Kapitel 3


FRÜH AM MORGEN brach sie auf. Der Tau glitzerte noch auf den trockenen Pflanzen. Doch mit der höher steigenden Sonne würde er verdunsten. Einige Katzen waren schon dabei ihre Mahlzeit zu sich zu nehmen und sich die Zunge zu geben.
Keiner beachtete die Schülerin, die sich unauffällig aus dem Lager entfernte. Vermutlich dachten sie, dass sie wieder auf Jagd war. Sie zwängte sich durch den Eingang und verließ das Lager. Sie war erleichtert, dass sie ihrem Mentor nicht begegnete. Ihre Pfoten streiften einige trockene Äste, die sich aus dem Eingang gelöst hatten. Wüstenpfote hatte einen weiten Weg vor sich, da konnte sie sich nicht um solche belanglosen Dinge kümmern.
Die Schülerin beschleunigte ihr Tempo, sie würde dieses schreckliche Leben hinter sich lassen. Die Torturen der letzten tage hatten ihrer Entscheidung den Rest gegeben. Sie konnte nicht länger bleiben. Sie würde den WindClan nicht vermissen. Dieses Leben hatte ihr bisher nur Schmerzen gebracht und diese würde sie nicht vermissen oder sich wieder wünschen. Das Einzige, was sie wollte war frei zu sein und das konnte sie als Einzelläuferin. Zwar wusste sie, dass sie dazu zwei feindliche Territorien durchqueren musste, aber das Risiko war ihr ihr größter Wunsch wert.
Nie wieder würde sie die Qualen einer der Übungseinheiten Heidekralles ertragen müssen.
Noch brannte die Sonne nicht so stark vom Himmel, aber mit fortschreitender Zeit wurde auch die Hitze größer. Sie musste sich beeilen. Sie wollte nicht, dass sie ihre Flucht wegen drohender Ohnmachtsgefahr durch zu viel Sonneneinstrahlung abbrechen musste.
Die Morgendämmerung war perfekt für eine Flucht. Die Clan Katzen dachten, dass die Schülerin von ihrem Mentor zu Jagd geschickt worden war und sie konnte keiner anderen Katze außer denen der Nachtpatrouille begegnen. Und diese würde sie geschickt zu umgehen wissen. Ihr Fell wurde vom leichten Wind gestreift. Sie konnte sie schon fast riechen, die Freiheit. Sie war zum Greifen nahe.
Es war ihr egal, dass ihr Vater der Anführer des Clans war. Er hatte sie eh nie beachtet. Windstern hatte sie immer ignoriert und die Pflichten, die sie als sein einziges Junge zu erfüllen hatte waren ihr egal. Sollte er sich doch eine andere Katze suchen, die seine sogenannte Stärke repräsentierte. Sollte er sich doch seine Tochter sonst wo hinschieben. Sie gehörte jedenfalls nicht ihm. Er würde sie nicht an den Clan binden können. Niemals.
Wüstenpfote rannte über die felsige Landschaft. Noch war die Erde nicht stark erhitzt, doch sie wusste, dass sich das mait Aufgehen der Sonne schnell änderte. Den Weg ihrer Flucht kannte sie. Sie hatte sich schon oft genug zum Baumgeviert vorgewagt, dass sie wusste, wohin sie musste. Sie würde durch das FlussClan und DonnerClan Territorium laufen und anschließend im Zweibeinerort bleiben. Da konnte sie tun und lassen was sie wollte. Niemand würde ihr sagen, was sei tun und lassen sollte. Ihre Beine trugen sie schneller als der Wind über das flache Land. Die niederen Heidesträucher boten zwar keinen wirklichen Schutz davor, dass sie gesehen wurde, das war ihr in diesem Moment vollkommen egal. Sie musste das tun.
Es war ihre Bestimmung die Freiheit zu erlangen.
Sie gehörte nicht in diesen Clan. Plötzlich hörte Wüstenpfote Schritte. Nein, das durfte nicht sein. Sie konnte doch jetzt keinem begegnen. Sie würde sich nicht aufhalten lassen. Bitte lass es nicht Heidekralle sein, betete sie.
