15. Kapitel
Je näher die beiden Kätzinnen dem Lager kamen, desto langsamer lief Muschelklang, bis sie fast schon wie eine Schnecke dahinschlurfte. Geduldig ging Schmutzpfote vorraus und blieb immer mal wieder stehen, um auf ihre Mentorin zu warten. Jetzt, wo sie wusste, dass Muschelklang trächtig war, fiel es ihr auch auf, wenn sie sie ansah...wieso war ihr das nur nicht aufgefallen?
Kurz vor dem Lager blieb die graue Kätzin zögerlich stehen, aber Schmutzpfote drängte sie weiter.
"Komm schon, Muschelklang. Wir sollten mit Ameisenstern reden", miaute die getigerte Schülerin und gab ihrer Mentorin mit der Schnauze einen leichten Schubs.
"Er wir so enttäuscht von mir sein", hörte Schmutzpfote sie murmeln, bevor sie sich durch den Lagereingang zwängte. Zum Glück war nicht so viel los, denn die meisten waren auf Patrouille, aber die wenigen Katzen, die sich noch auf der Lichtung befanden, bemerkten sofort, dass etwas nicht stimmte. Schmutzpfote beeilte sich, zu Ameisensterns Bau zu kommen, bevor sie noch jemand ansprechen konnte, Muschelklang blieb ihr überraschenderweise dicht auf den Fersen.
"Ameisenstern? Bist du da?", fragte die Schülerin in die dunkle Höhle hinein.
"Ja, komm ruhig rein, Schmutzpfote", kam es zurück. Die getigerte Kätzin tauchte in den dämmrigen Bau ein, ihre Mentorin war ganz knapp neben ihr, presste sich beinahe in ihren Pelz.
Ameisenstern saß neben seinem Nest, dass er offenbar gerade mit den Federn seiner letzten Mahlzeit neu auspolsterte.
"Wie kann ich dir helfen...oh...ich meine, wie kann ich euch helfen?", verbesserte sich der dunkelbraune Kater, dessen Gesicht sich sofort zu einer fragenden Miene verzog, als er Muschelklang ansah. "Was ist hier los?"
"Muschelklang? Möchtest du...?", fragte Schmutzpfote vorsichtig und legte der grauen Kätzin den Schweif um die Schultern.
Es dauerte ein bisschen, bis die Kriegerin die Geschichte erneut heruntergerasselt hatte, aber mit jedem Wort wurde Ameisensterns Gesicht finsterer.
"Es tut mir so leid, Ameisenstern...ich...ich war naiv und dumm und...ich werde jede Strafe annehmen, die du für richtig hältst." Muschelklangs Kopf hing tief und unterwürfig. Angespannt sah Schmutzpfote zu ihrem Anführer, dessen Schweifspitze angefangen hatte zu zucken.
"Muschelklang, schau mich an", forderte der dunkle Kater die Kriegerin auf, seine gelben Augen blitzen im Finsteren auf. Mit hochgezogenen Schultern hob Muschelklang den Kopf und sah Ameisenstern aus glasigen Augen an. "Ich werde dich nicht bestrafen. Du hast einen Fehler gemacht, das stimmt, aber ich weiß, dass du dem SumpfClan treu bist und nicht diesem....Kater." Schmutzpfote sah Ameisenstern an, dass er ein anderes Wort für den Vater von Muschelklangs Jungen im Sinn gehabt hatte und sie war erleichtert. Ihr Anführer war nicht wütend...zumindest nicht auf die graue Kätzin.
"Wie sieht dieses Hauskätzchen aus? Und wie heißt er?", fragte Ameisenstern schließlich.
"Sein Name ist Champion. Er ist schwarz und weiß gefleckt", gab Muschelklang zittrig zurück, ihre Stimme klang rau und gepresst. "Blaue Augen, ein bisschen rundlich. Er trägt ein hellblaues Halsband mit einem silberfarbenen Stein dran", fasste sie knapp zusammen, während sie ihre Pfoten anstarrte.
