29. Kapitel
Schmutzpfote wachte erst auf, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Die Jungen schlummerten immer noch friedlich zwischen ihren Pfoten, nur Muschelklang war fort. Die Stimmung im Lager war geschäftig, gespannt, unruhig und die Schülerin konnte sehen, wie ernst Moosschwinge und die anderen erfahrenen Krieger aussahen.
Umso verzweifelter wurde sie, dass sie nicht geträumt hatte. Was sollte sie denn noch tun? Sie hatte sich damit abgefunden, die Clans zu verlassen. Sie war einverstanden...es war nicht freiwillig, aber sie war einverstanden.
Was soll ich machen? Ich kann nicht einfach in irgendeine Richtung laufen und hoffen, dass es der richtige Weg ist! Feldjägerin, ich brauche dich! Mondelang hast du mich mit Träumen gequält, aber jetzt kommst du nicht zu mir?
Schmutzpfote schnaubte bei dem Gedanken genervt. Leider etwas zu laut, denn Igeljunges begann sogleich, die Augen zu öffnen. Zwischen seinen Lidern blitzte ein schönes Türkis hervor, vermutlich weil sich seine Augen vom anfänglichen Blau auf Grün umfärbten. Der kleine, wild gescheckte Kater gähnte weit.
"Guten Morgen", miaute er und streckte sich, wobei er seinem Bruder in die Seite trat. Zum Glück schien Brombeerjunges ein tiefer Schläfer zu sein. Schmutzpfote erwartete, dass Igeljunges sofort aufsprang und anfing zu spielen, aber der braune Fellball blieb liegen und sah sie eine Weile unverhohlen an.
"Guten Morgen. Oder eher gutes Sonnenhoch", gab Schmutzpfote zurück und musste ebenfalls gähnen.
"Du hast große Zähne! Krieg ich auch mal so welche?"
"Bestimmt", schnurrte die Schülerin amüsiert.
"Und werde ich auch mal so groß wie du?", setzte das Junge neugierig nach. In seinen Augen sah Schmutzpfote dieses Leuchten, das man bei fast jedem Jungen sehen konnte. Große Träume und Wünsche für die Zukunft.
"Vielleicht. Mal sehen. Aber die Größe ist gar nicht so wichtig", erklärte sie. "Es gibt auch viele gute Krieger, die kleiner gebaut sind. Sieh dir unsere Clan-Gefährten an. Sie sind alle so unterschiedlich."
"Stimmt", erkannte das gefleckte Junge. "Sagen eigentlich wirklich alle Jungen, dass sie mal Anführer werden wollen? Das hat nämlich Mutter gesagt."
"Es sind zumindest sehr viele. Willst du das denn auch?"
Igeljunges nickte aufgeregt und die Schülerin konnte es ihm nicht verdenken. Als Junges zu sehen, wie Ameisenstern vor dem ganzen Clan sprach, war beeindruckend gewesen. Sie konnte sich gut vorstellen, dass andere Junge, die nicht so schüchtern waren wie sie, es sich wünschten, einmal so ehrfürchtig behandelt zu werden.
"Wenn du hart arbeitest und für deinen Clan da bist, dann wirst du es vielleicht", miaute Schmutzpfote bevor sie stutzte. Hart arbeiten und für den Clan da sein. Das musste sie jetzt auch. Sie musste einen Weg finden, mit Feldjägerin zu sprechen! Nur wie?
Der Zeitdruck machte Schmutzpfote nervös und Feldjägerins Warnung, dass etwas schlimmes passieren würde, hallte in ihrem Kopf. Etwas schlimmes, das sie offenbar nicht verhindern konnte. Ein Ereignis, der den Punkt markierte, an dem ihre letzte Chance zu gehen gekommen war.
Schmutzpfote schluckte und ließ ihren Blick über die Lagerlichtung schweifen, als plötzlich eine sehr einst blickende Patrouille ins Lager zurückkehrte. Die Schülerin spürte, wie die Beunruhigung sich wie eine große Welle im Lager ausbreitete und zog Muschelklangs Junge enger an sich.
"Was stinkt da so?", fragte Igeljunges leise. Er schmiegte sich eng an Brombeerjunges, der nun auch wach war.
Schmutzpfote wusste was er meinte. Der Geruch von Algen und Fisch stach in ihrer Nase. Zwischen den Katzen der Patrouille, die von einem grimmig dreinblickenden Flügelstrom geführt wurde, tappte eine rot gefleckte, kleine Kätzin, die Schülerin kannte sie von den Versammlungen, wusste aber ihren Namen nicht.
"Eine SeeClan-Katze, Igeljunges. Bleibt hier und rührt euch nicht", flüsterte die Tigerkätzin zurück und rollte den Schweif um sich, sodass sie die Jungen so gut es ging mit ihrem Körper versteckte. Sie legte die Ohren an und lauschte. Flügelstrom lief los um Ameisenstern zu holen, die rote Kätzin blieb umkreist von SumpfClan-Katzen zurück und sah sich unsicher um. Sie hatte große, runde, blaue Augen und einen ungewöhnlich getupften Pelz. Er sah aus wie Sonnenflecken, die auf roten Blattfalllaub landeten.
