27. Kapitel

"Was soll das heißen, sie sind nicht aufgetaucht?"

"Ich weiß auch nicht, was ich euch noch sagen soll, Felsenkralle. Sie sind nicht zur Versammlung gekommen", miaute Ameisenstern, der sich bemühte, die aufgewühlte Katzenmenge zu beruhigen.

"Das gefällt mir nicht", murmelte Ottersee und bekam dafür einiges an Zustimmung. Auch Schmutzpfote fühlte sich unwohl in ihrem Pelz. Etwas lag in der Luft und es ließ ihr den Pelz im Nacken hochstehen.

"Hat der SternenClan dir ein Zeichen gegeben? Irgendetwas?", wollte Schilfbrise wissen. Die hellrote Kätzin sagte sonst so selten etwas, dass es Schmutzpfote überraschte, jetzt ihre Stimme zu hören.

"Nein...also ja schon...aber ich konnte fast nichts verstehen", stammelte die braune Heilerin. "Abendwolke ist mir im Traum erschienen und hat mir gesagt, dass etwas verloren gehen wird. Aber sie klang so, als ob sie ganz weit weg wäre und der Wind ihre Stimme davontragen würde."

"Damit könnte doch Streifenpfote gemeint sein", schlug Himmelspfote lautstark vor, und fing sich prompt einen tadelnden Blick von Gelbschweif ein.

"Das ist eine Besprechung unter Kriegern, Himmelspfote", wies er sie zurecht, bevor er sich wieder Ottersee zuwandte.

Himmelspfote rollte genervt mit den Augen und äffte ihren Mentor stumm nach.

"Ich bin fast auch schon Krieger", wisperte sie kaum hörbar. Schmutzpfote tätschelte ihr tröstend den Rücken.

"Bald darfst du auch mitreden", versprach die Tigerkätzin. Sie selbst würde sich nie trauen, den Kriegern so ins Wort zu fallen, aber insgeheim glaubte sie, dass ihre Schwester Recht hatte. Streifenpfote war auf gewisse Art und Weise verloren gegangen. Entfernt vom Clan-Territorium hatte er sein Leben verloren und keiner seiner Clan-Kameraden suchte nach ihm.

Genau genommen konnte sich keiner der SumpfClan-Katzen daran erinnern, in letzter Zeit eine Patrouille des anderen Clans gesehen zu haben und es machte Schmutzpfotes Clan-Gefährten unruhig.

"In Ordnung, beruhigt euch bitte wieder", bat Ameisenstern. "Mich beunruhigt diese Sache ebenso wie euch und ich verstehe eure Bedenken. Ich möchte, dass eine Patrouille losgeht, und das Lager des SeeClans aufsucht. Teilt ihnen mit, was mit Streifenpfote passiert ist. Moosschwinge, ich möchte, dass du diese Patrouille anführst."

Die riesige golden getigerte Kätzin nickte ernst. "Freiwillige?"

Sofort meldeten sich einige Krieger.

"Ich will auch mitgehen!", rief Himmelspfote, was Schmutzpfote vor Schreck zusammenzucken ließ. Bevor sie jedoch etwas dazu sagen konnte, schüttelte Ameisenstern entschuldigend den Kopf.

"Tut mir leid, Himmelspfote. Keine Schüler für diese Aufgabe. Wir wissen nicht, was mit dem SeeClan nicht stimmt, es ist einfach zu gefährlich." Der dunkle Kater wandte sich ab und fing an die Bewachung des Lagers zu organisieren.

Himmelspfote schnaubte.

"Das ist so ungerecht. Solange man seinen vollen Namen nicht hat, wird man hier behandelt, wie ein Junges, oder?", regte sie sich auf.

"Ich will gar nicht mitgehen", gab Schmutzpfote zu. Ihre Schweifspitze zuckte nervös auf und ab.

Himmelspfote wollte gerade etwas erwidern, als sich Schwanenpfote unerwartet ins Gespräch einmischte.

