Kapitel 13
EIN LAUTES JAULEN befahl allen Katzen zu schweigen. Wüstenpfote richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Anführer, die sich auf dem Felsen einfanden. Silberstern stand stolz zwischen den anderen. Sein schwarzes Fell glänzte im Mondlicht. Oben auf dem Felsen trat Finsterstern vor. Ihre stolze Haltung schien einige Katzen sehr einzuschüchtern.
„Katzen aller Clans, seid willkommen“, rief sie mit klarer Stimme. „Windstern möchten allen Katzen, die hier anwesend sind etwas mitteilen.“
Der Anführer des WindClans trat geräuschlos vor und stellte sich neben Finsterstern. Einige Augenblicke lang blickte er über die Menge hinweg und seine gelb-grünen Augen glühten. Aus den Augen derselben Farbe funkelte Wüstenpfote ihren Vater herausfordernd an, er schien sie nicht zu sehen.
Dann holte er tief Luft und begann: „Meine Freunde, ich will hier offen über die Bestimmung des WindClans sprechen…“ Doch sofort wurde er durch aufgebrachte, ungeduldige Stimmen unterbrochen.
„Was für Bestimmungen?“, rief eine.
„Soll das etwa heißen, der WindClan sei mehr wert als wir anderen?“, miaute eine andere.
Windstern reckte sich zu voller Höhe auf und peitschte mit dem Schwanz durch die Luft. „Als Anführer des WindClans habe ich das Recht, hier zu euch zu sprechen!“, knurrte er drohend. Wüstenpfotes Nackenfell stellte sich empört auf. Die Menge verfiel in Schweigen. Wüstenpfote nahm scharfen Angstgeruch um sich herum wahr.
„Wir alle wissen“, fuhr Windstern mit durchdringender Stimme fort, „dass der DonnerClan den WindClan schon lange bedroht und tyrannisiert. Schon seit einigen Monden finden wir immer wieder frische Duftspuren von DonnerClan Kriegern auf unserem Gebiet. Die Nahrung wird für unsere Katzen immer knapper aufgrund der ganzen Beutediebstähle. Seht euch doch unsere Katzen an, wie abgemagert sie sind im Gegensatz zu diesen da. Auch macht uns die harte Blattgrüne zu schaffen, wir haben nicht genug Schutz, denn es gibt keine schattenspendenden Bäume in unserem Territorium.“
Die Menge warf den Katzen mittleidige Blicke zu und schaute alle Katzen des DonnerClan feindselig an. Weißstern stand triumphierend über ihnen. Seine Masche funktionierte bestens. Er hatte mit seiner kurzen Rede Konflikte und Abscheu zwischen den Clans gestreut und sich dabei mögliche Unterstützer gesichert. Wüstenpfote knurrte leise, Jaguarkralle legte eine Pfote beschwichtigend auf ihre Schulter.
„Und das Schlimmste…“, setzte Windstern darauf, „Diese da haben meine Tochter gestohlen. Mein einziges Junges.“
Er legte falsche Trauer in seine Stimme. Erschrockenes Raunen ging durch die Reihen. Nun fauchten die Anderen den DonnerClan offen an.
Wüstenpfote war noch nicht entdeckt worden. Sie saß beinahe unsichtbar in Jaguarkralles Schatten, ebenfalls flankiert von Dachsherz und Sternenschweif. Silberstern trat vor. Offene Feindseligkeit der Katzen strömte ihm entgegen. Der alte, weise Kater erhob seine tiefe Stimme: „Ich muss alle Vorwürfe zurückweisen. Der DonnerClan hat weder Beute gestohlen, noch deine Tochter oder dein Territorium je betreten.“
„Lügner!“, jaulte Heidekralle. „Ich selbst habe Markierungen eurer Katzen auf unserem Gebiet gefunden!“
Wüstenpfote wurde klar, dass es viel schwerer werden würde die WindClan Katzen aus den Krallen dieser beiden zu befreien, vor allem, da sie nun die Unterstützung der anderen Clans auf ihrer Seite hatten. „Und meine Schülerin! Sie ist nicht wieder aufgetaucht!“, heulte Heidekralle.
