25. Kapitel

Ein Mond war noch nie so schnell vergangen, so kam es Schmutzpfote jedenfalls vor. Die Tage wurden immer wärmer und länger, Beute war nicht schwer aufzutreiben.

"Ich kann es nicht fassen, dass die Kleinen schon Beute probieren."

"Ich auch nicht. Aber sie werden ja nicht gleich aufhören Milch zu trinken. Und Schüler werden sie noch lange keine sein."

Das Lager lag fast verlassen da, Patrouillen waren bereits aufgebrochen, unter ihnen die frisch ernannten Mohnpfote, Harzpfote und Distelpfote. Schmutzpfote hatte die drei beobachtet, wie sie, wie Kaninchen hopsend, aufgeregt das Lager verlassen hatte und sie fragte sich, ob sie mit ihren Schwestern auch so ausgesehen hätte, wenn Schwalbenpfote nicht gestorben wäre.

Es sieht ganz so aus, als ob Eichenglut demnächst seinen Schweif fressen muss, dachte die Tigerkätzin amüsiert. Sie würde ihn später sicher daran erinnern, denn Ameisenstern hatte sich tatsächlich Mohnpfote als Schüler genommen. Er wird alle Pfoten voll zu tun haben, mit ihm.

Nun saß Schmutzpfote zwischen Leopardenschweif und Muschelklang, die sich mit sehnsüchtigen Stimmen darüber unterhielten, dass ihre Jungen zum ersten Mal Maus probiert hatten. Geschmeckt hatte es keinem von ihnen, aber es war dennoch ein Zeichen, dass sie älter wurden und irgendwie stimmte diese Tatsache auch Schmutzpfote traurig. Die kleinen Fellbündel waren gewachsen und erkundeten jeden Tag ein weiteres Stück des Lagers. Schmutzpfote liebte es, wie Luchsjunges sich eindeutig als die Anführerin der kleinen Jungengruppe hervorhob und wie klug Brombeerjunges war, wie lustig Igeljunges und wie mitfühlend Staubjunges. Ihre Persönlichkeiten wuchsen ebenso heran, wie ihre Körper und obwohl die Tigerkätzin vermisste, wie klein sie einmal gewesen waren, so konnte sie es doch kaum erwarten, zu sehen, wer diese kleinen Kätzchen einmal sein würden.

Während sie das dachte, balgten sich die sechs auf der Lichtung um einen Moosball, unter den wachsamen Augen ihrer Mütter natürlich. Sie waren noch so ungeschickt auf ihren Pfoten und fielen oft hin, aber keiner war bereit, den Moosball so leicht aufzugeben.

Das Lager wirkte verschlafen, nur ein paar Katzen waren noch da. Rußnarbe, weil er sich einen großen Dorn in die Pfote getreten hatte, die Ältesten und Farnsilber mit seiner Schülerin Kirschpfote, die gerade lernte, wie man das Baumaterial zu einer regendichten Wand verwebte. Im Heilerbau lungerte ein verschlafener Rabenpfote, der von Ottersee mit Heilkrautfakten zugeplappert wurde.

Schmutzpfotes Ohr zuckte zum Lagerwall, als sie ein Geräusch vernahm. Im nächsten Moment flog eine Taube auf, ihre Flügel schlugen kräftig und laut, während ihr Körper einen dunklen Schatten über die entblößte Lichtung des Lagers warf. Der Blick der Schülerin fiel auf die spielenden Jungen und auf einmal schlich sich ein ungutes Gefühl unter ihren Pelz. Vorhin war es ihr noch harmlos vorgekommen, die Kleinen dort spielen zu lassen, doch nun wirkten sie plötzlich so verletzlich und angreifbar. Schmutzpfotes Schnurrhaare zitterten. Sie stand auf und tappte zu den Jungen hinüber, doch das Gefühl blieb.

Eine Baumlänge entfernt sah die Schülerin ihre Mentorin, die auf einmal auch beunruhigt aussah. Und sie beide hatten Recht.

"Jetzt!", hallte der Ruf einer fremden Stimme über die fast leere Richtung. Die Äste des Lagerwalls brachen, als sechs Katzen durch den Eingang stürmten. Keine von ihnen hatte Schmutzpfote je gesehen.

Ihr Körper formte einen Buckel, als sie sich vor die Jungen stellte, die ganz still geworden waren.

