44. Kapitel
Der Wind pfiff in Schmutzpfotes Ohren, als sie, abseits eines Donnerwegs, im Gebüsch ihrem Schatten folgte. Es war warm, fast stickig unter den sonnengewärmten Blättern. Vor ihr malte die Sonne helle Flecken auf den Boden, die nur von Schmutzpfotes tiefschwarzem Schatten verdeckt wurden, der hartnäckig die Richutng vorgab.
Sie sog die Luft ein und genoß den Duft der Wildnis, die Geräusche der Tiere und das weiche Gras unter ihren Pfoten. Eine Baumlänge neben ihr rasten die Monster vorbei und jedes Mal zuckte sie zusammen, wenn eines vorbeitoste. Vor ihrem inneren Auge sah sie sich wieder auf dem Donnerweg stehen und dem Monster entgegenstarren.
Pheenie hat gesagt, ihre Zweibeinerin hätte für mich gebremst...heißt das, die Zweibeiner steuern die Monster?
Ihr ganzes Leben lang hatte sie von Zweibeinern bloß Horror-Geschichten gehört und jetzt...hatte ihr eine das Leben gerettet und ein Hund hatte ihr bei der Flucht geholfen.
Feldjägerin hatte Recht. Hilfe kommt manchmal von unerwarteten Pfoten.
Wenn sie es nicht so eilig hätte, hätte sie vielleicht mehr herausfinden können. Der Zweibeinerort war gefährlich, aber auf eine unerwartete Weise. Schmutzpfote musste an Lola denken, die freiwillig bei ihren Zweibeinern blieb, weil sie für sie wie Familie waren und an Pheenie, die sich ihr ganzes Leben lang nichts anderes gewünscht hatte, als wieder von einem Zweibeiner geliebt zu werden. Dieser Ort war anders, als sie es sich vorgestellt hatte und trotzdem sehnte sie sich so sehr nach Zuhause, dass es schmerzte.
Ich hoffe, es geht euch gut, dachte die Schülerin, während sie sich unter einem tief hängenden Ast wegduckte. In ihrer verletzten Schulter flammte Schmerz auf, der sie zischend die Luft einsaugen ließ. Sie hatte beschlossen, diesen seltsamen Verband der Zweibeinerin nicht abzunehmen, bis sie sich besser fühlte. Er hielt die Wunde sauber und war gut befestigt, es gab keinen Grund, ihn loszuwerden, bevor die Verletzung verheilt war.
Schmutzpfote tappte weiter geradeaus, als sie im Gebüsch ein Rascheln vernahm und innehielt. Sie hörte das unverwechselbare Trippeln von kleinen Mäusepfoten und der Geruch der Beute ließ ihren Magen hungrig aufheulen. Wie lange hatte sie schon nichts mehr gegessen?
Trotz ihres schmerzenden Beins ließ sie sich in ein Jagdkauern sinken und schlich sich an die Maus an, die zwischen zwei Wurzeln hockte und Samen vom Boden auflas. Sie zwang ihren Schweif, ruhig zu bleiben, verlagerte das Gewicht in die Oberschenkel und duckte sich gerade so weit, dass sie vom hohen Gras verdeckt wurde ohne die Maus aus den Augen zu lassen.
Schmutzpfote lächelte, als sie daran dachte, wie Sonnenstrahl ihr all das beigebracht hatte. Seine Art war damals harsch und streng gewesen, aber er hatte seine Sache gut gemacht. Als sie sich zum Sprung bereitmachte, konnte sie fast seine Stimme hören, wie er ihre Haltung korrigierte. Das Gras raschelte, beiseitegeweht, als Schmutzpfote hindurchfegte. Die Maus quiekte auf und floh. Nur ganz knapp verfehlte die Schülerin ihre Beute. Sie kam viel zu heftig auf und spürte, wie ihre Schulter protestierte. Der Schmerz blendete sie für einen Moment, bevor der hastige Herzschlag der Maus ihre Konzentration wieder ins Jetzt beförderte. Mit einem Schlag ihrer gesunden Pfote fischte Schmutzpfote das kleine Tier unter einer Wurzel hervor und schlug ihm die Zähne in den Nacken. Das erschrockene Quietschen erstarb. Warmes Blut floß Schmutzpfote auf die Zunge. Der Geschmack ließ sie vor Freude fast laut auflachen.
