Kapitel 7

EINE RAUE ZUNGE leckte unablässig über Wüstenpfotes Ohr. Sie grummelte und wollte das Etwas mit der Pfote wegschieben. Doch es gab einen unwilligen Laut von sich und putzte Wüstenpfote weiter. Diese drehte sich und schob es von sich. Der Pelzball wollte nicht weggehen. Schließlich löste sich aus dem Griff und warf das Pelzding auf den Rücken.
„He!“, eine vertraute Stimme ertönte.
Wüstenpfote öffnete die Augen. Sie lag in einem weichen Nest aus Moos. „Mausepfote!“, Wüstenpfote versuchte sich auf die Pfoten zu stemmen, ihre Muskeln versagten ihr den Dienst. Die Kätzin, die Wüstenpfote umgeworfen hatte, lag wie ein übergroßer Käfer mit aufgeplustertem Pelz auf dem Rücken. Aus funkelnden grauen Augen sah die hellbraune Schülerin sie an. „Ich sehe, dir geht es besser.“, miaute sie mit einem zufriedenen Blick. Anschließend erhob sie sich und tapste zu Wüstenpfote hinüber. Sie berührte ihre Freundin sanft mit der Schnauze.
„Du hast mir echt Angst eingejagt.“, flüsterte sie, „Ich dachte du wärst tot.“ „So leicht kann mich nichts umbringen.“, schnurrte Wüstenpfote. Ihre Schnurrhaare zuckten. „Wie lange war ich weg?“, fragte sie.
„Drei Tage.“, Mausepfote sah sie aus großen Augen an, „Und Regentau hat dir zehn weitere Tage strikte Trainingspause verordnet. Du darfst auch nicht jagen.“, miaute ihre Freundin streng.
Wüstenpfote sah auf ihre Pfoten. Sie waren dick mit Spinnenweben eingewickelt. Sie spürte eine weiche Paste auf ihren aufgerissenen Pfoten. Bis zum Bauch waren ihre Beine mit Umschlägen bedeckt. Ihre Beine waren geschient, sie konnte sich nicht bewegen. Ihre Kehle war seltsam trocken und ihr Atem roch seltsam nach Kräutern: „Ich will nicht so lange nichts tun!“, protestierte Wüstenpfote. Mausepfotes Schnurrhaare zuckten belustigt. „Tja, da lässt sich nichts machen.“, schnurrte sie. Wüstenpfote setzte eine säuerliche Miene auf.
Eine Stimme schallte durch das Lager. „Ich denke du solltest besser zu Sonnenfell gehen.“, miaute Wüstenpfote. Mausepfote nickte zustimmend und verschwand durch den Eingang des Baus.
Wüstenpfote vermutete, dass sie sich im Schülerbau befand. Die Wände waren sorgfältig gestopft. Kein einziger Regentropfen könnte durch die Blätter und Äste dringen. Im Bau war es angenehm kühl und ihre Augen fielen wieder zu.
Fünf Tage nachdem sich Wüstenpfote im Bau der Schüler wieder gefunden hatte, befreite Regentau sie endlich von ihren Schienen. Erleichtert streckte Wüstenpfote ihre müden Glieder. In ihren Muskeln war immer noch ein leicht unangenehmes Ziehen, es war so wenig, dass sie es leicht vernachlässigen konnte. „Du musst dich schonen.“, miaute Regentau streng. Wüstenpfote murrte wider willig, dennoch befolgte sie die Anweisungen der DonnerClan Heilerin. Sie begann mit einigen Dehnübungen, bevor sie endgültig aufstand. Als sie auf die Lichtung in der Mitte des Lagers trat, war es heller Tag.
Dunkelblüte saß zusammen mit Sternenschweif, einem hellgrauen Kater am Brennnesselfleck und gaben sich gegenseitig die Zunge. Liebevoll leckte Dunkelblüte ihrem Gefährten über die Schnauze. Sie hob den Kopf, als sie Wüstenpfote bemerkte, die aus dem Schülerbau getreten war. Die Schülerin blinzelte gegen die Sonne. An diesem Tag war es nicht so erdrückend heiß wie in den Letzten.
