auch Blut klebte an dem Gras. Eine Blutspur führte weiter vom Territorium des FrostClans weg und verschwand zwischen zwei Büschen. Es roch nach Milo, aber auch nach Mottenschweif, Fliederglanz und Krähenschatten.
Tigerpfote entfernte sich weiter vom Schauplatz. Sie erkannte nichts von ihrem nächtlichen Ausflug wieder, was aber auch kein Wunder war. Bei Tageslicht sah alles anders aus.
Mit leicht geöffnetem Maul prüfte Tigerpfote wieder die Luft.
Der Wind fuhr über das Moor und trug ihr den Geruch von Milo zu. Er war frisch!
Erleichterung erfüllte Tigerpfote und sie folgte dem Geruch.
Keine fünf Herzschläge später stand sie vor dem Busch, in dem die beiden geschlafen hatten. Zwischen den Ästen konnte sie nichts erkennen, also suchte sie nach dem Eingang.
„Milo!", rief sie. Dabei klang ihre Stimme zwei Oktaven höher als sonst. Ein Fauchen begrüßte sie. Tigerpfote stand vor einem provisorischen Nest in dem Milo lag. Sein ganzer Pelz war voller Wunden und keine sah besonders gut aus. Pasten klebten darauf. Neben seinem Kopf lag ein Haufen Blätter.
„Tigerpfote? Was machst du hier? Du solltest nicht hier sein!", maunzte Milo als er die Schülerin erkannte.
„Egal! Was ist passiert? Hat dich Krähenschatten wirklich angegriffen?", fragte Tigerpfote und sprang neben Milos Nest. Vorsichtig um nicht eine seiner Wunden zu berühren, untersuchte sie ihn. An seiner linken Schulter sowie Flanke klafften tiefen Wunden.
Milo schüttelte den Kopf und ging nicht auf Tigerpfotes Fragen ein.
„Das vergiftete Wasser ist da! Ihr müsst weg von hier bevor Katzen sterben!", rief er beinahe. Tigerpfote hielt mitten in der Bewegung inne.
„Jetzt schon?", wollte sie wissen, ohne eine Antwort zu erwarten.
„Die Clans müssen flussaufwärts ziehen und zwar so bald es geht", miaute Milo mit fester, bestimmter Stimme. Tigerpfote nickte und lief in dem winzigen Bau auf und ab.
„Ich muss gehen", sagte sie und verschwand zwischen den Ästen des Busches.
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