8. Kapitel

Als Schmutzjunges aus dem Versteck im Busch wieder auftauchte war der Regen in ein Nieseln übergegangen und die Wolken hatten sich etwas verzogen, allerdings traute sich das Sonnenlicht wohl noch nicht, durch den Nieselschleier zu linsen.

Das Lager kam dem Jungen leer und dunkel vor, die Katzen blieben lieber in ihren Bauen und ohne das Licht war das Zuahuse des SumpfClans längst nicht so freundlich, wie wenn die Sonne das Moos erhellte.

Eigentlich wusste Schmutzjunges nicht, was sie in diesem Moment fühlen sollte. Einerseits lasteten auf ihr noch immer die Schuldgefühle wegen Pfützenwassers Verletzung, andererseits war sie irritiert, von Sonnenstrahls seltsamen Verhalten. Seit dem Gedanken, ihn mit der Prophezeiung in Verbindung zu bringen, ließ es sie einfach nicht los. Im SumpfClan schien niemand an die Botschaft des SternenClans zu glauben, aber was, wenn an ihr doch etwas dran war? Was wenn Sonnenstrahl die Sonne aus der Prophezeiung war?

Schmutzjunges schluckte. Wenn die Prophezeiung stimmte, dann waren sie alle in Gefahr, vielleicht sogar auch der SeeClan.

Sie werden mich für verrückt halten, wenn ich sie davor warne.

Das Junge wünschte, sie könnte die Prophezeiung einfach vergessen, so wie sie manchmal vergaß, was sie am Morgen gegessen hatte. Was nützte es ihr, daran zu glauben, wenn ihr niemand Glauben schenken würde?

Bedrückt tappte Schmutzjunges über die schlammverschmierte Lichtung, einige Pfotenabdrücke bildeten vor ihr Linien wie Ameisenstraßen und der Regen begann nachzulassen. Eigentlich mochte Schmutzjunges ein schönes Unwetter, wenn sich alle in ihren Bauen zusammenkuschelten und es danach so herrlich frisch roch, als hätte jemand den Wald einmal durchgespült, aber heute war ihr einfach nur noch kalt. Sie fror bei jedem Windstoß, sodass sie beinahe schon das Gefühlt hatte, ihr Bauchfell würde zu kleinen Eiszapfen gefrieren.

Insgeheim fürchtete sich Schmutzjunges vor der Blattleere. Von Eichenglut wusste sie nämlich nicht nur über die Kälte und die Krankheiten, sondern auch über den Hunger. Jeden Blattwechsel, den der Älteste erlebt hatte, war in der Blattleere jemand am Hunger gestorben, zuletzt sogar seine eigene Gefährtin. Diese Geschichte war sehr traurig gewesen und Schmutzjunges wollte sich gar nicht vorstellen, wie sich ein solch bohrender, brennender Hunger wohl anfühlen mochte.

"Hallo Schmutzjunges!"

Die kleine Tigerkätzin wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, als sie von rechts jemand rief. Aus dem Schülerbau lugte Libellenpfote, der mit seinen strahlend weißen Flecken an diesem regengrauen Tag zu leuchten schien. Der Schüler winkte Schmutzjunges mit dem Schweif zu sich hinüber und begrüßte sie freudig. An seiner Brust fehlte von dem Grenzkampf ein ziemlich großes Stück Fell, Schmutzjunges hatte gehört, wie er von dem Kampf mit Flusspfote, einer SeeClan-Schülerin berichtet hatte. Sie war froh, dass Libellenpfote nicht ernsthaft verletzt worden war.

