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(6. Juli 2023)
(Überarbeitet: 16.10.2023)

Tigerpfote

„Ja, Tigerpfote?", kam die Antwort keinen Herzschlag später zurück. Springpfote trat auf drei Beinen humpelnd aus den Schatten hervor. Um die linke Vorderpfote hatte sie Spinnenweben gewickelt. So wie es aussah war sie gerade dabei die Kräuter zu sortieren, während Fliederglanz neue sammelte. Die beiden Heilerinnen lagerten die Kräuter in den Lücken zwischen den Brombeerranken, die das Innere des Baues schützten.

„Hallo, Springpfote. Ich bräuchte etwas Mäusegalle für Sommerlichts Zecken", miaute Tigerpfote und setzte sich neben den Eingang. Springpfote nickte.
„Einen Moment noch", murmelte die Heilerschülerin, während sie die Spinnenweben von der Pfote strich und zwischen den Brombeerranken platzierte. Dabei blieben ein paar Fäden an ihrem hellbraunen Fell hängen, doch sie schien es nicht zu bemerken.
Geduldig wartete Tigerpfote auf Springpfote. Die hellbraune Kätzin war in ein paar Sätzen am anderen Ende des Baus und schnupperte an einem Moosbüschel. Sofort zog sie den Kopf wieder zurück und verzog das Gesicht.

„Eindeutig", knurrte sie. Mit den Zähnen nahm sie einen Stock, der neben einem der Nester lag und spießte das Moosbüschel auf. Tigerpfote stand auf und nahm ihr auf halber Strecke die Mäusegalle ab. Mit dem Stock im Maul konnte sie nichts mehr sagen, also nickte sie Springpfote einfach nur zu.

Sie war noch nicht einmal aus dem Bau, da rief die andere Schülerin sie auch schon wieder zurück.
Was will sie?

Vorsichtig, damit sie das Moos nicht verlor, drehte sie sich um und legte den Kopf ein winziges Stück schief. Gerade so weit, dass die Galle nicht herunter fiel.
„Du hast meine Unterstützung bei der Sache", flüsterte Springpfote und sah sich währenddessen nach unerwünschten Lauschern um. Hoffnung kam in Tigerpfote hoch und sie schnurrte leise. Wieder nickte sie Springpfote zu und verließ den Heilerbau. In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken wie Bienen in der Blattgrüne herum.

Mottenschweif und Springpfote helfen mir. Das ist schonmal ein Anfang. Wir werden aber noch mehr Katzen brauchen.
Tigerpfote betrat wieder den Ältestenbau. Sommerlicht hob den Kopf von ihren Pfoten.
„Gut, du hast die Mäusegalle", miaute sie und setzte sich in eine aufrechte Position.
„Hinterm Ohr", sagte Sommerlicht nur und zuckte mit dem rechten Ohr. Mit einem Seufzen tappte Tigerpfote hinüber und setzte sich neben Sommerlicht auf die Hinterbeine. Mit den Pfoten suchte sie nach dem Zecken und teilte schließlich das Fell an der Stelle, während sie vorsichtig Mäusegalle darauf tupfte. Nach einer Weile fiel der Zeck ab und Sommerlicht atmete aus.

„Ich glaube, das wars", meinte sie und ließ sich zurück in ihr Nest sinken. Tigerpfote nickte ihr zu und ging hinüber zu Dachsstreif. Sie hoffte, dass ihr der Kater half. Dann hätte sie noch ein sie unterstützende Katze. Zwar eine, die nicht herumlaufen konnte, aber eine, die von Distelstern respektiert wurde.
Hoffentlich ist er auf meiner Seite!
„Dachstreif? Kann ich mit dir reden?", fragte Tigerpfote und stupste ihn sanft mit der Pfote an. Verschlafen hob er den Kopf und richtete seine blinden Augen auf die Schülerin.
„Wenn's sein muss, Tigerpfote", schnaubte er und legte den Kopf auf seine Pfote.
„Schieß los!", knurrte er und zuckte genervt mit den Ohren. Unbehaglich trat Tigerpfote von einem Fuß auf den anderen und suchte nach Worten, die möglichst überzeugend klangen.

„Ich weiß nicht, ob du schon von dem vergifteten Wasser gehört hast...", begann sie und wurde von dem Kater unterbrochen, der ungeduldig brummte.
„Gut. Ich glaube Milo, aber Distelstern glaubt mir nicht, weil Milo ein Einzelläufer ist, den sie nicht kennt. Milo sagt, dass wir flussaufwärts gehen sollen, damit unsere Katzen nicht krank werden. Sein bester Freund...", erzählte Tigerpfote und wurde zum Ende hin immer verzweifelter. Wieder knurrte Dachsstreif und Tigerpfote unterbrach ihre Erzählung.

„Weiß ich schon alles und ich bin auf Distelsterns Seite. Ich traue diesem Einzelläufer nicht. Er wirkt zu jung, um so vorrausschauend denken zu können und versuchen zu wollen, die Clans, von denen er keine Ahnung hat, zu warnen. Was ist, wenn, während wir weg sind, eine Streunergruppe kommt und die Clan-Territorien übernimmt? Was ist dann?", maunzte Dachsstreif und fuhr gleich fort, „Ich bin vielleicht alt und blind, aber nicht dumm und ich glaube Miko, oder wie der heißt, nicht!"

„Milo, er heißt Milo", hauchte Tigerpfote. All die Hoffnung, die sie beim Verlassen des Heilerbaues noch verspürt hatte, war verschwunden. Panik breitete sich wieder in ihr aus. Sie atmete einmal tief ein und wieder aus, damit sie Dachsstreif keine Ohrfeige verpasste.

„Ich weiß, das ist nicht das, was du von mir erwartet hast. So ist aber nun mal meine Meinung. Einen Tipp möchte ich dir geben. Nicht alle Katzen sind so gut, wie sie scheinen. Auch wenn du Miko magst, kann es doch sein, dass er dich einfach nur ausnutzt", sprach der Kater. Diese mal machte Tigerpfote sich nicht die Mühe ihn auszubessern.

Was ist, wenn er recht hat und Milo mich nur ausnutzt? Bringe ich meinen Clan in Gefahr, indem ich ihm vertraue? Was ist mit seinem besten Freund, den er verloren hat. Das klang nach der Wahrheit.

Tief in Gedanken versunken verließ Tigerpfote den Ältestenbau und hätte beinahe die Mäusegalle liegen lassen, wenn ihr nicht der Gestank, der an ihren eigenen Pfoten haftete, in die Nase gestiegen wäre. Also machte sie noch einmal kehrt um den Stock mit dem Moos zu holen. Damit im Maul lief sie zurück zu Springpfote, die gerade Kräuter zum Trocknen in die Sonne legte. 

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