An der Spitze der sechs Fremden sah sie ihn. Den schwarz-weißen Kater mit den blauen Augen. Schmutzpfotes Pupillen formten sich zu Schlitzen.

Champion!

Schmutzpfotes Herz raste in ihrer Brust, ihre Pfoten blieben wie verwurzelt stehen, während Rußnarbe, Farnsilber und Kirschpfote sich zwischen sie und die Angreifer stellten.

"Ihr habt hier nichts zu suchen!", keifte Rußnarbe, sein Schweif wild hinter sich peitschend.

Champion bleckte die Zähne. Er war rundlich gebaut, aber längst nicht so fett wie einer seiner Kumpanen. An seinem Hals baumelte an einem blauen Band eine goldene Scheibe.

"Und wie ich hier etwas zu suchen habe!", fauchte der Kater zurück und sein blauer Blick bohrte sich in Schmutzpfotes Richtung, aber er galt nicht ihr....sondern den Jungen.

"In die Kinderstube!", befahl die Tigerkätzin. "Sofort!"

Haferjunges war der erste, der sich bewegte. Staubjunges hievte Igeljunges auf die Pfoten und die Jungen stolperten davon.

"Schnappt sie euch!", bellte Champion und im nächsten Moment stürzte der schwarz-weiße Kater sich an Farnsilber vorbei, doch der sandfarbene Krieger ließ ihn nicht einfach so passieren und bohrte seine Vorderkrallen in seine Hinterläufe.

Schmutzpfote zwang ihre Pfoten, sich vom Boden loszueisen.

SternenClan, gib mir Kraft, diese Jungen zu beschützen, betete sie, bevor sie sich auf eine Kätzin warf, die die Jungen in die Kinderstube verfolgen wollte. Ihr weiß-oranges Fell schmeckte bitter zwischen ihren Zähnen, als sie es herausriss. Die Fremde heulte auf und versuchte Schmutzpfote abzuschütteln. Im Augenwinkel sah die Schülerin, wie Champion in die Kinderstube schoss und der schützenden Kuppel ein klaffendes Loch verpasste. Hinter ihm jagte Leopardenschweif her, das Gesicht wutverzerrt. Noch während Schmutzpfote die Zähne in die Schulter ihrer Gegnerin schlug, taumelte der Vater von Brombeerjunges und Igeljunges aus der Kinderstube, Blut tropfte von seiner Wange.

Für einen Moment hatte Schmutzpfote nicht aufgepasst und diesen nutzte die fremde Kätzin, um sie abzuwerfen. Die braune Tigerkätzin rutschte kurz durch den Staub, bevor sie Halt fand und erneut aufsprang. Bedrohlich umkreisten sich die beiden. Hinter ihrer Gegnerin sah Schmutzpfote, wie ihre Clan-Gefährten kämpften. Auch wenn sie gerade nicht viele waren, so waren Hauskätzchen einfach keine Krieger. Als Ottersee, Farnsilber und Kirschpfote eine schwarze Kätzin in die Enge trieben, drehte diese um und lie davon.

"Ihr solltet euch schämen!", faucte die fremde Kätzin Schmutzpfote ins Gesicht und verfehlte ihre Nase mit den Krallen nur knapp. "Eine Mutter und ihre Jungen gefangen zu halten!"

"Gefangen? Das ist ihr Zuhause!", knurrte Schmutzpfote. Was hatte Champion seinen ahnungslosen Hauskätzchenfreunden vorgelogen?

Die orange-weiße Kätzin stutzte kurz, überrascht. Ein Fehler. Die Schülerin warf sich nach vorne und verbiss sich im Schweif ihrer Gegnerin. Diese heulte auf vor Schmerz und verpasste Schmutzpfote einen Hieb auf die Stirn, der sie kleine, weiße Sternchen sehen ließ. Ihr Griff um den Schweif lockerte sich und das Hauskätzchen befreite sich mit einem schmerzvollen Aufschrei. Ein paar kleine Blutspritzer flossen in Schmutzpfotes Augen, sodass sie nur verschwommen sah, wie die fremde Kätzin davonlief.