Ameisenstern rannte dicht gefolgt von Flügelstrom kurz darauf aus seinem Bau und bahnte sich einen Weg durch seine Katzen.
"Blattfallpfote! Was machst du in unserem Lager?", verlangte der braune Kater zu wissen. Die Menge tuschtelte aufgebracht.
"Ich...Ich brauche eure Hilfe", stammelte die Schülerin, sie fühlte sich sichtlich unwohl und hatte den Schweif unter ihren Bauch gezogen.
"Hilfe? Von uns? Erst einmal könntest du uns erklären, warum der SeeClan nicht zur Versammlung gekommen ist", knurrte Ameisenstern.
Blattfallpfote zuckte zurück und stieß dabei fast gegen Distelpfote, die hinter ihr stand und ihr den Weg versperrte.
"Ich verstehe es auch nicht. Lichtstern verhält sich...komisch. Abweisend. Sie hat...einigen Streunern einen Platz in unserem Clan gegeben ohne es mit irgendjemandem zu besprechen. Sie und dieser weiße Kater scheinen sich jedoch zu kennen. Sie vertraut ihm."
Schmutzpfote spürte, wie die Angst ihr den Magen umdrehte. Schneeschweif. Sie wusste es einfach, sie brauchte ihn nicht zu sehen.
"Er hat sie überzeugt...Streifenpfote zu verbannen. Ständig besprechen sie irgendwas. Der SeeClan ist unruhig. Die Katzen haben Angst. Ich habe Angst. Etwas stimmt nicht."
"Und was willst du jetzt von uns?", wollte Gelbschweif ungeduldig wissen. Der große, goldene Tigerkater funkelte die Schülerin misstrauisch an.
"Reiherflügel ist tot. Er...Er ist gestern gestorben. Ohne mir den Ahnenort je gezeigt zu haben. Ich hätte meinen Namen schon vor einem halben Mond bekommen sollen, aber er war zu schwach, um mich hinzubringen."
"Und jetzt möchtest du, dass wir dich hinbringen, nehme ich an", murmelte Ameisenstern nachdenklich.
"Ich halte das für keine gute Idee", warf Flügelstrom ein. "Das könnte eine Falle sein."
"Bitte", flehte Blattfallpfote. "Mein Clan braucht mich. Sie müssen wissen, dass der SternenClan sie nicht verlassen hat! Sie brauchen eine Heilerkatze!"
Ameisenstern schien zu überlegen und rief sich dann die ältesten Krieger zu einer Besprechung zusammen. Flüsternd unterhielt sich die Katzengruppe am Rand der Lichtung, so leise, dass Schmutzpfote nicht mithören konnte. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Dem SeeClan helfen? Sie war sich im Klaren, dass die Krieger, Schüler und Jungen im SeeClan unschuldig waren und eine verlässliche Heilerkatze brauchten, aber wenn durch den gegnerischen Clan wirklich so viel Gefahr drohte, konnte die Schülerin nicht umhin, sich möglichst schwache, kranke Feinde zu wünschen.
Aber ich werde ja nicht gefragt, dachte sie leicht betrübt. Ob man sie um ihre Meinung fragen würde, wenn sie einmal Kriegerin war?
Ameisenstern schien eine Entscheidung getroffen zu haben, denn er löste sich von en Kriegern und stand erneut vor Blattfallpfote.
"Wir sind zu einem Entschluss gekommen. Die Katzen des SeeClans sollen nicht den Kontakt zum SternenClan verlieren. Unser gemeinsamer Glaube verbindet uns, deswegen werde ich dir den Weg zum Mondquell zeigen. Wir werden alleine reisen."
Schmutzpfote sah, wie die Heilerschülerin des SeeClans erleichtert ausmatete.
"Vielen Dank, Ameisenstern. Du wirst es nicht bereuen!", freute sich die rote Kätzin.
Da wäre ich mir nicht so sicher, dachte Schmutzpfote düster. Was ist, wenn Ameisenstern auf der Reise etwas passiert. Dann haben wir keinen Anführer hier. Am Ort der Ahnen....Moment...der Ort der Ahnen! Der Mondquell! Das ist es!
Schmutzpfotes Herz machte einen Sprung, als ihr eine Idee kam. Der Mondquell war der Ort, wo die Verbindung zum SternenClan am stärksten war. Wenn sie dorthin ging, dann musste Feldjägerin ihr zuhören!
Aber...es ist normalen Katzen verboten, dorthin zu gehen...
Die Tigerkätzin zuckte nervös mit den Schnurrhaaren. Es war eine fast schon heilige Regel der Clans, dass nur Anführer und Heiler den Weg zum Mondquell wissen durften. Schmutzpfote fühlte sich unwohl, diese Regel zu brechen, aber war sie nicht dazu gezwungen? Was für eine andere Wahl hatte sie? Sie musste herausfinden, wohin sie gehen musste!
Schmutzpfote fühlte ihre Pfoten zittern. Sie musste Ameisenstern und Blattfallpfote folgen. Es war die einzige Möglichkeit, auch wenn es falsch war. Heute Nacht würde sie den Mondquell sehen!
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