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(27. August)
(Überarbeitet: 16.10.2023

Tigerpfote

Die Schülerin schluckte und senkte kurz den Kopf, damit sie den strafenden Augen ihrer Mutter entkam. Ängstlich fuhr sie die Krallen ein und aus und bearbeitete damit den Boden unter ihren Pfoten.

„Nein, es gibt kein Problem...", setzte Tigerpfote an, während Dunstschimmer gleichzeitig ebenfalls das Maul aufmachte.
„Es gibt ein Problem. Unsere Tochter hat sich wieder mit diesem Einzelläufer getroffen! Er ist hier noch irgendwo in der Nähe." Distelsterns Augen verdunkelten sich, wenn möglich, sogar noch mehr und sie wandte sich ganz langsam ihrer Tochter zu.
„Ich glaube es nicht! Ich habe diesen Kater weggeschickt und er ist noch immer in der Nähe der Clans und du läufst ihm auch noch hinterher. Wie ein kleines Junges. Was hat er dir dieses Mal erzählt?", wollte die Anführerin wissen.

„Er hat seine Geschichte nicht geändert, falls du das meinst. Noch immer ist der Fluss vergiftet!", fauchte Tigerpfote. Auch sie wurde jetzt wütend und sprang auf die Pfoten.
„Setz dich und leg dein Fell an!", fuhr Distelstern sie an.
„Warum glaubst du mir nicht?", fragte Tigerpfote mit gebrochener Stimme. Trauer schnürte ihre Kehle zu, während tausende Möglichkeiten und Beleidigungen durch ihren Kopf schwirrten, die sie ihrer Mutter nur allzu gern an den Kopf werfen würde. Doch ihr war klar, dass das die Situation nicht verbessern würde.

„Weil du die Geschichte eines Katers erzählst, den wir nicht kennen und dem wir nicht vertrauen können. Außerdem gab es bis jetzt keinen Beweis für seine Behauptungen", miaute Distelstern und wandte sich von Tigerpfote ab.
„Dunstschimmer? Kannst du Tigerpfote eine gerechte Bestrafung geben?", bat sie ihren Gefährten. Ergeben nickte dieser und stellte sich neben Tigerpfote hin. Er wartete noch, bis die andere Kätzin weg war.

„Welche Bestrafung wäre denn angemessen?", murmelte mehr zu sich selbst. Seine Wut schien verraucht und er war wieder der Alte. Sonst explodierte er nicht so sehr und war eher das ruhige Gegenstück zu Distelstern, aber heute schien etwas anders zu sein. Tigerpfote hatte keine Idee, was es war, aber es interessierte sie auch nicht. Mehr interessierte sie, wie sie wieder zu Milo kam und ihm von dem Streit berichten konnte.

„Ich denke, eine gute Bestrafung wäre, wenn du bis zum nächsten Vollmond im Lager bleibst. Und wenn du schonmal im Lager festsitzt, kannst du dich auch gleich um die Baue, Nester, die Ältesten und die Jungen kümmern", sagte Dunstschimmer schließlich mit monotoner Stimme und drehte sich ohne ein weiteres Wort von Tigerpfote weg. Mit vor Schock offenem Maul starrte Tigerpfote ihrem Vater hinterher, als dieser, wie zu Provokation auf die Felswand zulief und nach oben kletterte.
Im Lager bleiben!? Fuchsdung! Ist es wirklich so schlimm einmal das Territorium zu verlassen?

Tigerpfote blieb noch eine Weile sitzen und schaute planlos durchs Lager. In ihrem Kopf arbeitete es und sie verwarf einen Fluchtplan nach dem anderen. Sie musste so schnell wie möglich zu Milo. Aber ihr fiel einfach nichts ein. In der Nacht fliehen war zwar eine Option, aber doch sehr riskant, wegen der Wachposten. Außerdem würde Dunstschimmer vermuten, dass sie das versuchen würde. Mitten am Tag rausgehen wäre da noch die bessere Möglichkeit. Dazu würde sie aber einen guten Vorwand brauchen und den hatte sie nicht. Noch nicht, aber ihr würde etwas einfallen.

Sie stand auf und machte sich auf den Weg zum Ältestenbau. Letzten Sonnenaufgang hatte sie gehört, wie Sommerlicht über Flöhe gejammert hatte. Vielleicht konnten ihr die beiden Ältesten helfen. Von Dachsstreif wusste sie, dass er Distelstern Entscheidungen nur selten gut hieß.

„Dachsstreif, Sommerlicht?", rief Tigerpfote die Namen der beiden Ältesten und betrat den Bau, der zwischen den Wurzeln einer Eiche lag. Ihre Augen brauchte eine Weile, um sich an das Dämmerlicht zu gewöhnen. In den Schatten konnte sie die zwei Nester ausmachen.
„Hallo, Tigerpfote. Na, sitzt du deine Strafe ab?", schnurrte Sommerlicht, halb im Spaß, halb ernst. Tigerpfote brummte etwas Unverständliches und trat näher an die Nester heran.

„Kann ich etwas für euch tun?", wollte die Schülerin wissen.
Bitte, SternenClan, mach, dass sie nichts haben!
„Ich habe seit gestern eine Zecke, die ich einfach nicht erwische. Schaffst du das vielleicht?", meinte Sommerlicht.
Naja, immerhin besteht nicht die Gefahr Flöhe zu bekommen.
„Mach ich. Ich hole schnell Mäusegalle. Auch für dich, Dachsstreif?", wollte sie wissen kurz bevor sie den Bau verließ. In den Schatten konnte sie gerade so erkennen, dass Dachsstreif den Kopf schüttelte.

Als sie die Lichtung überquerte, lief sie einen möglichst großen Bogen außen herum, damit sie genug Zeit hatte, sich etwas auszudenken, wie sie vielleicht zusätzlich zu Dachsstreif und Sommerlicht auch noch Springpfote auf ihre Seite bringen konnte. Tigerpfote würde gar nicht erst versuchen Fliederglanz auf ihre Seite zu bekommen. Die Heilerin hielt fest zu Distelstern. Sie würde sich nicht so leicht überreden lassen und wahrscheinlich, falls Tigerpfote es versuche, zu Distelstern laufen. Bei Springpfote machte sich Tigerpfote schon mehr Hoffnungen. Auch wenn es respektlos gegenüber der ältesten Schülerin war, so fand Tigerpfote, dass sich die Heilerschülerin recht einfach beeinflussen ließ. Das machte sie aber auch wieder bestechlich.

Schließlich erreichte Tigerpfote den Heilerbau, der unter einem Gebüsch lag. Unter den Büschen war eine tiefe Mulde ausgegraben worden. Insgesamt hatten fünf Katzen darin Platz, aber es befanden sich nur vier Nester im Heilerbau, um genug Abstand zwischen den Heilern und kranken Katzen lassen zu können.

„Springpfote?", rief Tigerpfote in den Bau hinein. 

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