11. Kapitel

Die Tage wurden spürbar wärmer und die Nächte schienen kürzer zu werden. Als die Sonne durch die Zweige des Schülerbaus schien und Schmutzpfote weckte, war draußen auf der Lichtung schon einiges los. Die getigerte Kätzin rappelte sich schnell auf, da die Patrouillen schon dabei waren, aufzubrechen.


Der wolkenlose Himmel versprach einen schönen Tag und obwohl die Sonne gerade erst so über die Baumwipfel gestiegen war, war es bereits angenehm warm. Moosschwinge stand auf dem kleinen Hügel und teilte die letzten Katzen ein.

Wo ist Muschelklang?

Schmutzpfote machte sich groß, konnte die graue Kätzin aber nirgends entdecken und tappte zu Moosschwinge.

"Hast du Muschelklang gesehen?", fragte sie die große, goldene Tigerkätzin. "Sie wollte mit mir jagen gehen."

Die Zweite Anführerin wandte sich ihr zu.

"Muschelklang? Sie hat sich für eine Patrouille freiwillig gemeldet", antwortete sie und sah Schmutzpfote fragend an. Enttäuscht sank ihr braun getigerter Schweif herab.

"Was? Aber gestern...sie hat doch...ach egal." Die Schülerin senkte den Kopf und starrte auf ihre Pfoten, aber Moosschwinge ließ das nicht zu.

"Kopf hoch, Schmutzpfote. Wir bringen dich schon unter", miaute die Kätzin und sah sich nach den Patrouillen um, die noch nicht gegangen waren. "Ja, wieso nicht. Du gehst mit deinen Schwestern und ihren Mentoren auf Grenzpatrouille beim SeeClan, einverstanden?"

Schmutzpfote hatte sowieso keine Wahl, also nickte sie und hinkte zu Himmelspfote und Schwanenpfote hinüber, die bei Rußnarbe saßen.

"Oh hallo, Schmutzpfote!", begrüßte Himmelspfote sie freudig. Von Rußnarbe erhielt sie ein höfliches Nicken und von Schwanenpfote nur einen giftigen Blick.

"Hallo. Moosschwinge sagt, ich soll mit euch auf Patrouille gehen", miaute Schmutzpfote und versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen.

"Na toll!" Schwanenpfote rollte mit den Augen. "Jetzt wird das ewig dauern!"

Rußnarbe fuhr herum und schnipste mit seinem Schweif gegen das Ohr der schneeweißen Kätzin.

"Hör auf damit. Wir verletzen unsere Clangefährten nicht. Nicht mit Krallen und auch nicht mit Worten", knurrte er und kurz lieferten sich die beiden ein scharfes Blickduell, das Schwanenpfote verlor. Als der graue Kater wegsah, rollte sie jedoch erneut mit den Augen und bleckte die Fänge.

"Mach dir nichts drauß", flüsterte Himmelspfote in ihr Ohr. "Ich finde es toll, dass du mit uns kommst."

Schmutzpfote schnurrte dankbar. Schwanenpfote war es nicht wert, dass man sich über sie aufregte.

In diesem Moment kam Gelbschweif zu ihnen.

"Nanu? Kommst du etwa auch mit uns, Schmutzpfote? Wo ist denn Muschelklang?", fragte der goldene Tigerkater.

Die braune Schülerin zuckte ratlos mit den Schultern.

"Sie hat eigentlich versprochen, mit mir jagen zu gehen, aber Moosschwinge sagt, sie hat sich für eine Patrouille gemeldet und sie ist schon weg", antwortete sie und versuchte, das traurige Gefühl in ihrem Bauch zu ignorieren. Muschelklang hätte sie doch auf Patrouille mitnehmen können, es hätte ihr nichts ausgemacht.

"Sie löst ihr Versprechen sicher noch ein", beteuerte Gelbschweif und wandte sich dann dem Rest der Patrouille zu. "Können wir dann los?"

Alle Katzen nickten und die zwei Krieger verließen mit den Schülern das Lager. Die Luft roch frisch und sauber, als ob bald Regen kommen würde und obwohl die Sonne noch strahlte, bahnten sich einige dunkle Wolken ihren Weg über den Himmel.

"Lasst uns etwas schneller gehen", schlug Rußnarbe vor. "Diese Wolken verheißen nichts Gutes."

Schmutzpfote bemühte sich sehr, mit ihren Clangefährten mitzuhalten, aber sie war trotzdem langsamer und kam schnell außer Atem. Himmelspfote blieb besorgt neben ihr.

