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(17. April)
(Überarbeitet: 14.10.2023)

Milo

Erst am Abend lief Milo zurück zur Scheune. Leni wartete schon auf ihn.
Milo hatte in der Zwischenzeit versucht zu jagen und mit etwas Glück sogar eine Maus erwischt. Zur Begrüßung zuckte Milo mit den Schnurrhaaren und schob sich an Leni vorbei in die Scheune.

„Wo warst du so lange?", wollte Leni wissen. Er wirkte nicht verärgert oder bedrückt, im Gegenteil er war fröhlich. Milo verstand manchmal echt nicht, wie Leni dauerhaft so gute Laune haben konnte.
„Im Wald jagen", war seine kurze Antwort.
„Hast du was gefangen?", fragte Leni weiter. Milo nickte nur und ging zu seinem üblichen Schlafplatz ganz hinten in der Scheune. Leni folgte ihm und ließ sich neben ihm auf dem Heu nieder. Mit auf die Pfoten gelegten Kopf sah Milo ihn an und wartete. Er wusste, dass er gleich noch etwas sagen würde. So war das immer.

„Ich habe Durst", beschwerte sich der schwarze Kater und stand wieder auf.
„Kommst du mit?"
„Nö", gab Milo zurück und schloss die Augen. Er war müde vom hin und her laufen im Wald und wollte eigentlich nur noch schlafen. Doch irgendetwas sagte ihm, dass das jetzt keine gute Idee war. Er wusste nicht wieso, aber er blieb wach und lauschte auf das entfernte Röhren eines Monsters. Der Kater hörte Vogel Gezwitscher. Die Zeit verstrich. Langsam wurde er ungeduldig.
Wo ist Leni?
Milo stand auf, schüttelte sein langes Fell und lief wieder nach draußen. Unter seinen Pfoten spürte er die spitzen Steine, die auf dem ganzen Weg rund um die Scheune lagen.
„Leni?", rief er vorsichtig in die Dunkelheit hinein. Milo wartete ohne sich zu bewegen. Keine Antwort.
„Leni? Wo bist du?", rief er erneut. Langsam machte Milo sich Sorgen um den schwarzen Kater. Normalerweise hasste Leni die Dunkelheit und beeilte sich immer wieder zurück in die Scheune zu kommen. Heute jedoch nicht.
Mit echter Angst in der Stimme rief Milo ihn noch einmal.

„Leni!?"
Sein Fell plusterte sich automatisch auf. Er beschloss zum Fluss zu gehen und dort nach Leni zu suchen. Weit weg konnte er ja nicht sein.
Seine Pfoten kannten den Weg schon in und auswendig. Wenige Herzschläge später verfiel er in ein schnelleres Tempo. Der Boden flog unter ihm vorbei und seine Pfoten schienen kaum den Boden zu berühren.
Beim Fluss angekommen blieb er keuchend stehen und sah sich um.
Milo konnte Leni nirgends entdecken. Mit gespitzten Ohren lief er in paar Schritte nach links.
„Leni? Wo bist du? Das ist nicht mehr lustig! Bitte!", flehte er. Ein leises Wimmern ließ ihn herum fahren und in die andere Richtung weiter zu laufen. Noch einmal wimmerte jemand und es klang verdächtig nach Leni.
„Leni!", maunzte Milo erleichtert, als er den schwarzen Kater zwischen einige Grasbüscheln ausmachte.
„Milo!", wimmerte Leni. Dann zuckte sein Körper und er krümmte sich zusammen. Mit schreckgeweiteten Augen kauerte Milo sich zu ihm und leckte ihm tröstend übers Ohr.
„Was ist passiert?", wollte Milo wissen. Leni zuckte mit den Ohren und als der Krapf vorbei war, deutete er mit der Schnauze auf den Fluss aus dem er wohl etwas getrunken hatte.

„Schwarzer Fluss", flüsterte er, bevor ein weiter Krampf seinen Körper durch zuckte.
Schwarzes Wasser? Dreht er jetzt durch?
Milo tappte vorsichtig zum Ufer und beugte sich nach vorne. Angestrengt spähte er in den Fluss. Seine Augen weiteten sich, als er sah was Leni meinte. Das Wasser wurde von schwarzen Schlieren durchzogen. Es sah so aus, als wären es Algen. Schwarze Algen.
Von Algen wird man aber nicht krank!
Leni wimmerte und mit einem großen Satz war Milo wieder bei ihm.

„Kalt", hauchte er und begann wie zum Beweis am ganzen Körper zu zittern.
„Kannst du gehen?", fragte Milo unnötiger Weise. Er wusste, dass Leni log, als er antwortete.
„Ja."
„Nein", hielt Milo dagegen. Er kannte seinen besten und einzigen Freund gut genug, um zu wissen, wann es ihm schlecht ging.
Und ihm ging es schlecht. Er schwebte in Lebensgefahr, auch das wusste Milo.

Mit angestrengten Knurren ließ Milo Leni in sein Nest gleiten. Sofort schüttelte den schwarzen Kater wieder ein Krampf, dieses Mal sogar stärker als die vorherigen. Plötzlich streckte er eine Pfote aus und murmelte etwas.
„Mama?"
Milo zuckte zurück.
Hat er Halluzinationen?

Milo streckte ein Pfote nach ihm aus und berührte ihn sanft an der Schulter, als ihn der nächste Krampf schüttelte.
„Leni", sagte er immer wieder seinen Namen. Milo beobachtete die flache Atmung des Katers und spürte den unregelmäßigen Herzschlag.
„Bitte, Leni", flehte er mit einem Kloß im Hals. Milo legte sich neben den schwarzen Kater und versuchte ihn mit seinem Körper zu wärmen. Dabei bemerkte er, dass Lenis Körper glühte.
Er hat Fieber.
Milo blickte zur löchrigen Decke der Scheune. Er hoffte so sehr darauf, dass Leni es schaffte. Doch insgeheim wusste er, dass er es nicht überleben würde. Leni war zwar ein starker und junger Kater, doch nicht gegen so etwas abgehärtet. Müde schloss Milo die Augen, versuchte aber wach zu bleiben. Schließlich schlief er doch noch ein.

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