Zufrieden humpelte Schmutzpfote auf eine kleine Lichtung und ließ sich dort nieder. Sie war ziemlich ungünstig gelandet, ihre Schulter sandte eine Schmerzwelle nach der anderen durch ihren ganzen Körper. Sie schaute an sich herab und sah einige rote Flecken durch ihren Verband sickern.
Vogelmist...ich habe die Wunde wieder aufgerissen!
Ächzend entlastete sie ihre Pfote und ließ sich auf die Seite sinken.
Ottersee würde mir den Kopf abreißen, wenn mir das bei einem von ihren Verbänden passiert wäre.
Schmutzpfote sog scharf die Luft ein und wartete darauf, dass der Schmerz verblasste, als sie plötzlich erneut ein Geräusch im Unterholz hörte. Ihre Ohren legten sich langsam an. Das waren Schritte!
Wie zwei geschmeidge Schatten glitten zwei Katzen aus dem Gestrüpp und ein Blick auf ihre Gesichter reichte für Schmutzpfote, um zu wissen, dass sie keine freundlichen Gesellen waren. Ungelenk sprang sie zurück auf die Pfoten und fuhr die Krallen aus.
"Sieh mal, wenn wir da haben?", fing eine der beiden, eine orangebraune Kätzin mit weißen Pfoten an. Ihre grünen Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt und fixierten Schmutzpfote, wie ein Adler seine Beute. Der andere, ein schwarz-weißer Kater hatte den Blick auf Schmutzpfotes Frischbeute gerichtet und leckte sich die Lippen.
"Das ist unser Gebiet!", herrschte die Kätzin Schmutzpfote an und kam ihr bedrohlich näher.
"Keinen Schritt weiter!", fauchte die Schülerin. Sie wollte sich genauso furchterrgened anhören, wie die Fremde, aber es wollte ihr nicht gelingen. Die beiden waren gut genährt und sahen stark aus. Sie hingegen war verletzt und geschwächt. Selbst mit einer Kriegerausbildung konte sie so nichts ausrichten.
Der Kater lachte. "Du bist ja süß. Sie will uns was befehlen, hast du das gehört, Dingo?"
"Hab ich", sagte die Kätzin kalt. Ihre Stimme hatte etwas scharfes. "Und es gefällt mir nicht. Gib uns die Maus!"
Schmutzpfote wich zurück und zog die Beute mit sich. "Bitte. Ich...Ich bin nur auf der Durchreise. Ich brauche diese Beute. Ich verschwinde bald wieder!", beteuerte sie. Auf Dingos Rücken stellte sich das Fell auf.
"Oh, verschwinden wirst du. Aber ohne die Maus!", fauchte die Kätzin mit gebleckten Zähnen. "Du hast sie auf unserem Land gefangen. Sie gehört uns!"
Schmutzpfote spürte Verzweiflung in sich aufsteigen. Die beiden Katzen trieben sie vor einem Baum in die Enge, selbstbewusst und angriffslustig. Die Schülerin knickte fast ein, ihre Pfote gab unter ihr nach. Mit einem Hieb schaffte sie es, die Nase des schwarz-weißen Katers zu zerkratzen, aber im selben Moment stahl Dingo ihr die Maus und zog sich triumphierend zurück, bevor Schmutzpfote etwas dagegen tun konnte.
"Nein!" Schmutzpfote war nach Weinen zumute. Sie war so hungrig und hatte Schmerzen, sie brauchte diese Beute! In einem letzten Versuch schlug sie nach Dingo, aber die Kätzin tauchte geschcikt unter ihrem Hieb durch, während der Kater ihr die Schnauze gegen die blutende Schulter stieß. Schmutzpfote schrie auf und taumelte zur Seite.
"Lass dir das eine Lehre sein! Mach, dass du weg kommst", schimpfte Dingo, gedämpft durch die Maus in ihrem Maul.
Ich habe keine Chance!
Mit einem schnellen Blick auf ihren Schatten suchte sie sich die richtige Richtung und stolperte davon. Die beiden Fremden verfolgten sie eine Weile, bis sie sie, anscheinend am Rand ihres Gebietes ziehen ließen.
Jeder Schritt tat weh. Auf ihrem Verband hatte sich mittlerweile ein großer, roter Fleck gebildet. Mit zusammengebissenen Zähnen humpelte sie stur weiter, wich einem Donnerweg aus und trottete über eine Wiese, direkt auf eine große Ansammlung an Zweibeinerbauten zu.
Auch die nächsten Tage blieben hungrig.
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