Wüstenpfotes Fell sträubte sich. Wie konnten die anderen Clans nur den so falschen Worten dieser Katzen glauben? Das merkte doch jeder, dass das alles nur gespielt war.
Silberstern widersprach den Worten Heidekralles nicht. Er stand einfach nur auf dem Felsen und sah jeder einzelnen Katze enttäuscht in die Augen, es schien sie nicht zu berühren.
Ich muss doch etwas unternehmen!
Das kann doch so nicht weitergehen!
Der DonnerClan hat nie etwas getan!, schoss der Schülerin durch den Kopf.
Sie wollte schon aufspringen und zum Hochfelsen laufen, doch Jaguarkralle hielt sie zurück. „Du kannst nichts tun.“, flüsterte er ihr ins Ohr. Sie starrte ihn frustriert an. „Aber…“ „Wüstenpfote, sei vernünftig! Wenn du dich jetzt zeigst, bedeutet das den Untergang unseres Clans!“, miaute er an ihrem Ohr. Sie wusste, dass er Recht hatte, aber sie war einfach so verzweifelt.
Forellenstern versuchte die Situation wieder ins Lot zu bringen. Die FlussClan Anführerin schob die zwei Katzen nach hinten und begann: „Der FlussClan hat keine Verluste zu beklagen. Wir freuen uns die Schüler Lachspfote und Wasserpfote zu begrüßen.“ Die aufgebrachte Menge ließ sich ein wenig beruhigen, sie wandte nun ihre Aufmerksamkeit auf die beiden neuen Schüler, die neben ihren Mentoren saßen. Sie senkten verlegen die Köpfe und sahen dann stolz zu ihrer Anführerin auf. Diese lächelte zurück.
„Zudem macht uns diese Blattgrüne zwar zu schaffen, doch bis jetzt gab es keine Probleme mit Wassermangel oder zu wenig Beute.“, fuhr sie fort.
Die Stimmung hatte sich inzwischen wieder so weit beruhigt, dass die Katzen sich nicht gegenseitig umbringen würden. Dennoch funkelten sich die Seiten feindselig an.
Finsterstern trat nun vor um ihre Neuigkeiten zu berichten: „Ich kann auch keine Verluste beklagen. Leider haben wir keine neuen Schüler zu feiern, doch ich möchte Glanzfeders Leistung als Heilerin zu rühmen wissen. Sie hat großartige Arbeit geleistet, indem sie viele meiner Katzen vor dem Hitzetod durch ihr Wissen retten konnte…“
Wüstenpfote hörte nicht mehr zu. Sie wollte dem belanglosen Geplänkel nicht lauschen. Ihr Fell sträubte sich, als ihr Vater seinen vermeidlich ach so starken Clan lobte. Wüstenpfote rollte die Augen. Das ging ihr auf die nerven.
Wie konnte eine einzige Katze nur so falsch sein?
Und wieso griff er überhaupt den DonnerClan so an?
Klar, er wollte ihn vernichten. Aber wieso war der Clan ihm ein Dorn im Auge? Und wieso kümmerte es ihn nun so sehr, dass sie weg war? Früher war sie ihm doch auch egal gewesen. Sie verstand seine Logik einfach nicht. Mit der Zeit begann sie die Katzen der anderen Clans immer mehr zu verabscheuen, diese schienen die Falschheit und die Lügen dieses Katers einfach nicht durchschauen zu können. Und die Feigheit der WindClan Katzen machte sie rasend.
Man konnte doch nicht so feige sein!
Es war einfach gegen ihre Kämpferische Natur. Sogar Krone würde bei dieser Unterdrückung aufstehen und kämpfen. Auch wenn sie gar keine Erfahrung hätte., mutmaßte Wüstenpfote.
