15. »Jeder andere wäre ihnen lieber gewesen. Jeder andere.«

»Ich habe dich gesucht.«

»Obwohl ich dir gesagt habe, du sollst es nicht machen.«

Er ließ sich auf den Boden sinken. Der Wind pfiff in seinen Ohren, so laut, dass er die Worte kaum verstehen konnte; und trotzdem nicht laut genug, das Pfeifen in seinem Kopf zu übertönen. Erschöpft legte er den Schwanz auf das Gras. Es fühlte sich kalt an, unter seinem Fell. »Du bist hier«, sagte er.

Frühling zuckte nur mit den Ohren.

»Es ist so laut«, sagte er, hielt inne, musterte den Geist einen Moment und ließ sich dann vollkommen fallen, glitt in das Gras und starrte in den Himmel. »Wie kann es so laut sein, wenn es so still ist.«

»Stille ist nichts als Worte, die nicht gesprochen werden«, meinte Frühling, neigte den Kopf und setze sich. »Wie könnte es leise sein, wenn so vieles nicht gesagt wird?«

Birkenpfote sagte nichts. Die grauen, weißen Wolken zogen langsam am Himmel vorbei; still, langsam und doch viel zu schnell. Unaufhaltsam.

Wie riesig sie waren. Und wie klein er selbst dagegen.

»Wer bist du?« Vorsichtig hob er den Kopf, um Frühling anzuschauen - der Geist beobachtete den Himmel. Der Wind schien ihn gar nicht zu berühren; sein Fell lag glatt an, als gäbe es keinen Sturm in seiner Welt.

»Jemand, vor dem du keine Angst hast«, sagte er, löste den Blick vom Himmel und sah ihm in die Augen. »Du wirst es früh genug erfahren. Zeit ist grausam«, er neigte den Kopf, lächelte bitter und blickte wieder in den Himmel, »und der Frühling ist ein Teil der Zeit. Warum bist du hier?«

Birkenpfote senkte den Kopf wieder auf das Gras und starrte die Wolken an. Ein paar Sekunden lang überlegte er, nicht zu antworten; aber was hatte er zu verlieren? Nichts als einen Freund, den er nicht hatte.

»Weil ich Angst vor dir habe.« Er schloss die Augen.

»... oh.«

»Und weil das die einzige Angst ist, die ich nicht haben müsste.«

»Weil alle anderen...«

»... beängstigend sind.«

»Und ich auch.«

»Wie man es sieht.«

»Und wie soll ich es sehen?«

»Wie du möchtest.« Er erhob sich langsam und warf einen Blick in den Himmel. Der Wind riss an seinem Pelz. »Ich hasse diesen Wind.«

»Nichts sollte man hassen. Wind wird dein treuster Begleiter sein«, Frühling schnippte mit dem Schwanz, »treue Begleiter sollte man nicht hassen.«

»Man kann es versuchen.«

»Wenn man sich mit dem genügt, was man hat, kann man nicht unglücklich sein.¹«

»Und wenn es mich umbringt?«

»Der Wind wird dich schon nicht umbringen.«

Birkenpfote starrte geradeaus. »Der Wind nicht«, sagte er leise, schüttelte den Kopf und sah Frühling von der Seite an. »Und du auch nicht.«

»Und die meisten anderen auch nicht.«

»Manche schon.«

»Es gibt immer ein paar-«

Er wandte sich ab und drückte das Gesicht in das Gras. »Ich mochte Dohlenkralle. Er war der Bruder meines Mentors. Manchmal...« Er verstummte. Das Schweigen senkte sich wieder über die Wiese, noch ehe er bemerkt hatte, dass es für einen kurzen Augenblick nicht da gewesen war. »... manchmal sind wir alle zusammen jagen gegangen. Er hat immer Scherze gemacht...«

Frühling schwieg.

»... und jeder hat über seine Scherze gelacht...«

»Es wird andere geben, die Scherze machen. Und andere werden Scherze machen, über die man lachen kann.«

»Du verstehst das nicht.« Birkenpfote stand auf. Sein Fell fühlte sich taub an, seine Ohren waren kalt und seine Pfoten kribbelten. Mit einem mal fühlte er sich, als wollte er rennen; rennen und rennen und niemals stehen bleiben. Niemals stehen blieben, niemals innehalten und niemals zurückschauen. »Warum ist er tot? Warum er? Jeder mochte ihn. Jeder ... vermisst ihn. Jeder...« Er stockte.

»Jeder...?«

Der Schüler sah auf. Seine Kehle war wie zugeschnürt, seine Augen brannten.

»... jeder andere wäre ihnen lieber gewesen.« Er starrte geradeaus. »Jeder andere.«

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