40. Kapitel
Es war warm und trocken, als Schmutzpfote begann, ihre Umgebung wieder wahrzunehmen. In ihren Ohren dröhnte ein heller Ton, der sogar ihr eigenes Atmen übertönte. Ihre Kehle fühlte sich rau und ausgetrocknet an.
Was...ist passiert?
Die Gedanken flossen zäh durch ihren Kopf, und sie konnte keinen von ihnen richtig begreifen. Die Konzentration entglitt ihr.
Sie lag auf der Seite, auf irgendetwas Weichem. Selbst durch ihre fest geschlossenen Lider konnte sie erkennen, dass es hell war. Und es war warm. Schien die Sonne wieder?
Wo war sie gewesen, bevor sie aufgewacht war? Sie wusste es nicht mehr...aber der Gedanke an die Sonne erinnerte sie an den Regen, der sie in den letzten Tagen geplagt hatte...sie und...Graufrost!
Schmutzpfote krümmte sich zusammen.
"Graufrost", wisperte sie erstickt. Das Geräusch, als er auf dem Donnerweg aufgeschlagen war, hallte in ihrem Kopf wider und ihr Magen drehte sich um. Sie hatte Knochen brechen gehört. Und seinen Schrei. Das hohe Quietschen der Monsterpfoten auf dem harten Untergrund.
Sie erinnerte sich an das helle Licht, das sie geblendet hatte, als sie versucht hatte, zu ihm zu gelangen. Aber sie war nicht schnell genug gewesen. Sie hatte nicht auf die Monster geachtet.
Obwohl sie mit allen Gedanken versuchte, sich einzureden, dass Graufrost stark war und es bestimmt auch so geschafft hatte, wusste sie, dass sie sich selbst belog. Sie spürte es. Er war nicht mehr hier. Er fehlte.
Tränen stiegen in ihr auf und sie schniefte. Trotz allem hatte er ihr Leben geretten und auf einmal war die Wut auf ihn wie weggeblasen. Sie hätte ihm gerne vergeben, aber das konnte sie nicht. Das konnte nur Schwalbenpfote.
Ob der SternenClan ihn überhaupt aufnimmt...nach allem, was passiert ist?
Für einen ruhigen Moment ließ Schmutzpfote die Trauer über sich hinwegspülen und weinte. Alles tat ihr weh, aber am meisten schmerzte sein Verlust.
Wie soll ich das Fleckengesicht beibringen? Ihre Jungen werden ohne Vater aufwachsen.
Schmutzpfote wünschte sich, sie hätte sich durchgesetzt, als Graufrost ihr gefolgt war. Sie wünschte sich, stärker zu sein, stark genug um ihn zurückzuschicken, damit er seine Familie nicht verlassen musste.
Es tut mir leid, Graufrost.
Sein einziger Wunsch war es gewesen, ein sicheres Zuhause für seine Jungen zu gestalten und jetzt hatte dieser Wunsch ihm das Leben gekostet.
Das wirst du bereuen, Schneeschweif. Dafür bringe ich dich um und niemand wird sich an dich erinnern!
Eine noch nie zuvor gefühlte Bitterkeit erfüllte ihren Körper. Noch nie zuvor hatte sie das Verlangen gespürt, jemanden zu verletzen, aber jetzt war es so weit.
Schmutzpfote versuchte, den Kopf zu heben, aber sofort raste ein scharfer Schmerz durch ihren Schädel.
Wo bin ich eigentlich, dachte sie und lauschte, aber es war leise. Zu leise. War sie nicht mehr am Donnerweg?
Doch, da war ein Geräusch! Was war das? Es hörte sich an wie...eine schnuppernde Nase? Gerade als sie das begriffen hatte, bließ warmer, stinkender Atem über ihr Gesicht. Erschrocken riss sie die Augen auf. Das blendende Licht bohrte sich in ihren Kopf. Sie blinzelte und im nächsten Moment blieb ihr fast das Herz stehen.
Ein Hund!