"Danke. Ich werde dem Clan sagen, dass sie nach diesem Champion Ausschau halten sollen. Wenn er sich an der Grenze aufhalten sollte, werden sie ihn vertreiben." Ameisenstern spuckte den Namen des Hauskätzchen aus, als wäre er eine Beleidigung und Schmutzpfote bemerkte, wie sie selbst die Krallen in den Boden gebohrt hatte.
Ich hoffe für dich, dass du weit weg bist, wenn der Clan davon erfährt, Champion, dachte sie finster, blickte jedoch auf, als Ameisenstern noch etwas sagte.
"Und, Muschelklang? Bitte geh zu Ottersee und lass dich untersuchen, ja?", miaute der dunkelbraune Kater, woraufhin Muschelklang zusammenzuckte. "Mach dir keine Sorgen. Wir kriegen das wieder hin", fügte er sanft hinzu und legte der grauen Kätzin kurz die Schnauze auf die Stirn. "Das heißt aber wohl, dass wir für Schmutzpfote wieder einen neuen Mentor brauchen."
Die getigerte Kätzin sog erschrocken die Luft ein.
"Nein!", sagten beide Kätzinnen wie aus einem Mund, was Ameisenstern zusammenzucken ließ.
"Bitte, Ameisenstern, ich schaffe das. Schmutzpfote ist schon so weit...ich...ich möchte sie weiterhin unterrichten", miaute Muschelklang mit sich anbahnender Verzweiflung in der Stimme.
"Du weißt aber, dass das sehr schwierig werden wird, Muschelklang. Schmutzpfotes Training hat sich bereits sehr verzögert. Ich will nicht, dass ihre Ausbildung noch mehr leidet."
"Wird sie nicht! Ich verspreche es!"
"Schon gut, schon gut. Es ist schön, dass ihr in so kurzer Zeit so eine gute Bindung aufgebaut habt. Ich werde mir ansehen, wie das Training läuft und wie viel Ottersee dir erlaubt zu tun. Wenn ich merke, dass Schmutzpfote mehr Unterstützung braucht, dann müssen wir jedoch eine andere Lösung finden", räumte Ameisenstern ein und entließ danach die zumindest ein wenig erleichterten beiden Katzen.
"Das lief doch besser als gedacht, oder?", fragte Schmutzpfote, als sie und Muschelklang den Bau wieder verließen.
"Ja...", antwortete die Kriegerin mit einem Lächeln, das gezwungener nicht hätte sein können. "Danke, Schmutzpfote. Du bist...wirklich eine große Hilfe. Ich fühle mich so schlecht...eigentlich sollte ich für dich da sein, nicht umgekehrt."
"Ist schon gut, Muschelklang. Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast", schnurrte Schmutzpfote. "Du solltest jetzt zu Ottersee gehen und dich untersuchen lassen. Soll ich mitkommen?"
"Nein, ist schon gut, das schaffe ich schon...irgendwie." Die Kätzin lächelte gequält und drehte sich um, um zum Heilerbau zu gehen, blieb jedoch noch einmal stehen. "Und Schmutzpfote? Was ich da im Wald gesagt hab, das tut mir wirklich leid. Es war nicht richtig von mir, dich als Entschuldigung auszunutzen."
"Ich nehme deine Entschuldigung an, Muschelklang. Und jetzt geh schon", drängte Schmutzpfote ihre Mentorin. Je früher die Heilerin Muschelklang untersuchte, desto besser.
Kaum war die flauschige, graue Kätzin im Dunkel des Heilerbaus verschwunden, begannen die ersten Katzen, Schmutzpfote auffällig unauffällig auszufragen, aber die Tigerkätzin erzählte niemandem genaues. Es war nicht an ihr, Muschelklangs Zustand dem Clan zu erzählen.
Trotzdem schien sich die Nachricht zu verbreiten wie ein Waldbrand. Hatte etwa jemand am Anführerbau gelauscht? Schmutzpfote wusst es nicht, aber es war geradezu faszinierend, zu beobachten, wie ihre Clan-Gefährten reagierten.