Schmutzpfote schüttelte den Kopf und vertrieb das Blut. Ihre Stirn brannte ein wenig, aber es waren vermutlich nur oberflächliche Kratzer. Die Tigerkätzin sah sich um und bemerkte zufrieden, wie ihr Clan gewann...bis Champion über die Lichtung rannte. In seinem Maul baumelte ein dunkles Bündel Fell, das zappelte und quietschte.

"Nein!", schrie Schmutzpfote und stieß sich ab, um Brombeerjunges zu Hilfe zu kommen, als sie plötzlich von hinten gerammt wurde. Alle Luft wich ihr aus den Lungen, ein schweres Gewicht lastete auf ihr und für einen Moment ließ die Panik Schmutzpfotes Sicht erneut verschwimmen.

"Das wirst du schön lassen!", raunte ihr eine tiefe Stimme bedrohlich ins Ohr. Sie wollte mit den Beinen schlafen, sich winden, sich befreien, aber es ging nicht. Sie warf eien gehetzten Blick nach hinten und sah den fetten Kater von vorhin, der sie mit seinem gesamten Gewicht auf den Boden presste. Sie atmete schnell und kurz, warf ihren Kopf herum und fauchte.

"Lass mich los, du Mäuseherz!", schrie sie, doch sie kam nicht gegen den braunen Kater an. Er lachte bloß, während er ihr eine breite Pfote in die Nacken drückte, um ihren Kopf flach auf den Boden zu pressen.

Champion lief auf den Lagerausgang zu. Die anderen Krieger waren mit den drei verbliebenen Hauskätzchen beschäftigt. Kirschpfote war verschwunden. Leopardenschweif nirgends zu sehen. Muschelklang rang mit Farnsilber eine stark aussehende Kätzin zu Boden und Rußnarbe krallte sich an den Rücken eines dunklen Katers, der verbissen versuchte, ihn abzuwerfen.

Schmutzpfote zappelte und warf sich herum, bis der fette Kater kurz den Halt auf ihrem Nacken verlor. Rußnarbe würde alles für diese Jungen tun, das wusste sie.

"Rußnarbe! Rußnarbe!", brüllte sie, so laut wie sie konnte und erregte die Aufmerksamkeit des grauen Katers. Schmutzpfote sah in seinen Augen, dass er ihr zu Hilfe kommen wollte, aber sie schüttelte den Kopf und deutete verzweifelt mit der Nase auf den fliehenden Champion. Brombeerjunges war so klein, dass man beinahe nicht sehen konnte, dass sein Vater ihn im Maul hatte. "Er hat Brombeerjunges!"

In dem Moment, als sie den Namen des Jungen aussprach, war Rußnarbe wie ausgewechselt. Wo vorher noch das edle Gemüt eines gesetzesfürchtigen Kriegers gewesen war, war nun blanke Wut die sich einen Weg aus seinen blauen Augen brannte. Der vernarbte Kater sprang von seinem Gegner ab und beförderte ihn mit einem Hieb auf den Boden, der sich sogleich rot färbte.

Champion hatte den Lagerausgang erreicht, aber Rußnarbe ließ ihn nicht durch die Ranken verschwinden. Wie ein Blitz sauste der graue Krieger über die Lichtung und grub seine Zähne ihn Champions Hinterbein. Mit einem kraftvollen Ruck zerrte er das Hauskätzchen aus den Dornen und schleuderte ihn zurück auf den Kampfplatz. Ihm blieb keine Zeit aufzustehen, schon war Rußnarbe auf seinem Rücken unf fetzte mit den Hinterbeinen ganze Stücke von Champions Fell in die Luft. Es sah fast aus wie Schnee.

Chmapion kreischte und warf sich zu Boden, um Rußnarbe loszuwerden, aber der Krieger war zu schnell, sprang ab und stürzte sich auf den entblößten Bauch des schwarz-weißen Katers.

"Champion!", heulte der dicke Kater, der Schmutzpfote gefangen hielt und plötzlich konnte sie wieder frei atmen. Der Dicke rannte zu den beiden kämpfen Katern und im nächsten Augenblick waren die Eindringlinge umzingelt. Farnsilber und Muschelklang hielten die muskulöse Kätzin am Boden fest und Rußnarbes ehemaliger Gegner lag benommen neben Ameisensterns Baumstumpf.

