30. Gutgläubig
»Wind! Was machst du denn hier!« Ohne nachzudenken rannte er zu ihm, berührte den kleinen Kater vorsichtig mit der Nase an der Schulter, wich zurück und sah ihn ernst an. »Ich dachte, du wärest...«
»Ich dachte, der Habicht hätte dich geholt!« Der Kleine sprang freudig an ihm hoch. »Toll, dass du noch lebst! Ich habe dich wirklich vermisst! Kommst du jetzt öfter? Er hat gesagt...«
»Ist das nicht das Junge vom Zweibeinernest?« Löwenfell näherte sich ihnen nur langsam. Misstrauen funkelte in seinen Augen, und mit gebührendem Abstand blieb er stehen. Seine Ohren zuckten hin und her, offenbar in der Erwartung eines Hinterhalts.
Wie konnte man so einem niedlichen Kätzchen nur so sehr misstrauen?
»Ich wusste gar nicht, dass du mit den Hauskätzchen bekannt bist«, bemerkte Löwenfell spitz.
»Ich bin kein Hauskätzchen«, konstatierte Wind. »Ich bin eine stolze Waldkatze, und Kaba hat gesagt, irgendwann werde ich größer als alle Clankatzen zusammen.«
»Wenn Kaba nur Lärchenfell kennt, ist das auch ziemlich wahrscheinlich.« Er sah sich um, prüfte die Luft. Jede Sekunde, in der kein riesiger, schwarzer Kater aus dem Boden schoss oder aus dem Wasser sprang, schien ihn nur noch misstrauischer zu machen.
Langsam wurde diese Situation auch Lärchenfell ungeheuer. Dieser kleine Kater - ganz allein in einem Gebiet, in dem Schatten lebte - und hatte er nicht auch Schatten gerochen, damals, bei dem Habichtangriff? Er musste ihn über den Fluss getragen haben ... er spannte die Muskeln an, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen: »Und? Wie lebt es sich so, als Waldkatze?«
»Es ist ganz großartig! Ich fische jeden Tag, und dann klettere ich ein bisschen und jage Mäuse ... und passe auf die ganzen Habichte auf, natürlich. Hier sind ja sooo viele Habichte.« Er grinste. Die Wunde an seiner Seite, die ihm die Krallen des Vogels zugefügt hatten, waren fast verheilt; trotzdem bewegte er sich noch etwas ungelenk. Und fischen konnte dieser Winzling sicher auch noch nicht - eine glatte Lüge also.
Lärchenfell gefror das Blut in den Adern. »Ist es nicht ziemlich anstrengend, so ganz allein...?«
»Anstrengend? Oh, ja. Sehr.« Winds Grinsen wirkte auf einmal gezwungen. Er zögerte kurz, dann sprang er auf. »Kann ich euch mein Lager zeigen? Es ist gar nicht so weit weg! Und es ist ganz ... toll...«, er verstummte.
Sein Bruder spannte die Muskeln an und schnippte mit dem Schwanz. Er musste nichts sagen, um sich oder die Situation zu erklären; alles war gesagt, mit diesem einen Schwanzschnippen.
»Du solltest gehen, Wind«, sagte Lärchenfell leise.
Langsam drehte er sich um.
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