Neugierige Augenpaare richteten sich auf sie, als sie, noch etwas wackelig auf den Beinen, zu ihrer Mentorin ging. „Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht.“, miaute diese und stupste Wüstenpfote mit der Nase an. Sie gähnte herzhaft und ihre Kiefer knackten, als sie das Maul wieder schloss. Die Sonne wärmte ihr Fell und Wüstenpfote begann sich zu strecken.
Dunkelblüte schnurrte erfreut, als sie sah, dass es ihrer Schülerin gut ging. Dachsherz kam auf die Gruppe zu. Dunkelblüte, Sternenschweif, werdet ihr mich begleiten?“, der schwarz weiße Kater sah anerkennend zu Wüstenpfote, „Der Clan ist sehr stolz auf dich. Das war sehr selbstlos von dir, wie du Seidenpfote gerettet hast.“ Wüstenpfote strahlte vor Freude über das Lob des Kriegers. Stolz leckte sie sich die Brust. Ihre Augen leuchteten. Mit seinem Schwanz winkte Dachsherz die beiden angesprochenen Katzen hinter sich her. Die drei verschwanden durch den sonnenbeschienenen Eingang des Lagers.
Wüstenpfote blieb alleine am Brennesselfleck zurück. Ihr Magen knurrte. Sie überlegte, ob sie dem Bedürfnis nachgeben durfte, da sie ja nicht auf der Jagd gewesen war. Dann entschied sie sich dafür zuerst den Ältesten etwas zu bringen und anschließend selbst zu fressend. Schließlich wollte sie ihrem Clan nützlich sein. Sie packte ein fettes Eichhörnchen und zwei Waldmäuse, diese schleppte Wüstenpfote zum Ältestenbau. Ulmenblüte und Langfell räkelten sich in der Sonne. Diese wärmte ihr Fell.
Aus halbgeöffneten Augen sah die weiß grau gestreifte Kätzin sie an. „Hallo Wüstenpfote. Hast du uns Frischbeute mitgebracht?“, miaute Ulmenblüte mit einem schiefen Blick auf das Eichhörnchen in Wüstenpfotes Maul. Die Schülerin nickte, denn sie konnte nicht reden, da haufenweiser Pelz ihr den Mund verstopfte. Sie spuckte die Frischbeute aus und pulte sich etwas hängen gebliebenes Fell aus den Zähnen. Kieferzahn trottete aus dem Bau der Ältesten und streckte sich. Er gähnte herzhaft. Der dunkelbraune Kater blinzelte Wüstenpfote freundlich zu. „Ich habe gehört, dass du Seidenpfote gerettet hast.“, miaute Humpelbein neben ihr.
Die Schwarze Kätzin war so plötzlich aufgetaucht, dass Wüstenpfote vor Schreck fast zusammen gezuckt wäre. Sie nickte zur Bestätigung. „Regentau erzählte mir, dass du so schnell wie der Wind gerannt bist. Schneller als jede andere Katze im Clan es je geschafft hätte.“, schnurrte Ulmenblüte. Wüstenpfote strahlte vor Freude über das unerwartete Lob.
„Ich habe nur daran gedacht, dass ich Seidenpfote um jeden Preis retten muss.“, erklärte sie bescheiden.
„Du bist eine treue DonnerClan Katze, auch wenn du im WindClan geboren wurdest.“, verkündete Kieferzahn feierlich.
Nun ergriff Langfell das Wort: „Seidenpfote soll bald wieder auf den Pfoten sein.“ „Da bin ich aber froh.“, erleichtert seufzte Wüstenpfote auf. Sie hatte gehoffte, das Seidenpfote geheilt werden konnte, es aber nicht bestätigt gewusst.
Reges Treiben herrschte im Lager. Katzen schlüpften durch den Eingang aus Ästen und Ginster, Junge tollten herum. Krieger und Schüler brachten Frischbeute ins Lager. Der Frischbeutehaufen war an einen beschatteten Rand des Walls beschafft worden, da die Beute in der Sonne nur all zu schnell zu Krähenfraß wurde. „Ist er im Krankenlager? Ich würde gerne nach ihm sehen.“, miaute Wüstenpfote. „Ja, er ist immer noch dort.“, erwiderte Humpelbein freundlich. „Danke für die Frischbeute.“, schnurrte Langfell.