Jaguarkralle bemerkte die Anspannung und Unruhe seiner Schülerin. Er verstand, warum sie so wütend war. Er hatte erkannt, dass sie seinen Clan treu ergeben war. Doch eine Sacher verwirrte ihn. Sie war doch keine WindClan Katze sollte sie dann nicht den DonnerClan hassen, nachdem, was Windstern gesagt hatte, auch wenn es nicht stimmte. Sie war doch noch immer verbunden mit dem WindClan. Als er ihre Wut gespürt hatte, hatte sich eine unheimliche Zufriedenheit in ihm ausgebreitet, er hatte genau in diesem Moment erkannt, dass nicht alle WindClan Katzen schlecht waren. Klar, er verabscheute den Clan, das hatte auch einen bestimmten Grund. Doch es schien, dass seine Schülerin, eine ehemalige WindClan Katze, ganz in Ordnung zu sein schein. Zudem hatte sie einen fantastischen Humor und sie war stark. Er hatte sich zum Ziel gesetzt sie im Kampf zu schlagen, er brauchte seine Revanche.
Schmunzelnd dachte er an den Tag zurück an dem sie sich das erste Mal begegnet waren. In Gedanken war er schon lange nicht mehr bei der großen Versammlung, die redeten doch eh nur dasselbe wie immer. Er seufzte. Plötzlich spürte er, dass Wüstenpfote sich neben ihm bewegte. Er runzelte die Stirn. Was hatte sie vor? In einem war er mit sich im Reinen: er würde sie dieses Mal nicht aufhalten, von ihm aus konnte sie dem WindClan ruhig eine Lektion erteilen.
Wüstenpfote schob sich an Jaguarkralle vorbei. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie hatte einen absolut verrückten und wahnsinnigen Plan gefasst. Doch zuerst musste sie unentdeckt auf den Hochstein gelangen. Ihre Pfoten tappten lautlos über den Waldboden. Staubige Erde drang ihr zwischen die Ballen, ein unangenehmes Gefühl, doch auszuhalten.
Der Boden war noch leicht warm von der Hitze des Tages. Ihre Schwanzspitze zuckte, als sie die Reihen der DonnerClan Krieger verließ.
Mausepfote bemerkte sie SternenClan sei Dank nicht. Die Schülerin war einfach zu neugierig und hätte sie sofort auffliegen lassen, wenn auch nur unabsichtlich.
Ihre Ohren richteten sich nach der nächsten Geräuschquelle aus, doch sie konnte nichts Verdächtiges wahrnehmen. Das einzige was sie hörte war das Geräusch der vielen leise murmelnden Stimmen, die zu einem leisen Hintergrundklang wurde. Gut so, so konnte keiner ihren Abgang hören. Wind fuhr durch die Wipfel der Eichen, als sie das Tal lautlos verließ.
Nun musste sie dieses nur noch ungesehen umrunden. Das sollte eigentlich nicht so schwer sein. Schließlich war der Hang von dichtem Gebüsch bewachsen. Ihr Atem ging schnell und kurz, als sie sich in einen großen Busch flüchtete, sodass sie niemand entdecken konnte. Ihre schnellen Schritte trugen die Schülerin rasch ans hintere Ende des Tals. Nun hatte sie die perfekte Aussicht auf die Menge der Katzen und die Rücken der Clan Anführer.
Wüstenpfote atmete einmal tief durch.
Gleich würde sie sich zeigen.
Niemand ahnte, was sie vorhatte.
Ihr Puls raste.
Sie konnte jetzt keinen Rückzieher machen.
Sie musste die Ehre des DonnerClans zumindest ein bisschen retten.
Dann hörte die Windsterns Stimme: „Und? Habt ihr etwa keine neune Schüler?“ Die Boshaftigkeit war ihm deutlich anzuhören. Mist, beim SternenClan! Sie konnte nicht früh genug bei Silberstern sein, um ihn aus dem Schlamassel zu helfen. Außer sie würde… Nein das wäre reiner Selbstmord. „Wir möchten in unseren Clan herzlich die Schülerinnen Mausepfote und…“, Silberstern stockte.