Ihr Herz blieb für einen Augenblick stehen, danach raste es in vierfachem Tempo weiter. Ihre Ohren richteten sich nach der ungewollten und unerwarteten Geräuschquelle aus. Sie bleckte ihre Zähen. Wenn nötig würde sie angreifen. Ihre Schwanzspitze zuckte, ihr Fell war gesträubt. Doch es war nicht ihr Mentor, der da auf sie zukam. Als sie den vertrauten Geruch erkannte, glätteten sich die wogen der Aufregung wieder.
„Hallo Wüstenpfote.“, miaute Hasenfell, „Hat dich Heidekralle wieder auf die Jagd geschickt?“ Unruhig trat die Schülerin auf der Stelle. Bloß keinen unnötigen Verdacht erregen, mahnte sie sich. „Ja, ich soll zusehen, dass ich Frischbeute ins Lager bringe.“, log sie, um nur irgendetwas antworten zu können. Silberregen musterte sie. Hinter ihm stand Nebelpfote. Neid stieg in Wüstenpfote auf, der Schüler durfte schon mit auf Patroullie, sie selbst war schon länger in der Ausbildung, doch diese Ehre hatte ihr nie zu Teil werden können. Sie zwang sich den freundlichen Ausdruck ihrer Miene beizubehalten.
Nur ruhig Blut, sprach sie sich selbst Mut zu. „Bringst du mir ein Eichhörnchen mit, wenn du eines fängst?“, fragte Nebelpfote. „Klar. Aber die sind diese Blattgrüne echt flink.“, lachte Wüstenpfote, wenn auch ein wenig gezwungen. Sie hatte noch nie so gut lügen können. Doch dieses Mal schien es ihr ganz gut zu gelingen. „Du fängst doch alles.“, schnurrte der schildpattfarbene Schüler.
Die Zuneigung zu der sandfarbenen Kätzin war in seinen leuchtenden Augen zu erkennen. Wüstenpfote erwiderte die Gefühle nicht, klar, er war auch in der Ausbildung, jedoch war er nie ihr Typ gewesen. Er hatte keinen eigenen Kopf, ließ sich alles sagen und war total mies im Kämpfen. Und er konnte sich auch nicht behaupten. Außerdem war sein Geist schwach, mit ihm konnte man sich einfach nicht unterhalten. Dieser Kater war einfach zu leichtgläubig, was ihr in diesem Moment zum Vorteil sein konnte.
Wüstenpfote tat so, als ob sie verlegen von seinem Kompliment sei, in Wahrheit besah sie sich aus den Augenwinkeln die Landschaft um ihr Entkommen möglichst natürlich wirken zu lassen. Sie sollten keinen verdacht schöpfen, wenn sie sofort Richtung FlussClan Territorium liefe. Ihr Plan war es erst einmal so lange in die entgegengesetzte Richtung zu laufen bis die Patrouille weg war, dann konnte sie ihren eigentlichen Weg einschlagen.
Silberregen stupste seinen Schüler an, der Wüstenpfote verträumt anstarrte. Wüstenpfote verdrehte innerlich die Augen. Konnte er nicht einmal etwas unauffälliger sein? Anscheinend nicht. Hasenfell zuckte mit den Schultern er war einer der Katzen im Clan, die Weißstern blind vertrauten und alles was er sagte für eine Weisung des SternenClans hielt. Wüstenpfote mochte ihn nicht. „Mach deinem Vater keine Schande und bring ja genug Beute zurück.“, miaute er. Wüstenpfote ließ sich dazu hinreißen ihn kurz vernichtend anzustarren, hatte sich jedoch nach einem Augenblick wieder unter Kontrolle. „Natürlich Hasenfell.“, antwortete sie leicht bissig. Doch man merkte diese Note nicht ihn ihrer Stimme, zumindest zeigten die Katzen keine Reaktion darauf.
„Wir werden dich nicht weiter stören.“, meinte Silberregen und wandte sich zum gehen. Hasenfell und Nebelpfote warfen ihr jeweils noch einen Blick zu, doch auch sie drehten sich um.
Wüstenpfote atmete erleichtert aus. Na endlich. Sie waren weg. Kurz sah sie sich um, ob sie jemand beobachtete, anschließend setzte sie ihrem vorher gefassten Plan um. Sie bewegte sich ein wenig von der Grenz weg um dann mit vollem Tempo über die Ebene zu preschen um die verlorene Zeit wettzumachen. Sie musste es schaffen.