"Brauchst du eine Pause?", fragte die gesprenkelte Kätzin, laut genug, dass sich die Krieger und Schwanenpfote zu ihnen umdrehten.

Schmutzpfote keuchte und ihre Pfote stach, aber sie weigerte sich, anzuhalten.

"Es geht schon. Wirklich!", beteuerte sie durch zusammengebissenen Zähne, bemerkte jedoch, dass ihr das keiner glaubte.

"Red keinen Unsinn, Schmutzpfote. Wenn du eine Atempause brauchst, halten wir kurz an", entschied Gelbschweif und die Schülerin ließ sich widerwillig auf ihr Hinterteil fallen. "Überanstreng dich lieber nicht."

Das ist so frustrierend, dachte Schmutzpfote. Und peinlich.

"Na toll, wegen ihr kommen wir jetzt in den Regen", hörte sie Schwanenpfote flüstern und senkte den Blick auf den Boden. Wieso machte es ihrer Schwester so viel Spaß, auf ihr herumzuhacken?

"Geht's wieder?" Himmelspfote schien immer genau zu wissen, wenn es Schmutzpfote schlecht ging und lächelte ihr aufmunternd zu. "Es ist nicht mehr weit bis zur Grenze."

Obwohl ihre Pfote noch nicht aufgehört hatte zu pochen, nickte Schmutzpfote und die Patrouille setzte ihren Weg bis zu SeeClan-Grenze fort. Das Wasser stand noch immer ziemlich hoch und verschmälerte das Ufer auf einen dünnen Streifen. Durch die Wellen waren die Markierungen beider Clans beinahe vollständig gweggespült worden.

"Ich denke, es ist das Beste, wenn wir uns aufteilen und die Markierungen in beide Richtungen erneuern. Seht zu, dass ihr auf er richtigen Seite der Grenze bleibt", warnte Gelbschweif. "Himmelspfote, du und Schmutzpfote, ihr geht nach links weiter und Rußnarbe, Schwanenpfote und ich gehen rechts entlang."

Der Gedanke, Schwanenpfote eine Weile los zu sein, heiterte Schmutzpfote auf und gemeinsam mit Himmelspfote brach sie auf.

Der Blick ihrer Schwester schien von der schimmernden Wasseroberfläche gefangen zu sein.

"Meinst du, das Wasser geht auch irgendwann wieder zurück? Das SeeClan-Lager ist halb überschwemmt. Ob sie dort überhaupt leben können?"

Schmutzpfote zuckte mit den Schultern.

"Ich habe bei der letzten Versammlung nicht so gut aufgepasst", gab sie zu.

"Ach, da lügen doch alle, wie gut es ihnen geht. Es will doch keiner schwach erscheinen, deswegen erzählen sie nur von den guten Dingen, wie Geburten und sowas",sagte Himmelspfote und verdrehte grinsend die Augen.

"Aber sie erzählen auch, wenn jemand gestorben ist", fügte Schmutzpfote hinzu und musste prompt an Sonnenstrahl denken. Zum Glück war sie nicht bei der Versammlung dabei gewesen, die seinen Tod verkündet hatte.

"Stimmt", miaute Himmelspfote, bevor sie eine Markierung erneuerte. "Aber wenn ich Anführerin wäre, würde ich auch lügen. Unsere Probleme gehen doch niemanden etwas an."

"Findest du?" Schmutzpfote verzog das Gesicht. Es war ihr lieber, wenn die Clans friedlich und offen waren. "Als der SeeClan mit der Flut zu kämpfen hatte, haben wir doch auch geholfen", wandte sie ein.

"Ja, weil es das Gesetz der Krieger so verlangt. Ein Junges in Not darfst du niemals im Stich lassen. Aber sowas meine ich gar nicht. Ich meine, wenn wir zum Beispiel Probleme mit einem streunenden Hund hätten oder so, und wir dem SeeClan davon erzählen, könnten sie denken, dass wir durch wiederholte Kämpfe geschwächt sind, und uns dann Territorium oder Beute stehlen."

"Sowas würden wir doch niemals tun!", rief plötzlich eine Stimme von der anderen Seite der Grenze, wo aus dem Schilf ein bekannter, grau gesprenkelter Kater herauskam.

"Graufrost!"