"Das würde auch nur ein Feigling sagen", miaute die weiße Kätzin abfällig. Die Narbe in ihrem Gesicht glänzte rot und verzog sich mit ihrer grimmigen Grimasse. Schmutzpfote legte die Ohren leicht an und starrte auf ihre Pfoten. Sie schaffte es seit dem Unfall mit dem Baum kaum noch, ihrer Schwester richtig in die Augen zu sehen.

"Lass das, Schwanenpfote. Schmutzpfote ist kein Feigling!", knurrte Himmelspfote. Ihre Geduld war offenbar jetzt schon am Ende.

Schmutzpfote wollte etwas hinzufügen, aber ihr Maul öffnete und schloss sich bloß, ohne dass ein Ton herauskam.

"Ist sie wohl", fauchte Schwanenpfote. Ihr flauschiger, weißer Schweif peitschte hinter ihr.

"Komm schon, können wir uns nicht einfach vertragen?", fragte Himelspfote mit scharfer Stimme, erwartete aber wohl keine Antwort, denn sie versuchte, Schmutzpfote von der weißen Kätzin wegzudrängen.

"Vertragen?! Nach allem, was sie mir angetan hat, sollen wir uns einfach vertragen?", Schmutzpfote zuckte zusammen und sah auf. Irrte sie sich da, oder sah sie Tränen in Schwanenpfotes blauen Augen? Auf einmal wurde die Stimme ihrer Schwester ganz leise. "Du hast dich nicht einmal ordentlich entschuldigt..."

"Du hast sie angegriffen, Schwanenpfote", widersprach Himmelspfote. Schmutzpfotes Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Es stimmte, was die schneeweiße Kätzin sagte.

Ich habe wohl einfach gehofft..., dass sie es vergisst? Was für ein dummer Gedanke. Wie könnte sie so etwas jemals vergessen?

Schmutzpfote schluckte. Vielleicht war es Zeit, dass sie über ihren Schatten sprang?

"Schwanenpfote hat Recht", miaute die Tigerkätzin so leise, dass sie fürchtete, ihre Geschwister hätten sie gar nicht gehört, aber beide sahen sie auf einmal an.

Schmutzpfote erinnerte sich daran, wie Himmelspfote sich nach dem Unfall bei ihr entschuldigt hatte. Auch wenn sie der gesprenkelten Kätzin gar nicht böse gewesen war, hatte sich die Entschuldigung gut angefühlt. Wie musste sich dann Schwanenpfote fühlen, die eine Entschuldigung wirklich verdiente, sie aber nicht bekam?

"Es tut mir leid, Schwanenpfote." Die Worte blieben fast in Schmutzpfotes Kehle stecken, als sie sie sagte. "Ich habe...Ich habe nicht nachgedacht, als ich auf diesen Baum geklettert bin. Ich wollte nicht, dass der Ast dich trifft. Es...Es war meine Schuld, und es tut mir...wirklich leid."

Die Tigerkätzin schaffte es nicht, ihrer Wurfgefährtin in die Augen zu sehen, aber die Entschuldigung meinte sie ernst. Die Schülerin linste kurz nach oben, Schwanenpfotes Blick war hart und kalt.

"Das ändert jetzt auch nichts mehr...", murmelte sie, aber ihr vorhin noch gesträubtes Fell legte sich wieder an. Sie wischte sich verstohlen mit der Pfote über die Wange.

"Du brauchst ihn nicht, Schwanenpfote", mischte sich Himmelspfote wieder ein und zunächst wusste die getigerte Kätzin nicht, wen sie meinte, bis ihr wieder einfiel, was Flügelstrom getan hatte.

Schwanenpfotes Gesicht verfinsterte sich und Schmutzpfote fühlte neben der Schuld Mitleid aufkeimen. Himmelspfote verließ die Seite der Tigerkätzin und drückte vorsichtig die Nase an Schwanenpfotes Schulter. "Wenn er nicht sehen kann, wie schön du bist, dann verdient er dich nicht."

"Genau! Er war so arrogant, als wir ihn konfrontiert haben", fügte Schmutzpfote kleinlaut hinzu.