Schmutzpfote sprang auf die Pfoten, die sich so schwach anfühlten, als bestünden sie nur aus Grashalmen. Vor ihr hatte sich ein riesiger Hund aufgebaut. Die Zunge hing ihm aus dem Maul und übel riechender Sabber tropfte auf den Boden. Die Kätzin fuhr die Krallen aus und fuhr dem Biest über die Nase.
Ich muss weg!
Wild sah sie sich um. Wo zum SternenClan war sie? Alles um sie herum war...eckig? Der Boden war so glatt, dass sie bei ihrem Fluchtversuch beinahe auf die Nase fiel. Der Hund winselte von den Kratzern auf seiner Nase auf und knurrte. Schmutzpfotes Brust wurde eng. Sie jagte an dem Hund vorbei, ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren.
SternenClan hilf mir!
Panisch tauchte die Schülerin unter ein seltsames, buntes Gebilde und presste sich hinten gegen die Wand. Sie atmete hektisch, doch als sie die Luft einsog und die fremden Gerüche aufnahm, wusste sie auf einmal wo sie war.
Ich bin in einem Zweibeinerbau!
Der Gedanke schoss ihr ein wie ein Blitz. Der Geruch nach Zweibeinern war beinahe überwältigend.
Ich muss hier raus!
Von ihrem Versteck aus konnte sie jedoch nicht viel erkennen....bis die dunklen Pfoten des Hundes davor auftauchten.
Er ist zu groß, um hier runter zu kommen. Hier bin ich sicher, redete sie sich verzweifelt ein, spürte aber, wie sie zitterte. Ein Hund, so nah, dass sie seinen Atem rasseln hören konnte.
Bitte geh einfach weg, Biest!
Schmutzpfote presste die Augen zu und hoffte, dass sie das alles nur träumte. Dass sie aufwachen und in Sicherheit sein würde. Stattdessen klickten die Krallen des Hundes auf dem seltsamen Boden als er näher kam. Mit einem dumpfen Geräusch ließ er sich vor Schmutzpfotes Versteck fallen.
"Du brauchst keine Angst zu haben, Katze."
Wer...wie?
Überforderte zuckte Schmutzpfote mit den Ohren. Das konnte doch nicht...oder doch? Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie die breite Schnauze des Hundes.
"Komm doch unter dem Sofa raus. Ist doch furchtbar staubig da unten."
Nein, sie hatte es sich nicht eingebildet! Der Hund redete! Mit ihr!
"Geh weg!", fauchte Schmutzpfote zurück. Sie hörte sich jedoch nicht gerade furchterregend an und der Hund schmunzelte nur.
"Das ist mein Zuhause, Katze. Ich gehe nirgendwo hin", gluckste er...oder nein, eigentlich hörte sich der Hund mehr nach einer sie an. Die Stimme war rau und gebrochen, aber eindeutig weiblich.
"Ich komme auf keinen Fall raus", gab Schmutzpfote zurück und drückte sich noch enger an die Wand.
"Wie du willst", sagte die Hündin, verließ ihren Platz jedoch nicht.
Schmutzpfote atmete einige Male tief durch, um die Enge in ihrer Brust loszuwerden. Ihr Herz raste noch immer und das Blut pumpte wie ein rauschender Fluss durch ihre Adern. Ich muss einen kühlen Kopf bewahren...aber wie?
Noch nie war sie einem Hund so nah gewesen. Der Geruch des Tieres war überwältigend und mit jedem Atemzug bließ es den fauligen Geruch seines Atems in Schmutzpfotes Versteck.
"Wie heißt du, Katze?"
"Das geht dich nichts an!"
"Gut, wenn du meinst. Ich bin Pheenie. Ich wohne hier.
"Schön. Wenn du hier wohnst, wo geht es hier raus?"
"Oh, da gibt es mehrere Möglichkeiten, aber das wirst du nicht schaffen."
"Wieso nicht?"
"Du bist verletzt."
Als der Hund, Pheenie, das sagte, fiel Schmutzpfote zum ersten Mal der brennende Schmerz in ihrer Schulter auf. Sie sah an sich herunter und erblickte ein weißes Material, das sich über ihre schmerzende Schulter und ihren Rumpf wand.
