31. Kapitel
Schmutzpfote war erleichtert, als sie ungesehen zurück ins Territorium des SumpfClans kam. Der angenehme Duft von Harz strömte auf sie ein und beruhigte sie sofort.
Der Ort, an dem wir die Streuner bekämpft haben. Das war am Wiesenstreifen zum Zweibeinerort.
Die Kätzin überlief ein Schauer, als sie an die ausgemergelten Streuner dachte, die Himbeerpfote und Fuchsblüte übel zugerichtet hatten. Sie erinnerte sich gut daran, wie Schlick, diese braune Kätzin, die offenbar den Angriff geleitet hate, blutend davongetaumelt war. Es war Schmutzpfotes erster Kampf gewesen und sie würde ihn nie vergessen.
Die Tigerkätzin tauchte ins Unterholz und fing an, nach Beute zu schnüffeln, nur falls man sie doch entdeckte, bevor sie ins Lager kam. Da die Sonne schon auf halbem Weg zu Sonnenhoch war, hatte sich der Waldboden schon aufgewärmt, was die Eidechsen anlockte. Schmutzpfote nahm ein Tier ins Visier, das ihr den Rücken zukehrte und fiel in ein Kauern. Als sie sprang, versuchte die Eidechse zu fliehen, aber die Schülerin erwischte sie gerade noch mit ihrer verkrüppelten Pfote. Mit einem schnellen Nackenbiss war es vorbei mit dem Beutetier. Schmutzpfote nahm es auf und setzte ihren Weg ins Lager fort. Sie musste an Sonnenstrahl denken...er hatte glücklich ausgesehen. Ob er sich mit seinen Töchtern versöhnt hatte? Rindenpfote und Weizenpfote hatten nie die Chance bekommen, Krieger zu werden. Ob das so einfach zu vergeben war?
"Schmutzpfote! Wo bist du gewesen?"
Schmutzpfote machte beinahe einen schreckhaften Satz, als ihr kurz vor dem Lager Himmelspfote entgegen kam.
"Ich...ähm...ich war nur jagen. Konnte nicht schlafen", nuschelte sie durch die in ihrem Maul baumelnde Eidechse hindurch.
"Achso...", murmelte Himmelspfote. Ihre Ohren waren leicht angelegt.
"Was ist los?"
"Ich hab mir nur Sorgen gemacht, als du...als du nicht in deinem Nest warst. Wegen dem SeeClan und...Streifenpfote." Himmelspfote schien sich beinahe zu schämen. "Ich habe wohl ein bisschen überreagiert, tut mir leid."
Schmutzpfote musste ein bisschen schnurren.
"Das muss dir nicht leid tun. Ich hätte Bescheid sagen sollen, wo ich bin, es tut mir leid."
Als sie diese Worte sagte, bildete sich ein schwerer Stein in ihrem Magen. Bescheid sagen. Was würde ihre Familie denken, wenn sie plötzlich verschwand? Ihr wurde übel bei dem Gedanken, wie Regentropfen, Himmelspfote und Libellenflügel sich sorgen würden. Und Muschelklang? Sie wäre auf einmal ganz allein mit ihren Jungen.
Aber sie konnte ihnen auch nicht sagen, dass sie ging...sie würden sie aufhalten. Eine Schülerin, die alleine loszog...das war lächerlich. Aber sie hatte keine Wahl. Sie musste ihrer Familie wehtun, um ihnen zu helfen.
"Was ist, kommst du? Da ziehen ein paar finstere Wolken hinter dir auf", miaute Himmelspfote und sie hatte Recht. Als Schmutzpfote sich umdrehte, sah sie am Himmel riesige graue Wolken, die sich zu einem wütend aussehenden Wall aufbauschten. Es sah nach Regen aus. Schlimmem Regen.
Schmutzpfote schaffte es mit ihrer Schwester noch in den Schülerbau, bevor das Unwetter losbrach, das wie eine Sturzflut Unmengen an Wasser vom Himmel schleuderte. Die Tigerkätzin konnte das andere Ende der Lichtung durch die Regenschlieren kaum noch erkennen.
Es war kein gutes Zeichen. Schmutzpfote fühlte, wie Angst in ihr aufkeimte. Dieses Gewitter war der Vorbote von Unheil.
