7. Feige

Sie einzufangen war noch einfacher als er es gedacht hätte - ein Wunder eigentlich, dass der Habicht nicht sie gefangen hatte. Oder der Fuchs; selbst ein Fuchs könnte so eine Kätzin fangen.

Er ließ sie eine Weile vor sich her laufen, fast so, als könnte sie ihm entkommen. Es war schön, ihr dabei zuzusehen, wie sie weglief. Irgendwie sah sie hübsch aus, dabei, auf unnatürliche, aber gleichzeitig anziehende Art und Weise. Als sie die Weißen Wiesen verließen, steigerte er sein Tempo. Sie war langsamer geworden - er konnte ihr Keuchen bis zu sich hören -, eine leichte Beute für einen schnellen Jäger. Und sie schlug keine Haken, wie ein Hase - er konnte einfach springen und sie zu Boden werfen. Wie ein Reh, das von einem Wolf heruntergedrückt wird, brach sie unter ihm zusammen. Er konnte ihren Herzschlag durch ihr Fell spüren, als er sie mit der Pfote am Hals auf den Boden drückte.

»Du schuldest mir noch eine Antwort.«

Es war ein unglaubliches Gefühl, die Macht über jemanden zu haben, der so viel größer war als er selbst. Mit einem mal fiel ihm wieder ein, warum er damals angefangen hatte zu trainieren - warum er der beste hatte werden wollen. Für genau dieses Gefühl.

»Wer war die Kätzin, von der du gesprochen hast?«

»Ich ... weiß es nicht...« Das Hauskätzchen rang nach Atem. »Ich ... kenne ... ihren Namen ... nicht.«

Vorsichtig ließ er ihren Hals etwas los. Sie schnappte nach Luft. »Wie sah sie aus?«

»Ich ... ich weiß nicht.«

Er fuhr die Krallen aus.

»Braun! Sie war braun, mit ein paar Sprenkeln und grünen Augen! Sie war die schönste Kätzin, die ich jemals gesehen habe, bitte lass das, das tut weh!«

Diese Worte rüttelten ihn wach. Vorsichtig löste er den Griff etwas und fuhr die Krallen wieder ein - entsetzt über sich selbst, einem so hilflosen Geschöpf wehgetan zu haben.

Er wollte sie gar nicht leiden sehen. Sie war ein arrogantes Hauskätzchen, ja, und es machte ihn wütend und traurig zugleich, dass sie so schwach und lahm war und dass sie sich so leicht hatte fangen lassen - und dass sie trotzdem schöner und größer war als jede Kätzin im Clan. Aber er war kein Monster. Er war ein treuer, loyaler Clan-Krieger, und treue, loyale Clan-Krieger griffen keine wehrlosen Kätzinnen an. Und so jemand wollte Anführer werden!

Immer noch erschrocken über sich selbst fuhr er die Krallen ein und versuchte, freundlich zu klingen. »Was wollte sie hier?«

»Ich ... ich weiß nicht.«

»Willst du, dass ich wieder-«

»Nein! Warte, ich...«, sie hielt inne, schloss kurz die Augen und seufzte dann. »Ich kann es dir zeigen.«

Lärchenpfote hielt inne. »Zeigen?« Er spannte die Muskeln an. »Wenn das ein Trick ist...«

»... dann weiß ich, mit wem ich es zutun habe.« Sie öffnete die Augen. »Lass mich los und ich zeige es dir.«

Selbst ein wenig erstaunt darüber trat er von ihr zurück, zog die Krallen ein und beobachtete sie, wie sie aufstand. Sie blieb noch einen kurzen Moment stehen, bevor sie losging - ganz langsam, beinahe gemächlich lief sie in Richtung Zweibeinernest.

»Es ist bei ... denen dort?«

Sie drehte sich nicht um. »Ich bin ein Hauskätzchen.« Die Kätzin zuckte mit den Ohren. »Viel mehr Orte habe ich nicht.«

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