21. Kapitel

Die nächsten Tage mied Schmutzpfote den Heilerbau. Sie hatte sich zwar fest vorgenommen, Schwanenpfote zu besuchen und sich zu entschuldigen, aber auf der Heilerlichtung angekommen, zögerte sie immer wieder.

Auch dieses Mal. Ratlos tapste sie auf der nach Kräutern durftenden Lichtung herum und legte sich ihre Worte zurecht, nur um sie einen Moment später zu verwerfen.

"Schmutzpfote? Was machst du da?", fragte auf einmal eine Stimme aus dem Heilerbau und Ottersee trat aus dem Dunkeln heraus.

"Ich...ähm...also", stammelte Schmutzpfote, auf einmal war ihr Kopf wie leergefegt. "Wie...wie geht es Schwanenpfote?"

"Körperlich gut", antwortete die kleine, braune Kätzin. "Emotional eher nicht so." Schmutzpfotes Ohren sanken bei Ottersees Worten entmutigt nach unten. "Dass sie eine Narbe behalten wird setzt ihr ziemlich zu."

"Ich...nehme an, sie will mich immer noch nicht sehen?", fragte die getigerte Kätzin vorsichtig und linste in den Heilerbau hinein, konnte aber nichts erkennen.

"Da nimmst du richtig an!", kam auf einmal ein Fauchen von hinten, das so plötzlich kam, dass Schmutzpfote vor Schreck fast aus ihrem Pelz sprang. Sie wirbelte herum und sah, dass Flügelstrom sich angeschlichen hatte. Der dunkelrote Kater hatte etwas böse funkelndes in den gelben Augen und ragte über ihr auf, wie ein großer Felsen. "Sie weint nur noch. Den ganzen Tag. Man kann nicht einmal eine anständige Unterhaltung mit ihr führen!", fuhr der Krieger sie an und Schmutzpfote wich vor ihm zurück, den Schweif unter dem Bauch.

"Es tut mir leid-", fing sie an, aber Flügelstrom ließ sie einfach stehen und stolzierte in den Heilerbau.

"Du solltest lieber gehen, Schmutzpfote. Nicht böse gemeint, oder so, aber Schwanenpfote ist noch nicht so weit. Für andere ist es vielleicht nicht so eine große Sache, aber für sie schon. Ich sage dir Bescheid, wenn sie ihre Meinung ändert", miaute Ottersee, strich ihr mit dem Schweif tröstend über die Schultern und wandte sich dann ab.

Schmutzpfote beeilte sich, von  der Lichtung wegzukommmen.

Sie weint den ganzen Tag? Und sie wird eine Narbe behalten...ihr ganzes Leben...

Die Tigerkätzin fühlte erneut eine große Welle der Schuld über sich hinwegspülen. So eine Narbe würde auffallen. Sie hatte das Aussehen ihrer Schwester für immer verändert und dabei war Schwanenpfote immer so stolz auf ihren makellosen Pelz gewesen.

Mit schlurfenden Schritten begab Schmutzpfote sich zum Schülerbau und ließ sich in ihr Nest fallen- nachdem sie es auf Kletten untersucht hatte. Sie konnte es kaum erwarten, dass Mohnjunges und Harzjunges was anderes zu tun bekamen, sobald sie Schüler wurden. Sie waren schon bald so weit und Schmutzpfote bemitliedete schon jetzt Mohnjunges' zukünftigen Mentor.

Kurz nachdem Schmutzpfote es sich halbwegs gemütlich gemacht hatte, um in traurigen Gedanken zu verschwinden, verdunkelte sich der Eingang des Baus, als Himmelspfote hereinkam.

"Hallo, Schmutzpfote...", miaute de weiße Kätzin. Sie wirkte traurig und bedrückt, aber so hatte sie die Tage seit dem Unfall immer ausgesehen, nur unterbrochen von zornigen Blicken, die an Schmutzpfote gerichtet gewesen waren. "Können wir kurz reden?"

Verwundert hob Schmutzpfote den Kopf.

"Klar. Was ist los?"

"Ich wollte mich bei dir entschuldigen", murmelte Himmelspfote und legte sich in ihr Nest, das nebene Schmutzpfotes' lag.