Trotz des Sturms, schickte Moosschwinge nach Sonnenhoch Patrouillen aus, aber Schmutzpfote konnte auch während des Jagens an nichts anderes denken, als daran, ihre Familie zurückzulassen und an das Schreckliche, das Sonnenstrahl ihr prophezeit hatte. Als sie mit durchnässtem Pelz Eulensprenkel und Rußnarbe hinterherschlich, zuckten Blitze über den Himmel, die so laut krachten, als würde der gesamte Zorn der Ahnen in ihnen stecken.
Die Beute hatte sich in ihre Baue zurückgezogen und so erwischte die kleine Patrouille gerade mal zwei Frösche. Die ausgetretenen Pfade im Wald waren schnell bevölkert von Schnecken und Regenwürmern, die der Lärm des Donners überhaupt nicht zu stören schien.
Das mulmige Gefühl in Schmutzpfotes Magengegend wollte nicht verschwinden, auch nicht, als Rußnarbe vorschlug, umzukehren, obwohl die Vorstellung des Lagers um sich herum deutlich angenehmer war, als dieses nasse Unterfangen.
Die Schülerin tauchte hinter Eulensprenkel in das Loch im Lagerwall ein, als sie plötzlich gegen ihn stieß.
"Autsch!", rief sie, ihre Ohren waren in den Brombeerdornen hängen geblieben. "Was ist denn los?"
"Verzeihung, Schmutzpfote", entschuldigte sich der cremefarbene Kater und ließ sie durch den Eingang treten. "Hier ist nur...etwas los?"
Verwirrt blickten die drei auf den Tumult auf der Lichtung. Fast alle Katzen standen trotz des Regens in der Mitte des Lagers, sie waren alle durchweicht und diskutierten wild.
Schmutzpfote machte in der Menge Libellenflügel aus und tappte zu ihm.
"Was ist den los?" Sie reckte den Hals, um besser zu sehen. "Wer ist das denn?", fragte sie den braun-weißen Kater. In der Mitte der Katzentraube stand eine silbern getigerte Kätzin...sie kam Schmutzpfote bekannt vor, aber wahrscheinlich hatte sie sie nur einmal bei der Großen Versammlung gesehen.
"Das ist Fischherz...eine Königin vom SeeClan", antwortete Libellenflügel. Er sah besorgt aus und das tat er sonst nie. Beunruhigend.
"Was macht sie hier bei uns?"
"Hat sie nicht gesagt. Sie ist ganz panisch hierher gekommen, weil ihre Jungen krank sind. Also drei zumindest. Einem geht es gut, da steht sie, siehst du?"
Schmutzpfote konnte einen Blick auf ein großes, rotes Junges werfen, das sich an Fischherz' Pfoten schmiegte. Es musste mindestens vier Monde alt sein. Weder Ottersee noch Rabenpfote waren zu sehen, vermutlich kümmerten sie sich um die kranken Jungen.
"Beruhige dich, Fischherz!", rief auf einmal Moosschwinge so laut, dass alle verstummten. Die silberne Tigerkätzin starrte sie mit großen, runden, grünen Augen an, in denen so viel Furcht lag, dass Schmutzpfote sofort Mitleid in sich aufkeimen spürte. Was war nur passiert?
"Jetzt mach ihr doch keine Angst, du Grobian", schalte Gelbschweif die Zweite Anführerin, drängte Moosschwinge zur Seite und redete beruhigend auf die SeeClan-Kätzin ein. "Ottersee hilft deinen Jungen, in Ordnung? Sie sind jetzt in Sicherheit. Versprochen. Aber du musst uns erzählen, was geschehen ist."
Die Königin hatte eine dünne, zerbrechliche Stimmlage, als sie antwortete.
"Lichtstern hat mich...verbannt", wisperte sie, gerade so laut, dass man sie über den prasselnden Regen hören konnte.
Schmutzpfote schnappte nach Luft und hörte auch ihre Clan-Gefährten empört schnauben.
"Was soll das heißen, verbannt? Wer verbannt eine Königin, die gerade Junge großzieht? Warum hat sie dich verbannt?", wollte Gelbschweif wissen und auch die anderen fingen wieder zu murmeln an.