Der braune Kater, der Schmutzpfote festgehalten hatte, eilte Champion zu Hilfe, nicht vorbereitet auf den Zorn eines echten Kriegers. Der dicke Kater würgte, als Rußnarbe ihm mithilfe seines Halsbands die Luft abschnitt und ihm gleichzeitg die Ohren in ein bltiges Disaster verwandelte.

Die Kätzin, die von Muschelklang und Farnsilber in Schach gehalten wurde, bäumte sich auf, doch in ihren Augen schimmerte das Wissen ihrer Niederlage und unbändige Wut.

"Das nächste Mal trägst du deine Kämpfe alleine aus!", fauchte sie Champion zu, bevor sie den leicht wankenden, schwarzen Kater, den Rußnarbe niedergeschlagen hatte, am Nackenfell hochnahm, wie ein Junges. Sie entkam, bevor der Clan eintraf.

Sämtliche Patrouillen strömten ins Lager, angeführt von Kirschpfote, die Brombeerjunges zwischen den Zähnen hatte. Der Kleine musste heruntergefallen sein, als Champion aus dem Lagerwall gerissen worden war.

Rußnarbe kämpfte wie ein wildes Tier, schnell, präzise, alleine. Schmutzpfote sah bewundernd zu, wie der vernarbte Kater Champion immer wieder überlistete, gleichzeitg den Dicken aber nie aus den Augen ließ.

"Genug jetzt!", rief Ameisenstern und Rußnarbe duckte sich aus dem Weg, woraufhin seine beiden Gegner ungeschickt zusammenstießen. Beide bluteten und atmeten schwer. Fellbüschel, einige braun, andere schwarz-weiß, wehten über die Lichtung, wie verlorenen Moosbälle.

Der Anführer bahnte sich seinen Weg durch seine Katzen, bis sein Schatten bedrohlich über den beiden Eindringlingen lag. Champion fauchte ihn an, doch ihm lief Blut aus dem Maul und seine Auge war zugeschwollen, durch ein paar böse Kratzer. Er wusste, dass er verloren hatte. Seine Arroganz hatte ihn zu Fall gebracht.

"Ihr geht jetzt", sagte Ameisenstern bestimmt und durchbohrte die beiden mit seinem gelben Blick.

Champion schien widersprechen zu wollen, doch dann sah er sich um, mit seinem verbliebenen Auge. Sah nur feindliche Gesichter. Gesichter, die zu Katzen gehörten, die bereit waren, ihn in der Luft zu zerfetzen.

Verschwindet, und geht zurück zu euren Zweibeinern!

Schmutzpfote war überrascht über den Hass, den dieser Gedanke gehabt hatte, aber...das war der Kater, vor dem Muschelklang sich all die Monde so gefürchtet hatte. Er verdiente keine Gnade und trotzdem bekam er sie.

Schmutzpfotes Clan-Gefährten formten einen wütend faucheden Gang, durch den die beiden Kater flüchteten. Nachdem sie verschwunden waren, entspannte sich die Menge sichtlich.

"Wo ist mein Sohn? Brombeerjunges?"

Muschelklang, mit Igeljunges zwischen den Pfoten, hielt ängstlich Ausschau, aber all die Furcht fiel von ihr ab, als Kirschpfote ihr ihr Junges zurückbrachte. Sofort nahm sie ihn an sich und leckte ihm beruhigend das Fell, bevor sie zu Rußnarbe stürzte und sich in sein Fell drückte.

"Ich danke dir, Rußnarbe. Ich danke dir so sehr", schluchzte sie, überwältigt von dem Geschehenen. Der vernarbte Kater, zunächst überrascht, schmolz in der dankbare Geste der Königin und schnurrte.

Schmutzpfote schmunzelte. Rußnarbe war ein echter Held, so wie er gekämpft hatte.

"Ist jemand verletzt?", fragte Ameisenstern, aber niemand meldete sich. "Gut. Dieser Champion war gerissener, als wir gedacht haben. Wir wären früher bei euch gewesen, aber ein paar Streuner und Hauskätzchen haben an der Grenze auf uns gewartet, um Ärger zu machen. Ich vermute, das war eine Ablenkung, damit er das Lager leichter überfallen konnte." Ameisenstern seufzte-

Hätte ich ihm gar nicht zugetraut, dachte Schmutzpfote. Ganz schön schlau. Hoffentlich war er auch schlau genug, nie wieder hierher zurückzukehren.



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