Wüstenpfote senkte respektvoll den Kopf und trat zurück. Zuerst würde sie selbst etwas zu sich nehmen, danach ginge sie zu Seidenpfote. Wüstenpfote tapste zum Frischbeutehaufen. Sie schnappte sich eine kleine Waldmaus, denn die Schülerin wollte denen, die hart arbeiteten nicht die besten Stücke wegnehmen. Zufrieden hockte Wüstenpfote sich auf die festgetrampelte Lichtung. Sie nahm einen Bissen, das war das beste Stück Fleisch seit langem. Das würzige Aroma der Waldmaus erfüllte Wüstenpfote s Maul. Sie leckte sich über die Schnauze. Die Frischbeute war saftig zart und voll von den Düften des Waldes.
„Schmeckt es?“, fragte Dachsherz.
Er war neben ihr aufgetaucht und legte seine Beute neben sie. „Darf ich?“, mit einem Blick bat er um Erlaubnis sich zu ihr zu gesellen. „Nur zu.“, mampfte Wüstenpfote. Dachsherz senkte den Kopf um ebenfalls etwas zu fressen. Muskeln zeichneten sich unter seinem schwarz weißen Fell ab.
„Ich habe gehört, was du für Seidenpfote getan hast. Das war sehr selbstlos von dir.“, miaute der Kater zwischen zwei Bissen. Wüstenpfotes Brust schwoll vor Stolz an. Das war schon das zweite Lob an diesem Tag. „So hätte jede DonnerClan Katze gehandelt.“, sagte sie bescheiden und senkte etwas verlegen den Blick. Sie war so viel Lob und Freundlichkeit nicht gewohnt.
„Nun, ich denke…“, setzte Dachsherz an, doch er wurde von lautem Geschrei unterbrochen.
Tannenpfote stürmte blutüberströmt durch den Ginstereingang. Entsetzt heulten die Katzen auf und ihre Schreie hallten durch den Wald. Der Schüler schwankte leicht. Sein Fell glänzte vor Blut, man konnte eine tiefe Wunde in der Schulter zu erkennen.
„WindClan…WindClan Patroullie.“, stammelte Tannenpfote.
Silberstern eilte auf ihn zu. Wüstenpfote konnte sogar aus dieser Entfernung den besorgten Blick des Anführers sehen. „Was ist geschehen?“, fragte Silberstern.
„Wir sind auf v-vier Krieger vom WindClan gestoßen, am Wasserfall, nicht weit vom Eulenbaum.“, fuhr er mit zitternder Stimme fort.
„Heidekralle war darunter.“
„Heidekralle!“, Wüstenpfote sog scharf die Luft ein. „Er war mein Mentor.“, fügte sie an Dachsherz gewandt hinzu. „Dunkelblüte hat sie gewarnt, dass sie nicht über die Grenze treten sollten. S-sie hat gedroht, d-dass der nächste Krieger, der sich auf unserem Territorium erwischt werde und sich an unseren Katzen vergreif, getötet werde, a-aber Heidekralle hat nur gelacht. Er meint wir wären dem SternenClan unwürdig.“ Tannenpfote holte keuchend Atem.
Einige Clan Katzen schnappten empört nach Luft. Auch Wüstenpfotes Fell sträubte sich bei seinen Worten.
„Dann haben sie vom WindClan angegriffen. Es war schwer zu erkennen was genau passiert ist. Ich habe gesehen wie Heidekralle Dunkelblüte zu Boden drückte. Sternenschweif wurde von zwei Kriegern gelichzeitig angegriffen, aber dann ist Rosenblüte…“
Plötzlich verdrehten sich Tannenpfotes Augen und er kippte zur Seite. Halb kriechend, halb fallend, glitt er vom Hochstein und brach unten auf dem Boden zusammen. Haselschweif stürzte herbei und kauerte sich neben ihn nieder. Kurz leckte sie seine Wange und rief dann laut: „Regentau!“ Aus der vom Farn beschatteten Ecke des Lagers kam die hübsche, silbergraue Kätzin gelaufen. Sie eilte zu dem ohnmächtigen Schüler und rollte ihn auf die Seite um seine Wunde besser betrachten zu können.