"Sie hat auf einmal etwas gegen...frühere Außenseiter. Was gar keinen Sinn ergibt. Löwenschlag wurde als Hauskätzchen geboren, aber ihn würde sie niemals rausschmeißen. Und das alles seit dieser weiße Kater und seine Kumpanen aufgetaucht sind. Er hat sie überzeugt, Streifenpfote zu verbannen. Ich glaube...sie haben gehört, wie ich mit meinem Gefährten darüber gesprochen habe...dass ich das nicht gut finde, dass er gehen musste. Und auf einmal hat sie mich als Verräterin bezichtigt."
Gelbschweif schüttelte den Kopf. "Ich lasse es mir einreden, wenn sich ausgewachsene Katzen uneins sind, aber die Jungen können doch nun wirklich nichts dafür."
"Ich wusste nicht was ich machen sollte. Ich wollte Streifenpfote finden, nachdem sie mich und meine Kleinen weggeschickt haben, aber er war spurlos verschwunden. Und dann hat dieser Regen eingesetzt und Schimmerjunges wurde so krank. Und dann auch Gewitterjunges und Forellenjunges. Ich....", stammelte Fischherz. Die Königin redete so schnell und so verzweifelt, dass sie über ihre Worte stolperte. "Ich wusste nicht...,wohin ich sonst gehen sollte."
"Du hast richtig gehandelt", beschwichtigte Fuchsblüte sie und legte ihr tröstend den Schweif um die Schultern.
Schmutzpfote sah, wie die silberne Kätzin einmal tief durchatmete und die Nase in das Fell ihres Jungen drückte.
"Habt ihr Streifenpfote gesehen? Irgendwie...hatte ich gehofft, er wäre hier..."
Die SumpfClan-Katzen warfen sich schweigend Blicke zu, bis Regentropfen vortrat.
"Fischherz, Streifenpfote ist tot. Es tut mir leid."
"Was?" Die SeeClan-Kätzin schien zu schwanken. "Das kann nicht sein...er war so ein guter Kater. Und ein guter Krieger! Wie kann er tot sein?"
"Wir wissen nicht, was ihn getötet hat. Wir haben ihn außerhalb der Territorien gefunden. Er war...übel zugerichtet", miaute Regentropfen gedämpft und voller Mitgefühl. "Wir haben ihn begraben und eine Totenwache gehalten."
Fischherz schniefte und kauerte sich um das rote Fellbündel bei ihren Pfoten zusammen.
"Danke...dass ihr das für ihn gemacht habt."
"Heißt das, wir sehen Streifenpfote nicht wieder?", fragte das Junge. Es hatte große, gelbe Augen, die Fischherz traurig ansahen.
"Das heißt es, Aaljunges. Er ist jetzt im SternenClan."
"Auch wenn er gar keine Clan-Katze mehr war, als er gestorben ist?"
"Ganz bestimmt", mischte sich Himmelspfote ein. "Er muss gekämpft haben, wie ein Löwe. So wie beim Goldfeldwettbewerb."
Fischherz sah die weiße Kätzin dankbar an.
"Jedenfalls werdet ihr vorerst hier bleiben", entschied Ameisenstern bestimmt. "Leopardenschweif, bereitest du bitte ein Nest in der Kinderstube vor?"
"Das kommt gar nicht in Frage!", warf Ottersee ein, die vom Heilerbau her zu der großen Katzengruppe stieß. "Sie würden im Nu die Jungen anstecken. Schimmerjunges geht es sehr schlecht, sie muss im Heilerbau bleiben."
"Ich will bei ihnen schlafen", maunzte Fischherz und rollte ihren Schweif um Aaljunges.
"Das kannst du. Aber solange Aaljunges noch gesund ist, sollte sie woanders schlafen. Aber nicht in der Kinderstube, falls sie doch noch krank wird."
"Dann soll sie doch bei uns im Schülerbau schlafen", schlug Harzpfote vor.
"Also gut...", stimmte Fischherz zögerlich zu. "Schaffst du das, mein Schatz?", flüsterte sie ihrer Tochter zu und die rote Kätzin nickte.
"Dann wäre das geklärt. Wir sollten jetzt alle unsere Pelze wieder trocken kriegen", miaute Ameisenstern, und die Menge löste sich langsam auf, als die Katzen in ihren Bauen verschwanden.