"Ihr habt mit ihm gesprochen?", fragte Schwanenpfote überrascht.

"Ja. Gleich nachdem er dich hat sitzen lassen. Aber er hat uns einfach abblitzen lassen, dieses Fuchsherz", miaute Himmelspfote, deutlich immer noch wütend über das Verhalten des Katers.

"Hey, er ist kein...na gut...er ist schon ein Fuchsherz", gab Schwanenpfote zu.

"Total oberflächlich", stimmte Himmelspfote zu und Schmutzpfote nickte unterstützend. "Du bist immer noch schön. Und klug und eine tolle Jägerin."

Schwanenpfote musterte intensiv ihre Pfoten. "Nun...danke. Ich...Ich muss gehen." Kaum hatte die weiße Kätzin das gesagt, machte sie sich aus dem Staub und verschwand im Schülerbau.

Ratlos sahen Schmutzpfote und Himmelspfote sich an.

Ich habe mich entschuldigt und ich habe es ernst gemeint...aber ob das reicht?



Die Dunkelheit kam in der Blattgrüne später als sonst und trotzdem war Schmutzpfote noch lange wach. Bestimmt war sie da auch nicht die Einzige.

Sie hatte den Rest des Tages mit Muschelklangs Jungen verbracht, die sich langsam von dem Schreck von gestern erholten. Sie hatten Dachsreiten gespielt, als die Patrouille vom SeeClan zurückgekehrt war, Moosschwinge mit ein paar frischen, blutigen Kratzern auf der Schnauze.

Aufgebracht hatte die Zweite Anführerin berichtet, während Ottersee genervt versucht hatte, Salbe auf ihre verletzte, aber sich ständig bewegende Lefze und Nase zu schmieren.

"Wir haben eine Patrouille getroffen und sie haben uns nicht weiter gelassen, obwohl ich verlangt habe, mit Lichtstern zu sprechen!", hatte sich die goldenen Tigerkätzin aufgeregt. "Ich wollte an Flussglanz vorbeigehen, da hat sie mir diese Krallenspuren verpasst. Und da war noch etwas...ein fremder Kater. Ich habe ihn noch nie gesehen."

Schmutzpfote hatte der Zweiten Anführerin unruhig zugehört. Nervös, als ob sie bereits vorher gewusst hatte, was Moosschwinge als nächstes sagen würde.

"Weißer Pelz, hellgrüne Augen."

Weißer Pelz...hellgrüne Augen. Hellgrün...minzgrün...war das Schneeschweif?

Schmutzpfote hoffte inständig, dass sie sich irrte, oder dass Moosschwinge sich falsch erinnerte, aber etwas tief in ihr drin sagte ihr, dass keines davon der Fall war.

Die Tigerkätzin lag in ihrem Nest, die Nase unter dem Schweif, tief in Gedanken versunken. Sie dachte nicht, dass sie in dieser Nacht schlafen würde, doch im nächsten Moment fühlte sie, wie die Müdigkeit fast wie eine Welle über sie schwappte und schlagartig waren die vertrauten Gerüche ihrer Clan-Gefährten verschwunden. Es war, als ob der Boden unter ihren Pfoten weggerissen worden war.

Plötzlich pfiff um sie herum starker Wind, der sie beinahe umriss. Es war immer noch dunkel, aber trotzdem fühlte Schmutzpfote sich auf einmal geblendet von den Sternen vor ihr. Eine kaum sichtbare Silhouette flackerte vor ihr.

"Feldjägerin? Bist das du?", fragte Schmutzpfote, nachdem sie sich von dem Schreck erholt hatte. Die SternenClan-Kätzin musste sie in den Schlaf gezwungen haben, um sie herzuholen.

"Schmutzpfote, wir haben nicht viel Zeit", miaute die braune Kätzin. Ihre Stimme klang so, als ob sie von ganz weit entfernt kommen würde, dabei stand die ehemalige SumpfClan-Kriegerin genau vor ihr. "Du musst das Rätsel der Prophezeiung lösen!"