Schmutzpfote musste unwillkürlich lächeln, als sie den verwuschelten SeeClan-Krieger sah. Hinter ihm, drängte sich ein schmächtiger, brauner Kater aus dem Schilf, der auf der Brust einen weißen, geknickten Streifen hatte. Die Schülerin erinnerte sich, dass sein Name Streifenpfote war, mehr wusste sie aber auch nicht.

"Hallo, ihr beiden", begrüßte der Gefleckte sie freundlich. "Auch auf Grenzpatrouille?"

"Ja", miaute Himmelspfote mit einer Spur Misstrauen in der Stimme. "Muss ja alles seine Ordnung haben."

Schmutzpfote schnippte mit ihrem Schweif an das Ohr ihrer Schwester.

"Graufrost ist mein Freund", zischte sie und warf ihr einen flehenden Blick zu, sich zu benehmen.

"Jaja, schon gut", murrte die weiße Kätzin.

Lächelnd wandte sich Schmutzpfote wieder den beiden Katern zu.

"Und du bist Streifenpfote, oder?", fragte sie den braunen Kater, der zaghaft nickte.

"Streifenpfote und ich arbeiten daran, dass er bald seinen Kriegernamen bekommt", erklärte Graufrost. "Eigentlich hätte er ihn schon längst erhalten müssen, aber Lichtstern schiebt es immer wieder auf. Deswegen machen wir zusätzliche Aufgaben."

Wieso gibt Lichtstern ihm seinen Namen nicht? Krieger machen ihren Clan doch stärker.

Verständnislos schüttelte Schmutzpfote den Kopf, während Himmelspfote genau die Frage stellte, die sie sich selbst gedanklich gestellt hatte.

Graufrost zuckte mit den Schultern.

"Wir wissen nicht, warum. Aber wenn er sich anstrengt, wird das schon noch werden", miaute Graufrost zuversichtlich und setzte seine Markierung.

"Wenn du das sagst", murmelte Streifenpfote. In dessen gelben Augen spiegelte sich ein wenig Hoffnungslosigkeit. Für einen Schüler war er schon viel zu groß, und trotz seiner eher schmalen Statur, konnte Schmutzpfote geschmeidige Muskeln unter seinem hellbraunen Pelz erkennen. Außerdem schien es ihm unangenehm zu sein, dass Graufrost so offen sprach. "Wir sollten weiter", grummelte er und drängte seinen Clangefährten dazu, weiterzugehen.

"Bis zum nächsten Mal", verabschiedete Graufrost sich, bevor Streifenpfote ihn ins Schilf drückte.

"Komische Sache", miaute Himmelspfote. "Streifenpfote sah doch ganz in Ordnung aus. Nicht besonders groß, vielleicht, aber das hat ja nichts damit zu tun, ob man Krieger sein kann oder nicht."

Da konnte Schmutzpfote ihr nur zustimmen. Einige der SumpfClan-Krieger waren auch nicht sonderlich groß, Rußnarbe zum Beispiel, oder Eulensprenkel, das machte sie aber nicht weniger fähig.

Grübelnd machten sich die beiden auf, die Patrouille fortzusetzen.

"Jetzt haben wir sie gar nicht gefragt, ob das Wasser wieder zurü- Autsch!" Himmelspfote stolperte plötzlich nach vorne und als Schmutzpfote zu ihr herumwirbelte, roch sie Blut.

"Was ist passiert?", fragte sie alarmiert.

"Scharfer Stein", presste Himmelspfote hervor, durch ihren Pfotenballen zog sich ein langer Schnitt, aus dem die rote Flüssigkeit hervorquoll.

"Ohje! Tut es weh?"

"Natürlich tut es weh!", fauchte die weiße Kätzin und leckte wiederholt über die Wunde, die einfach nicht aufören wollte, zu bluten.

"Wir sollten ins Lager zurückgehen. Ottersee muss das verbinden",stellte Schmutzpfote fest und ignorierte den scharfen Tonfall in Himmelspfotes Stimme.

"Mäusedung, das brennt!", beschwerte sich Himmelspfote, die den ganzen Weg zurück humpeln musste. Auf halber Strecke wurden sie vom Rest der Patrouille eingeholt.

"Was ist denn los? Warum seid ihr schon auf dem Rückweg?", fragte Rußnarbe forsch. "Wir haben nach euch gesucht."

"Himmelspfote hat sich an der Pfote verletzt", erklärte die getigerte Kätzin, die einen Teil vom Gewicht ihrer Schwester auf der Schulter trug.

"Ist es schlimm?", fragte Gelbschweif und besah sich der blutenden Pfote seiner Schülerin.