Schmutzpfote sah, wie Fischherz zum Heilerbau trabte und entschied sich, ihr zu folgen. Sie wagte einen Blick in den dunklen Bau und erkannte drei graue Fellbündel, die sich hustend und schniefend aneinanderschmiegten. Fischherz legte sich zu ihnen und leckte den bebenden Jungen über das Fell.
Die Armen. Heimatlos und krank.
Die Tigerkätzin schluckte und nickte der Königin respektvoll zu, bevor sie zum Schülerbau ging, wo Aaljunges sich schon in ein Nest gelegt hatte. Sie sah verloren und klein aus und Schmutzpfote konnte es ihr nicht verdenken. Alles was sie kannte war weg. Die Tigerkätzin lächelte ihr aufmunternd zu, aber sie war sich sicher, dass es nicht so zuversichtlich rüberkam, wie sie es sich wünschte.
Schmutzpfote ließ sich in ihr Nest fallen und fing an sich trocken zu putzen. Um sie herum taten die anderen Schüler entweder dasselbe oder starrten Aaljunges an. Besonders Mohnpfote machte keinen Hehl aus seiner Neugier und blickte das fremde Junge unverhohlen an.
"Woher hast du die Narbe?", fragte er plötzlich und kassierte prompt einen tadelnden Klaps von seinem Bruder.
"Mohnpfote! Lass sie in Ruhe. Sie macht schon genug durch", zischte der goldene Tigerkater.
Aaljunges drehte sich zu den beiden Katern, wodurch auch Schmutzpfote die große Narbe an ihrem Hals sehen konnte.
"Ist schon gut", wisperte die rote Kätzin. "Mich hat ein Marder angegriffen, als ich drei Monde alt war. Ich wäre fast gestorben."
"Krass", platzte Mohnpfote heraus. Es sah so aus, als ob er weiterfragen wollte, aber ein böser Blick von allen im Bau reichte, um ihn zum Schweigen zu bringen.
"Deine Geschwister werden sicher wieder gesund", wagte Schwanenpfote einen zaghaften Versuch, das Junge aufzuheitern. Aaljunges zeigte ein gequältes Lächeln.
"Ja, bestimmt...danke", murmelte sie, legte den Kopf auf die Pfoten und schloss die Augen.
Schmutzpfote seufzte bedrückt und tat es ihr gleich. Es gab gerade nichts, was sie tun konnten, um Aaljunges zu helfen. Und das Schicksal ihrer Geschwister lag in den Pfoten des SternenClans.
Der Schlaf war nicht erholsam, wie denn auch, mit all dem, was gerade passierte. Als sie am frühen Morgen aufwachte, regnete es immer noch, aber das Gewitter hatte sich verzogen. Die Schülerin stand auf und stieg über Aaljunges' leeres Nest. Beim Anblick des verlassenen Schlafplatzes wurde Schmutzpfote ganz anders.
Kein Junges steht freiwillig so früh auf...hoffentlich hat sie nur nicht schlafen können.
Die Tigerkätzin versuchte, sich Zweifel einzureden, aber als sie auf die Lichtung trat, sah sie die Trauernden bereits und sie wusste, dass das schlimme Ereignis, das Sonnenstrahl ihr prophezeit hatte, eingetroffen war.
Aaljunges drückte sich an ihre Mutter und weinte. Fischherz schluchzte ebenfalls und auch Rabenpfote, der bei ihnen saß, sah betroffen aus. Schmutzpfote wurde langsamer, als sie ihnen näher kam, blieb erst stehen, als Rabenpfote sie direkt ansah.
Sein gelber Blick zeugte von tiefer Trauer, ein Gefühl, dass sie ihm in dieser Stärke gar nicht zugetraut hatte.
"Schimmerjunges ist in der Nacht gestorben!", erklärte er mit belegter Stimme. Seine Worte ließen Fischherz laut aufheulen.
"Mein Junges! Meine Schimmerjunges!"
Ihr verzweifelter Schrei schien in Schmutzpfotes Knochen zu vibrieren. Die Königin jaulte ihren Schmerz hinaus, sodass jeder es hörte und alle es wussten.
Sie ist fort. Ein Junges ist tot...wegen dir Schneeschweif.
Schmutzpfotes Herz pochte heftig in ihrer Brust, als ihr klar wurde, was das bedeutete. Sie musste gehen. Jetzt.
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