Schmutzpfote wich zurück, fühlte sich überrumpfelt von dem strengen Ton der Kätzin.

"Nein! Ich habe es versucht, und ich bin gescheitert. Sonnenstrahl...dein Bruder...ist deswegen gestorben. Wieso wählt ihr nicht jemand anderen aus...jemanden, der es besser kann als ich?"

Die getigerte Kätzin sträubte ihr Rückenfell. Sie hatte den SternenClan gebeten, jemand anderen zu wählen. Wieso taten sie das nicht einfach?

"Weil es niemanden gibt, der es besser kann als du", miaute Feldjägerin. "Du wurdest nicht ohne Grund ausgewählt, Schmutzpfote. Und die Zeit läuft uns davon."

"Ich will das aber nicht! Bitte hör mir doch zu!"

"Ich würde, wenn ich könnte. Aber das ist der Weg, der dir bestimmt ist. Wenn du ihn nicht einschlägst, wird sich alles, was du kennst, für immer verändern. Deine Pfoten werden dich über die Clan-Grenzen hinaus führen."

Schmutzpfote verschlug es vor Schreck die Sprache. Über die Clan-Grenzen hinaus? Weg von zu Hause?

"Aber...Aber ich bin nur eine Schülerin. Eine verkrüppelte noch dazu! Ich kann nicht so weit laufen!", jaulte sie verzweifelt. Trug der Wind ihre Stimme davon, wenn sie protestierte, oder hörte Feldjägerin einfach nicht zu?

Die SternenClan-Kätzin war kaum noch zu sehen und Schmutzpfote konnte ihre Stimme fast gar nicht mehr hören.

"Du hast nicht mehr viel Zeit, um zu gehen, sonst wird es zu spät sein. Du verstehst nicht, wie ernst diese Sache ist, aber glaub mir, du wirst es bereuen, nicht gegangen zu sein", rief die braune Kätzin. Schmutzpfotes Augen stachen und tränten vom Wind. In ihrem Bauch fühlte sie Angst aufsteigen.

"Wo soll ich überhaupt hingehen? Du redest so viel, aber du sagst nie, was du meinst!", rief die getigerte Schülerin frustriert. Wieso konnte der SternenClan nicht einfach genau das sagen, was er von ihr wollte...oder erkennen, dass sie dafür nicht geeignet war. Es gab so viele fähige Krieger, die diese Aufgabe übernehmen konnten. Wieso sie?

"Es wird bald etwas schlimmes passieren und wenn es das tut, wirst du wissen, dass der letzte Moment gekommen ist, um zu gehen. Der letzte Moment, um die Clans in eine friedliche Zukunft zu führen. Du musst gehen, Schmutzpfote. Du musst das trauernde Wasser und die Blüte der Blattleere finden. Sie hüten das Geheimnis."

Schmutzpfote wollte weinen, schreien und mit den Pfoten aufstampfen, alles gleichzeitig, aber stattdessen rollten ihr nur Frusttränen über die Wangen.

"Warum kann kein Krieger dorthin gehen? Jemand der mehr Erfahrung hat, als ich?", fragte Schmutzpfote in einem letzten, verzweifelten Versuch, den SternenClan umzustimmen. Sie wollte nicht von Zuhause weg. Sie wollte nicht ins Ungewisse ziehen, während es ihrem Clan möglicherweise schlecht erging. Sie wollte bei ihren Eltern, Freunden und Geschwistern bleiben!

Der Wind legte sich schlagartig, als Feldjägerin begann, auf sie zuzustapfen. Ihr Gesicht war wütend und ihre hellgrünen Augen blitzten zornig, heller als noch zuvor. Die Kätzin kam auf sie zu, bis sich ihre Nasen fast berührten. Schmutzpfote nahm einen kalten Geruch war, wie klares, eisiges Bergwasser, das sich über ihre Schnauze ergoss. Feldjägerin fauchte fast, als sie die nächsten Worte aussprach:

"Weil sie scheitern würden, Schmutzpfote."

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