"Ich habe mich an einem Stein geschnitten", miaute Himmelspfote und zog ihre Tatze weg. "Das wird schon wieder."

"Nichts da, der Schnitt ist ganz schön tief. Du musst zu Ottersee."

Himmelspfote rollte mit den Augen.

"Dahin sind wir ja auch unterwegs."

Während Rußnarbe ziemlich genervt aussah, nickte Gelbschweif verständnisvoll.

"Dann gehen wir."



Der Heilerbau war wie leer gefegt, als Schmutzpfote mit ihrer Schwester eintrat.

"Ottersee? Bist du hier?", fragte sie in den Bau hinein. Ganz hinten im letzten Winkel regte sich etwas.

"Ohje, was braucht ihr denn? Ich bin spät dran", miaute die braune Heilerin geschäftig.

"Himmelspfote hat sich am Pfotenballen geschnitten", erklärte Schmutzpfote und ließ ihre Schwester vorsichtig auf den Boden. "Wozu bist du spät dran?"

"Zum Halbmondtreffen der Heiler", sagte die Kätzin und sah sich die blutverkrustete Pfote an. "Der Weg ist lang."

Gekonnt leckte die Heilerin die Wunde sauber, sah aber immer wieder zum Sonnenstand, wobei sie zunehmend nervös wurde.

"Schmutzpfote?"

"Ja?", meldete sich die getigerte Schülerin.

"Ich habe dich nicht umsonst den letzten Mond ausgebildet. Rabenpfote ist gerade auf Kräutersuche, traust du es dir zu, die Wunde selbst zu behandeln?"

Überrumpelt starrte Schmutzpfote die Heilerin an.

"Ich? Ich bin doch keine Heilerin."

"Aber du hast deinen Heilermond fast fertig gemacht. Du kennst die richtigen Kräuter."

Ottersee wandte sich zu ihrem Kräutervorrat und würgte einige Zweige und Blätter herunter, wobei sie das Gesicht zu einer verkniffenen Grimasse verzog.

"Reisekräuter", erklärte sie kurz angebunden. "Schmecken ekelhaft. Ich muss jetzt unbedingt los, Schmutzpfote. Du schaffst das schon."

"Aber-"

"Nichts aber. Hab Vertrauen in deine Fähigkeiten. Du schaffst das", miaute die braune Kätzin, lächelte sie aufmunternd an und ließ die beiden Schülerinnen dann einfach stehen. Sie musste es wirklich eilig haben.

Schmutzpfote wandte sich ihrer Schwester zu, die sie erwartungsvoll ansah.

"Also? Wirst du mich versorgen, bevor ich verblute?", neckte die weiße Kätzin sie mit einem verschmitzten Grinsen.

Schmutzpfote rollte mit den Augen, konnte sich ein Lächeln aber nicht verkneifen.

"So schlimm können die Schmerzen ja nicht sein, wenn du schon wieder Scherze machst."

Obwohl ihre Pfoten zitterten, als sie die Kräuter aus dem Vorrat holte, erkannte sie, dass Ottersee Recht hatte. Sie kannte die Heilmittel, die Himmelspfote helfen würden. Sie wünschte nur, sie würde nicht so oft zögern.

Die Paste war schnell zusammengemischt und auf Himmelspfotes Ballen aufgetragen. Ein paar Mal zuckte die weiße Kätzin zusammen, beschwerte sich aber nicht. Danach verband Schmutzpfote die Verletzung mit Spinnweben, wobei sie vermutlich ein paar zu viele Lagen verwendete. Der Verband sah viel unordentlicher aus, als jene, die Ottersee anbrachte, aber er erfüllte seinen Zweck.

"Danke", miaute Himmelspfote. "Ich hoffe das heilt rechtzeitig."

Verwirrt sah Schmutzpfote ihre Schwester an.

"Rechtzeitig wofür?"

"Für den Goldfeld-Wettbewerb, natürlich, du Spaßvogel." Himmelspfotes blaue Augen blitzten belustigt auf, aber Schmutzpfote war kurz das Herz stehengeblieben. Das Goldfeld...nachdem sie nun wusste, was dort geschehen war, war sie sich nicht sicher, ob sie jemals wieder dorthin wollte. Andererseits war die Goldwiese eine wichtige Nahrungsquelle für ihren Clan.

Doch dann fiel ihr Blick auf ihre geknickte Pfote und ein anderer Gedanke schlich sich kalt in ihren Kopf.

Ob ich überhaupt teilnehmen darf?




Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top