"Was ist das denn?", wisperte sie und zog mit den Zähnen daran. Es dehnte sich, aber als sie losließ, schnalzte es wieder an seinen Platz zurück.
"Ein Verband. Meine Besitzerin hat ihn dir gegeben. Sie kann sowas."
"Besitzerin?"
"Ja. Ich hab sie reden hören. Sie hat dich fast überfahren. Du musst auf der Straße vorsichtiger sein, sonst lebst du nicht lange."
Schmutzpfote rümpfte die Nase. Sie verstand nichts von dem, was die Hündin sagte.
"Du hast Glück, dass sie gebremst hat. Sie sagt, deine Schulter ist nur aufgeschürft. Es wird bald heilen."
"Sie hat mir also...geholfen? Warum?"
"Sie mag Tiere. Besonders Katzen und Hunde. Sie hat auch mich gerettet."
"Wovor hat sie dich gerettet?", fragte Schmutzpfote. Sie entspannte sich ein wenig. Hier kam der Hund auf keinen Fall an sie heran.
"Vor dem Leben auf der Straße. Ich war so lange allein. Die Menschen sind an mir vorbeigegangen und keiner von ihnen wollte mich. So wie dich. Mach dir keine Sorgen, meine Besitzerin wird dir ein gutes Zuhause finden. Wo man dich anständig füttert, du bist ja kaum Haut und Knochen."
"Was?! Ich habe schon ein Zuhause! Und ich kann selbst für mein Essen sorgen!", verteidigte sich Schmutzpfote.
"Ach ja? Wo ist dein Zuhause?"
"Das....weiß ich gerade nicht."
Die Worte trieben ihr plötzlich die Tränen in die Augen. Sie wusste überhaupt nichts! Sie wusste nicht, wo sie war oder wie sie hier herauskommen sollte. Sie schniefte.
"Oh, nicht weinen, Katze. Du findest bestimmt wieder nach Hause. Aber komm doch vielleicht erstmal raus, hm? Du brauchst dich nicht zu fürchten."
"Vergiss es", murmelte Schmutzpfote. "Hunde sind gefährlich."
Pheenie lachte. "Ich bin schon seit langem nicht mehr gefährlich. Ich habe nicht einmal mehr viele Zähne." Schmutzpfote blickte auf und musterte das Maul der Hündin. Sie log nicht. Bis auf ein paar krumme Stummeln war von dem einst bestimmt füchterlichen Gebiss nichts übrig geblieben. "Ich bin alt, Katze. Ich könnte dir nicht einmal nachlaufen. Das machen meine Gelenke nicht mehr mit."
Obwohl die Größe der Hündin Schmutzpfote immer noch Angst machte, beruhigte sie das etwas. Keine Zähne...Pheenie musste wirklich schon sehr alt sein.
"Ich...Ich muss wirklich dringend hier raus", miaute die getigerte Kätzin. "Bitte."
"Das wird nicht möglich sein. Bei euch schreckhaften Straßenkatzen passt meine Besitzerin immer ganz besonders auf, dass nie eine Tür offen bleibt. Vielleicht, wenn es dir ein bisschen besser geht?"
"Es geht mir gut!", knurrte Schmutzpfote, musste aber erkennen, dass das gelogen war. Es ging ihr überhaupt nicht gut. Sie hatte Schmerzen und war müde. Ihr Kopf dröhnte. Hunger nagte an ihr.
"Bestimmt, Katze. Schlaf ein bisschen, ja? Ich passe auf", grummelte die Hündin. Kurz darauf ließ sie ihren massigen, grauen Körper zur Seite rollen und sie verschloss den Spalt durch den Schmutzpfote in ihr Versteck gekrochen war. Nur noch ein kleines bisschen Licht kam herein, aber seltsamerweise fühlte es sich sicher an. Eng an die Wand gepresst, traute Schmutzpfote sich, die Augen zu schließen und schon bald schlief sie, kaum eine Fuchslänge von einem riesigen Hund, ein.
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