"Du willst dich bei mir entschuldigen? Wofür das denn?", fragte die getigerte Schülerin und legte den Kopf schief. Sie war doch eigentlich diejenige die sich entschuldigen musste.

"Dafür, wie ich dich angefahren habe, als das mit Schwanenpfote passiert ist. Das hätte ich nicht tun dürfen. Ich hatte nur so Angst, dass ihr etwas passiert ist. Ich...Ich habe nicht daran gedacht, wie du dich in dem Moment gefühlt hast. Es tut mir leid. Wenn du gewusst hättest, dass du sie mit dem Ast triffst, hättest du das nie gemacht. Es war einfach ein Unfall."

"Wow...danke Himmelspfote." Schmutzpfote fehlten ein bisschen die Worte. Sie bewunderte, dass ihre Schwester, im Gegensatz zu ihr selbst, den Mut hatte, ihren Fehler zuzugeben. "Ich nehme deine Entschuldigung natürlich an", fügte sie schnell hinzu und die weiße Kätzin entspannte sich sichtlich.

"Danke...das erleichtert mich. Es war ziemlich frostig zwischen uns allen", gab Himmelspfote zu und vergrub kurz die Nase in Schmutzpfotes Wangenfell. Die Tigerkätzin fühlte ebenfalls, wie ein Teil von der Schuld verschwand und schnurrte dankbar. Immerhin mit einer Schwester verstand sie sich wieder. Jetzt musste sie nur selbst den gleichen Mut aufbringen, wie sie, und dann würde es vielleicht wieder so werden wie früher. Sie ging nicht davon aus, dass sie und Schwanenpfote jemals so befreundet sein würden, wie sie es mit Himmelspfote war, aber sie wollte auch nicht ihr Feind sein. Vielleicht konnten sie irgendwann einfach nebeneinander herleben.

"Ich fühle mich jetzt auch besser", sagte Schmutzpfote. Mit ihrer Schwester darüber zu reden tat gut. Vielleicht konnte sie ihr ja sogar helfen, sich bei Schwanenpfote zu entschuldigen, Himmelspfote war gut darin, die richtigen Worte zu finden.

"Wollen wir was essen? Oder wolltest du dich gerade ausruhen?", wollte die weiße Kätzin wissen.

"Ich bin eigentlich hergekommen, um in schuldvollen Gedanken zu schwelgen", scherzte Schmutzpfote, klang jedoch nicht so leichtfertig, wie sie es beabsichtigt hatte. "Jetzt geht es mir besser, lass uns was essen", stimmte sie zu und verließ den Bau mit ihrer Schwester. Sie mochte es, wie voll der Frischbeutehaufen nun immer war, seit die Blattgrüne gekommen war. Man musste nicht mehr genau darüber nachdenken, wann man was aß und ob schon alle anderen gegessen hatten. Es war einfach genug für alle da und man musste sich keine Sorgen machen.

Gerade wollte die Tigerkätzin den Beutehaufen inspizieren, als beim Heilerbau ein Tumult ausbrach. Fast gleichzeitig mit Himmelspfote drehte sie sich um und sah gerade noch, wie Flügelstrom aufgebracht aus dem Bau stürmte.

Verwirrt wandte Schmutzpfote sich ihrer Schwester zu und blickte fragend drein.

"Was ist da bloß los?", fragte sie, als sich Himmelspfotes Augen plötzlich weiteten.

"Vorsicht, hinter dir!", warnte die Kätzin sie, jedoch nicht rechtzeitig genug für Schmutzpfote, um dem zornigen Wirbel aus weißem Fell zu entgehen, der im nächsten Moment in sie hineinkrachte.

"DU! Das ist alles deine Schuld!", drang eine schrille Stimme an ihr Ohr, während Schwanenpfote sie zu Boden drückte. Zum ersten Mal seit dem Unfall, sah Schmutzpfote das Gesicht ihrer Schwester. Um ihren Kopf war schräg ein dicker, grüner Verband gewickelt, der bei jeder Bewegung der Kätzin kleine Kräuterbröckchen herabrieseln ließ. In ihren hellblauen Augen glühte rohe Wut und Schmutzpfote japste, als Schwanenpfotes Krallen durch ihr Brustfell drangen.