"Ich habe gehört, Muschelklang ist trächtig", hörte sie Kastanienfall zu Moosschwinge flüstern. "Von einem von außerhalb." Daraufhin verzog die goldene Tigerkätzin das Gesicht, ihre Augen wurden schmal.
"Von außerhalb?", knurrte die massige Stellvertreterin. "Unfassbar, dass sie so etwas getan hat!"
"Wir wissen es doch gar nicht sicher", wandte die braune Königin eingeschüchtert ein, während sie ihre Söhne aus dem Lagerwall fischte.
Moosschwinge ist jedenfalls nicht begeistert, dachte Schmutzpfote und lauschte auch noch den anderen SumpfClan-Katzen, die schon Wind von der Sache bekommen hatten.
"Also wenn ich den in die Krallen kriege, zerfetz ich ihn in tausend Stücke", wetterte Rußnarbe und sein Freund Farnsilber nickte bestätigend.
"Was für ein Fuchsherz. Ich hoffe es geht Muschelklang gut", fügte der hellgoldene Tigerkater hinzu.
Immerhin. Die beiden sehen das so genauso wie-
"Wo ist meine Schwester?" Jäh wurde Schmutzpfote in ihren Gedanken unterbrochen, als Leopardenschweif mit funkelnden Augen auf sie zu kam.
"Im Heilerbau", gab die getigerte Kätzin wahrheitsgemäß zurück und sah, wie Leopardenschweif sich noch mehr anspannte
"Wieso?! Ist ihr etwas passiert?"
"Das fragts du sie am besten selbst", schlug Schmutzpfote der gescheckten Kätzin vor, die schon verschwunden war, bevor sie ausgeredet hatte.
Leopardenschweif wird bestimmt gleich auf Hauskätzchenjagd gehen, vermutete Schmutzpfote und konnte nicht anders, als ein wenig gehässig zu grinsen. Champion hatte es nicht anders verdient. Und wenn er seine Jungen auch nur schief ansah, würde er es bereuen.
Zur Zeit der Abenddämmerung hatte sich die Nachricht über Muschelklangs ungeplanten Wurf bereits unter allen Katzen verbreitet und zu Schmutzpfote Erleichterung waren die meisten auf ihrer Seite. Neue Wachen meldeten sich freiwillig und die Außengrenzpatrouillen wurden verdoppelt. Ottersee beurteilte Muschelklangs Schwangerschaft als vollkommen gesund und vermutete zwei bis drei Junge in ihrem angeschwollenen Bauch.
Während Schmutzpfote es sich in ihrem Nest gemütlich machte, dachte sie an ihre Mentorin und ihre Schwester. Muschelklang und Leopardenschweif waren nicht mehr allein mit ihrer Erfahrung, sie hatten einander und das freute die Tigerkätzin. Die graue Kriegerin hatte schon viel selbstsicherer gewirkt, als sie herausgefunden hatte, dass Leopardenschweif mit ihr in die Kinderstube einziehen würde. Bestimmt würden die Jungen der beiden unzertrennlich sein.
Es war tröstlich, nun zu wissen, was hinter Muschelklangs seltsamen Verhalten steckte und Schmutzpfote fühlte, wie sie der verpasste Schlaf von letzter Nacht sie überrollte. Ihre Muskeln entspannten sich und ihre Gedanken plätscherten zäh dahin.
Zumindest taten sie das, bis eine bekannte, jedoch viel zu schrille Stimme sich in ihren Kopf bohrte.
"Schmutzpfote!" Sie kannte die Stimme. Aber sie wollte sie nicht hören.
Geh weg!
Schmutzpfote kniff die Augen fester zusammen und legte die Pfoten über ihr Gesicht.
Verschwinde!
"Lass mich durch, Schmutzpfote. Schmutzpfote!" Die Stimme wurde drängender, aber die Schülerin schob sie ganz weit weg von sich, so weit, dass sie ganz leise war und schließlich verstummte.
Danach verlief ihr Schlaf traumlos...und ohne anderen Stimmen.
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