Er wusste, was ihr Name bewirken würde. Wüstenpfote hatte keine andere Wahl.
Sie musste es tun.
Ihr Puls raste.
Sie würde das schaffen.
„…und Wüstenpfote.“
Wüstenpfote stieß sich ab. Die Menge keuchte, nicht wegen ihres Sprungs, sondern wegen des Namens. „Windstern hatte Recht!“, schrie eine laute Stimme.
Wüstenpfote flog.
Sie flog.
Ihr Körper hatte vom Boden abgehoben. Mit Leichtigkeit landete sie auf dem Hochfelsen. Ihre Pfoten federten den Aufprall ab. Sie erhob ihre klare, starke Stimme, drängte die Anführer beiseite: „Nein hat er nicht!“ Windstern versuchte sich an ihre Flanke zu schmiegen, wie ein Vater, der seine Tochter vermisst hätte. Doch dem war nicht so. Wüstenpfote wusste es genau.
Sie stieß ihn weg.
Windstern taumelte, einige Katzen schrien auf. Die Schülerin trat nahe an den Rand des Felsens, jede Katze konnte sie sehen. Sie begegnete Jaguarkralles …stolzen… Blick.
Wüstenpfote drehte kurz den Kopf und Silberstern nickte ihr aufmunternd zu.
„Ich, Wüstenpfote. Tochter von Windstern, dem Anführer des WindClans. Ehemalige Schülerin des WindClans. Bis aufs Herzblut treue DonnerClan Schülerin erfordere hiermit das Recht zu sprechen.“
Erwartungsvolle Blicke forderten sie auf fortzufahren, viele starrten sie einfach nur finster an, so als wollten sie sagen: „Was willst du denn, Schülerin?“
„Ich habe den WindClan freiwillig verlassen. Nie hat mich eine DonnerClan Katze nur gezwungen etwas zu tun, das ich nicht wollte. Ich werde diesem Clan treu bis zu meinem Tod sein. Es war meine Entscheidung als freie Katze den WindClan zu verlassen. Es war eine gute Entscheidung. Der WindClan nämlich hat…“
Ein lautes Rufen unterbrach sie: „Seht! Die Wolken verdecken den Mond! Die Versammlung ist beendet!“ Die Anführer nickten. Wüstenpfote stöhnte innerlich auf. War das der Wunsch des SternenClans gewesen, dass sie die Schrecken des WindClans nicht offenbaren konnte. Ihr Fell war gesträubt. Sie wollt Vergeltung. „Komm, Wüstenpfote. Du kannst nicht mehr für uns tun.“ Silberstern schob sie vom Hochfelsen. Wüstenpfote war enttäuscht, doch sie hatte zumindest den ersten Schritt getan. Nun war zumindest eine Falschheit aufgedeckt worden. Bei ihren Clan Kollegen wurde sie überschwänglichstes begrüßt.
„Du hast die Ehre des Clans gerettet.“
„Wüstenpfote, das war der Wahnsinn!“
„Ich bin sehr stolz auf dich, meine Schülerin.“, Jaguarkralle strahlte sie an. Anscheinend hatte er nun endgültig die Feindschaft beiseite gelegt.
„Das war sehr mutig von dir.“, miaute Silberstern. Die Schülerin wusste, dass er noch mehr sagen wollt, doch in Anwesenheit der Anderen konnte er ihre Abmachung nicht erwähnen. Sein Blick meinte:
So würde ein wahrer Anführer handeln, ich bin froh dich ausgewählt zu haben.
Wüstenpfote nickte ihm zu, als Zeichen, dass sie verstanden hatte.
Sie wusste nicht, was die Zukunft bringen würde, aber diese Große Versammlung war schon mal ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Sie hatte beschlossen ihr Schicksal, ihre Bestimmung anzunehmen, dafür zu kämpfen das Richtige zu tun.
Sie würde sich dem SternenClan ehrwürdig erweisen.
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