"Schwanenpfote, geh runter von ihr!", jaulte Himmelspfote, bevor im nächsten Augenblick ein krallenbewehrter Hieb auf Schmutzpfotes Ohren niederging.

Die Tigerkätzin versuchte, die Schülerin von sich zu drücken, aber sie kam nicht gegen Schwanenpfote an, sie war zu stark. Ein scharfer Schmerz durchzuckte ihr linkes Ohr.

"Das ist alles deine Schuld!", wiederholte Schwanenpfote knurrend und drückte Schmutzpfote beinahe die Luft ab, als sich eine neue Stimme einmischte.

"Was soll das?! Schwanenpfote, lass sie sofort los!", befahl Felsenkralle, der wohl in diesem Moment aus dem Kriegerbau gekommen sein musste.

Trotz des herrischen Tons des grauen Katers ließ Schwanenpfote keineswegs ab und schnappte nach Schmutzpfote. Nur eine Schnurrhaarbreite neben ihrer Wange klappten ihre Kiefer zusammen und es klang, wie brechende Knochen.

"Ich sagte loslassen!", schrie der älteste Krieger des SumpfClan und Schmutzpfote erhaschte einen Blick auf den muskulösen Kater, der ihr zu Hilfe kam. Mit einem Ruck packte er Schwanenpfote am Nackenfell und beförderte sie unsanft auf den Boden. "Was ist nur in dich gefahren?!"

Die weiße Kätzin antwortete nicht, sondern versuchte, sich aus seinem Griff zu winden, während Schmutzpfote erschrocken auf die Pfoten kam. Ihr Herz raste in ihrer Brust und ihre Beine zitterten. Sie zuckte mit dem Ohr, das furchtbar brannte und pochte, als würde es in Flammen stehen.

"Bist du in Ordnung, Schmutzpfote?", fragte Himmelspfote, die sie mit ängstlich geweiteten Pupillen ansah.

"Ja...nur ein Kratzer", gab Schmutzpfote zittrig zurück und schaute zu Schwanenpfote, die aufgehört hatte, sich zu wehren und auf einmal furchtbar klein wirkte.

"Ich erwarte eine Erklärung, Schwanenpfote!", forderte Felsenkralle mit einem knurrigen Unterton, aber die weiße Kätzin presste die Lippen fest zusammen.

Nun kam auch Ottersee hinzu, die eilig von der Heilerlichtung zu ihnen lief.

"Was ist hier los?", verlangte die braune Kätzin zu wissen. "Schmutzpfote, du blutest ja!"

"Gut!", rief Schwanenpfote dazwischen und fauchte die Tigerkätzin an, die leicht zurückwich.

"Was ist hier überhaupt los?", fragte die Heilerin. "Lass sie aufstehen", verlangte sie und Felsenkralle gehorchte, stellte sich aber zwischen Schwanenpfote und Schmutzpfote.

Schwanenpfote rappelte sich auf und sah kurz so aus, als würde sie ihre Chancen ausrechnen, gegen Felsenkralle anzukommen, schien aber auf ein schlechtes Ergebnis zu kommen und begann zu schniefen.

"Schmutzpfote hat mein Leben zerstört, das ist passiert!", schrie sie. Schmutzpfote zuckte zusammen und spürte sofort die Schuld zurückkommen.

"Es tut mir leid! Es war ein Unfall!", beteuerte die getigerte Kätzin.

"Jetzt mach mal halblang, Schwanenpfote. Eine Narbe wird nicht dein Leben zerstören. Viele Krieger tragen Narben, das gehört zum Leben einer Clan-Katze", wies Ottersee sie zurecht und schnüffelte an ihrem Verband.

"Es geht nicht um die Narbe!", fauchte Schwanenpfote, womit sie sich einen warnenden Blick der Heilerin einfing. "Oder vielleicht doch! Flügelstrom hat mich verlassen, wegen diesem hässlichen Ding in meinem Gesicht, und es ist deine Schuld!" Schwanenpfote durchbohrte die getigerte Schülerin mit einem zerstörerischen Blick.