Langsam heizte sich die Landschaft auf. Die Sonne stand ein wenig über den Baumwipfeln. Bis Sonnenhoch war es nicht mehr lang. Sie musste die FlussClan Grenze schnell erreichen. Ihre Pfoten trommelten in einem stetigen Rhythmus über den Boden. Die Landschaft zog an ihr vorbei. schnell ließ sie die kleine Hochebene hinter sich und stürmte den Abhang hinunter. Warmer Wind schlug ihr ins Gesicht und zerzauste ihr Fell.
Endlich nahm sie den schneidenden Geruch der FlussClan Katzen wahr. Er war zwar nicht so widerlich wie der des SchattenClans, aber dennoch unangenehm. Es kratzte in der Nase und sie musste niesen. Das Territorium des FlussClans war nahe der Schlucht unwegsam und felsig. Es bot aber viele Versteckte um unbemerkt durch das Gebiet gelangen zu können. Wüstenpfote reckte die Nase in die Höhe um die Luft zu überprüfen. Gut. Es war keine FlussClan Patroullie in der Nähe.
Vorsichtig setzte sie eine Pfote vor die Andere, verharrte aber nie lange genug an einem Ort, sodass sich ihr Geruch dort absetzen hätte können.
Die grauen Felsen schimmerten im frühen Sonnenlicht golden. Einige Vögel zwitscherten. So früh am Morgen war es noch angenehm, nicht so unerträglich heiß wie bei Sonnenhoch. Auf den Spinnenweben glitzerten noch einige Tautropfen. Neben ihr rauschte der Fluss, der sich, wie sie wusste, weiter unten in einen durchschwimmbaren Bach verwandelte. Wüstenpfote mochte das Territorium des DonnerClan Territoriums, dennoch bewunderte sie den Reichtum des DonnerClan Territoriums. Dort lebten Mäuse und Eichhörnchen im Überfluss. Plötzlich platschte etwas neben ihr.
Erschrocken zuckte Wüstenpfote zusammen. Beim SternenClan, lass es keine Patrouille sein, betete sie. Ihr sandfarbenes Fell hatte sich vor Aufregung gesträubt und ihre Schnurrhaare zitterten. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Vorsichtig schob sie sich näher an die Schlucht heran und lugte über den Rand. Tosende Wogen rissen einige Äste und Blätter mit sich. Sollte eine Katze dort hinunterstürzen, wäre sie tot. Das Wasser kühlte die Luft um die Schlucht etwas ab und Wüstenpfote genoss die angenehme Frische. Keine Katze war weit und breit zu sehen. Erleichterung durchdrang Wüstenpfotes Körper und ihr Fell glättete sich allmählich wieder.
Mit schnellen Schritten durchquerte sie den schmalen Streifen des FlussClan Territoriums. Sie befand sich nun kurz vor dem DonnerClan Territorium. Der Wasserfall toste neben ihr. Wassermassen stürzten in die tödliche Tiefe. Von dort unten stieg bedrohlicher Nebel auf. Wüstenpfote bekam sogar schon von diesem Anblick wacklige Pfoten. Sie hasste Wasser. In der Nähe des Flusses war die Erde fruchtbar und noch nicht vertrocknet. Hier wuchsen sogar grüne Pflanzen. Sie erkannte die weißen Blüten der Kamille.
Diese Pflanze wirkte als Beruhigungsmittel. Das wusste Wüstenpfote, da sie so viel Zeit im Heilerbau verbracht hatte, dass sie die verschiedensten Heilpflanzen und Heilmethoden inzwischen kannte. Die WindClan Heilerin, Schmetterlingsblume, hatte viel Zeit damit verbracht Wüstenpfote vor dem Erschöpfungstod zu bewahren. Aber durch nicht wenige Verletzungen, gebrochen Knochen oder Erkältungen war die junge Schülerin im Heilerbau gelandet. Da sie aber immer gut aufpasste was die Heilerin ihr zu Genesung verabreichte, kannte sie sich nun sehr gut aus. Mit der Schnauze berührte sie die weichen Blütenblätter und knabberte sie an. Ein bisschen schadete nie. Außer wenn sie Todesbeeren essen würde. Dann würde sie auf der Stelle sterben, wenn sie keine Scharfgarbe fände.