Nach einer Weile blickte sie auf und sagte: „Es ist schon gut, Haselschweif, er ist nicht lebensgefährlich verletzt.“ Danach wandte sie sich nach Wüstenpfote um. Ihr Ruf löste die Schülerin aus der Schockstarre. „Wüstenpfote, bring mir sofort Spinnweben, Studentenblume und Stachelhalm!“ Sie schnippte mit der Schwanzspitze als Zeichen, dass sie verstanden hatte und ließ Dachsherz alleine zurück.
In Regentaus Bau fand sie sofort, wonach sie suchte. Ihre Nase unterschied die feinsten Gerüche. Mit dem Kräuterbündel im Maul und einige Spinnweben auf den Pfoten begab sie sich sofort zu Regentau und Tannenpfote. Die Heilerin dankte ihr mit einem knappen Nicken. Anschließend richtete sie wieder ihre Aufmerksamkeit auf den verletzten Schüler.
Doch plötzlich fesselte nicht mehr die Wunde von Tannenpfote Wüstenpfotes Blick, sondern die Schemenhafte Gestalt, die sich dem Clan Lager näherte. Wüstenpfotes Herz verkrampfte sich, als sie die zerfetzte, leblose Gestalt erkannte, die in Sternenschweifs maul baumelte. Mitten auf die Lichtung zerrte er das zerfetzte Tier. Wüstenpfote schrie auf. Sie stürzte nach vorne. Ihr Blut gefror in ihren Adern.
Nein! Das darf nicht sein! Nein! Oh bitte, SternenClan, tu mir das nicht an!, flehte sie.
Sternenschweif ließ den Nacken der Toten los. „Dunkelblüte ist eines ehrenvollen Todes gestorben, niedergestreckt von Heidekralle. Ich konnte sie nicht retten, ich konnte nicht…“, Sternenschweifs Stimme war heiser vor Trauer und diese färbte seine Augen dunkel. Silberstern schritt zu ihm: „Der SternenClan wird deine Gefährtin in Ehren aufnehmen.“
Der DonnerClan Anführer drückte tröstend seine Schnauze in Sternenschweifs Fell. Alles um Wüstenpfote herum war schwarz. Immer wieder hörte sie die Worte: „Nein! Nein! Nein!“. Sie merkte, dass sie es laut sagte. Ihr Körper zitterte vor Verzweiflung.
War das meine Schuld?
Mausepfote tauchte an ihrer Seite auf. Sie war gerade von der Jagd zurückgekehrt. Entsetzten spiegelte sich in den Augen der kleinen Schülerin. „Was ist geschehen?“, ihre Stimme war leise, fast nur ein Windhauch, man hörte den Schmerz heraus. Wüstenpfote konnte nicht antworten, das Entsetzten schnürte ihre Kehle zu, als sie den zerfetzten Leib ihrer Mentorin ah.
Auf einmal löste etwas ihre Schockstarre. Wüstenpfote bewegte sich ohne zu wissen, was sie wirklich vorhatte. Sie stürzte zu ihrer Mentorin und kauerte sich zu Sternenschweif. Traurig drückte sie ihre Schnauze an Dunkleblütes leblose Flanke. Der Gestank nach geronnenem Blut schnürte ihr die Luft ab, der Effekt wurde von der alles zerfressenden Trauer noch verstärkt.
„Willst du bei deiner Mentorin bleiben?“, fragte Silberstern leise und mitfühlend.
Sanft sah er die junge Kätzin an. „Ihre Seele mag sie verlassen haben, um sich dem SternenClan anzuschließen, aber ich möchte Dunkelblüte, meiner Mentorin, zum letzten Mal die Ehre erweisen.“, flüsterte sie. „Tapfere und weise Worte, kleine Schülerin.“, miaute der Clan Anführer leise und berührte sie leicht mit der Nase an der Stirn.

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