"Das ist kein Grund, deine Clan-Gefährtin anzugreifen!", fuhr Felsenkralle dazwischen.

"Ruhe jetzt! Schwanenpfote, in meinen Bau. Sofort", befahl Ottersee und diesmal fügte sich die weiße Kätzin und ließ sich von der Heilerin in den Bau scheuchen.

Felsenkralle blieb noch kurz stehen, als könnte Schwanenpfote ihre noch ändern, verzog sich dann aber wütende Worte vor sich hermurmelnd.

Ungläubig sah Schmutzpfote zu Himmelspfote.

"Das glaub ich jetzt nicht", flüsterte sie, Wut begann, in ihr aufzuwallen. Wie konnte Flügelstrom Schwanenpfote das antun?

"Ich mach ihn kalt! Dieser hochnäsige Haufen Fuchsdung!", fluchte Himmelspfote und stapfte auf den Kriegerbau zu, vor dem Flügelstrom seelenruhig saß und sich putzte.

"Warte, Himmelspfote!", rief Schmutzpfote und eilte ihr hinterher. Die Wut kochte unter ihrem Pelz und am liebsten hätte sie dem roten Krieger jedes Schnurrhaar einzeln ausgerissen.

"Du bist ein richtiges Fuchsherz, weißt du das!", schimpfte Himmelspfote und Schmutzpfote schloss sich mit einem heftigen Nicken und einem bösen Blick an.

"So redet man nicht mit jemandem, der in der Hierarchie über einem steht", gab Flügelstrom zurück und baute sich aufgebracht zu voller Größe auf.

"Mir ist dein Rang scheißegal! Wie konntest du Schwanenpfote sowas antun?"

"Genau!", warf Schmutzpfote ein. "Gerade jetzt, wo sie dich dringend gebraucht hätte!"

"Meine Beziehung geht euch einen feuchten Dreck an!", verteidigte sich der Kater und peitschte wütend mit dem Schweif. "Diese ganze Sache hat mir gezeigt, wie unreif Schwanenpfote noch ist! Die ganze Heulerei wegen einer mickrigen Narbe, das ist unter meiner Würde."

Schmutzpfote stand der Mund offen. So viel Arroganz war ihr noch nie untergekommen. Klar, Flügelstrom war noch nie die einfühlsamste Katze gewesen, aber damit sank er zu neuen Tiefen.

Himmelspfote suchte vor Zorn zitternd nach Worten und grub die Krallen in den Boden, aber der Krieger war noch nicht fertig.

"Was das angeht, sollte ich dir wohl eigentlich danken, Schmutzpfote", miaute er und fixierte die Schülerin mit seinen gelben Augen. "Also danke, dass du mir mit deiner dämlichen Ast-Eskapade gezeigt hast, dass Schwanenpfote nicht die erwachsene Katze ist, für die ich sie gehalten habe, sondern eher ein weinerliches Junges."

"Wag es nicht, das auf sie zu schieben!", knurrte Himmelspfote, ihr Nackenfell sträubt sich. "Du solltest dich schämen, dass du sie so im Stich lässt!"

Flügelstrom starrte sie kurz an und zuckte dann einfach mit den Schultern befor er die beiden Kätzinnen links liegen ließ und davonstolzierte.

"Haltet euch aus meinen Angelegenheiten raus!", rief er noch, bevor er verschwand.

"Das wirst du noch bereuen!", schrie Himmelspfote ihm hinterher, aber der Kater reagierte nicht.

Es ärgerte Schmutzpfote, dass Flügelstrom Schwanenpfote so fallen gelassen hatte, wie einen heißen Stein, aber noch viel mehr ärgerte es sie, dass sich der rote Kater keines Fehlers bewusst war und kein böses Wort an ihn herankam. Nichts würde Schmutzpfote gerade lieber tun, als ihm mit ihren Worten wehzutun, aber sie schienen von ihm abzuperlen, wie Wassertropfen von einem Seerosenblatt.

Ratlos drhte Schmutzpfote sich zu Himmelspfote und schnaufte frustriert. Durch Flügelstroms Entscheidung war eine Versöhnung mit Schwanenpfote in unerreichbare Ferne gerückt.



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