Wüstenpfote reckte die Nase in die Höhe und prüfte die Luft. Sie war froh den WindClan verlassen zu haben. Wäre sie im Lager müsste sie nun trotz ihres freien Tages jagen gehen. Sehr gut, es sind keine Katzen in der Nähe. Anschließend setzte sie ihren Weg fort. Sie gelangte an die Grenze zum DonnerClan. Der Geruch fremder Katzen stieg ihr in die Nase. Doch er war nicht stechend wie der der FlussClan Katzen. Es roch eher warm, nach Laub und Erde und Gemeinschaft.
Sie schritt über die Grenze. Vor ihr ragten die großen Laubbäume in die Höhe. Wüstenpfote prüfte erneut die Luft. Keine DonnerClan Patroullie war in der Nähe. Ihre Pfoten federten bei jedem Schritt auf dem weichen Waldboden. Um die dicken Baumstämme ragten Efeupflanzen. Am Boden war das Laub von Brombeerranken überwuchert. Einige der blauen Beeren blitzten durch das Dickicht. Aber auch dem Wald merkte man die harte Blattgrüne an. Die Blätter schimmerten nur in mattem Grün und hingen schlaff an den Ästen. Trockenes Laub bedeckte die Erde und auch einige morsche Äste lagen dort. das Moos war nicht feucht, wie es hätte sein sollen, sondern klebte trocken an den Stämmen. Einige Stellen färbten sich sogar schon hellbraun.
Wüstenpfote sog tief den herben Duft des Waldes ein, kostete die Gerüche aus. Der schwache Zweibeinergeruch war von den starken, würzigen Noten der Pflanzen überdeckt. Sie atmete nochmal ein, anschließend setzte sie ihren Weg fort. Einzelne Sonnenstrahlen drangen durch das dichte Blätterdach und tauchten den Wald in ein goldenes Licht. Wüstenpfote bewunderte das Spiel des Lichts, die Strahlen wärmten ihr Fell.
Auf leisen Pfoten schlich sie durch das Dickicht, immer darauf bedacht keiner Katze zu begegnen. Sie gab keinen Laut von sich, nicht einmal ihr Fell raschelte im Wind. Mit ihren wachsamen gelbgrünen Augen nahm sie sogar die kleinste Bewegung wahr. Nichts rührte sich. Geschickt schlängelte sie sich durch die Dornen der Brombeeren, feinsäuberlich darauf achtend, dass kein Stück ihres Pelzes hängen blieb. Sie spitzte die Ohren.
Da war etwas. Sie spannte ihre Muskeln an. Bereit zum Sprung. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie spürte den Puls in ihrer Brust pochen. Ihre Schwanzspitze zuckte. In ihren Pfoten kribbelte es Doch es war nur der Wind, der über die Baumwipfel streifte. Erleichtert entspannte sie sich wieder. Dennoch war sie immer wachsam. Nachdem sich ihr puls beruhigt hatte, schlich sie weiter durch das undurchdringlich erscheinende Gebüsch aus Brombeeren und Kletterpflanzen.
Sie wusste, dass sie es fast geschafft hatte. Irgendwo im Wald war das keckern eines Eichhörnchens zu hören. Ihr Magen zog sich zusammen. Sie hatte Hunger. Doch sie durfte nicht auf fremdem Territorium jagen. Das verbot das Gesetz der Krieger. Sie hatte es schon gebrochen, indem sie unerlaubt in zwei Gebiete zweier feindlicher Clans eingedrungen war. Das würde sie nicht noch verschlimmern. Mühsam unterdrückte sie ihren Jagdinstinkt. Sie befahl ihrem Magen zu schweigen. Doch ein ärgerliches Grummeln konnte er anscheinend nicht unterdrücken. Das Röhren ihres Magens hallte durch die Stille.
Erschrocken blickte Wüstenpfote auf. Ihr Puls beschleunigte sich. Beim SternenClan, hoffentlich hat mich niemand gehört, flehte sie. Sie spannte ihre Muskeln an, dann rannte sie als wäre eine Horde tollwütiger Hunde hinter ihr her.

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