"Du bist ja pitschnass!", bemerkte der braun-weiße Kater und schob sie gleich darauf in den warmen, stickigen Schülerbau. "Wärm dich doch ein bisschen bei uns auf", miaute er und deutete mit einer Schweifgeste auf seine Baugefährten. Im Gegensatz zu anderen Tagen waren heute tatsächlich alle Schüler in ihren Nestern. Schwalbenpfote und Eulenpfote unterhielten sich wie immer, als wären sie ein gesamter Schwarm Spatzen, während Schilfpfote ruhig am Rand saß und sich den hellrot gestreiften Pelz leckte. Ihr Bruder Flügelpfote schien zu dösen, obwohl Schmutzjunges durch einen schmalen Spalt seiner Lider seine grasgrünen Augen erkennen konnte.

Schmutzjunges war erleichtert über die Wärme unter den beiden umgefallenen Bäumen. Diese begannen bereits, Moos anzusetzen, was gut war, denn so dichteten sich die Löcher, die Zugluft zuließen, von selbst ab. Die kleine Tigerkätzin schüttelte ihren Pelz um die Näse loszuwerden, hörte aber sofort wieder auf, als Schilfpfote protestierend von ihrer Wäsche aufblickte, da sie das Regenwasser abbekommen hatte.

"Entschuldigung", murmelte Schmutzjunges schnell und begann, ihre Pfoten trocken zu lecken.

Libellenpfote, der sie bisher nur angestarrt hatte, hob schließlich die Stimme.

"Die anderen hier müssen gleich raus, Flügelpfote und Schilfpfote zur Patrouille und Schwalbenpfote will mit Eulenpfote in die Pfützen springen. Wir könnten etwas spielen, was meinst du?"

Trotz der Kälte auf ihrer Haut wurde Schmutzjunges warm ums Herz. Libellenpfote wollte tatsächlich sein Versprechen einhalten. Schnell nickte sie und zum ersten Mal an diesem regnerischen, nassen Tag stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen.



"Bis später! Und schleppt ja keinen Schlamm in den Schülerbau, wenn ihr wiederkommt", verabschiedete Libellenpfote die beiden pfützenspringenden Schüler, wieder einmal zierte ein schelmisches Lächeln sein Gesicht.

Schließlich, als der Bua bis auf ihn und Schmutzjunmges leer war, drehte er sich zu ihr um.

"Ich dachte mir, wir könnten Moosball spielen, das war mein Lieblingsspiel als Junges", miaute der Kater mit einem fröhlich Klang in der Stimme. Schmutzjunges konnte sich den Kater gar nicht betrübt vorstellen, enthusiatisch wie er war.

"Ich würde gerne Moosball spielen", antwortete Schmutzjunges, und im nächsten Moment rollte ihr euch schon eine eiförmige, leicht bräunliche Mooskugel vor die Füße.

Ihr Jagdinstinkt meldete sich leicht, als sie den kleinen Ball kullern sah und sofort verfiel sie in ein etwas schiefes Kauern. Es war nicht einfach auf so unebenem Boden zu schleichen, wie würde es dann erst im Wald sein?

Schmutzjunges sprang ungelenkt ab und stieß die Mooskugel wieder zu Libellenpfote zurück, woraufhin sie im weichen Moosnest von Flügelpfote landete. Als sie aufstand, hatte sie einge Mooszweige im Fell, aber auf dem weichen Boden konnte sie sich wenigstens nicht verletzen.

Noch einigen Malen hin- und herschießen, fing Schmutzjunges zu grübeln an. Libellenpfote war begeistert bei der Sache, seine Pupillen waren rund, wie kleine, schwarze Seen, als er dem Moosball nachschlich und sich auf ihn stürzte.

"Libellenpfote, darf ich dich etwas fragen?"

"Natürlich darfst du." Der braun-weiße Kater nuschelte ein wenig, wegen dem Moos in seinem Maul.

"Warum spielst du überhaupt mit mir", wollte Schmutzjunges wissen und fing den Ball mit den Vorderpfoten, als Libellenpfote ihn ihr zuwarf. "Ich dachte, Schüler haben ganz wichtige Dinge zu tun und so."

"So wichtig nun auch wieder nicht. Eigentlich ist es immer dasselbe. Ich habe jetzt gerade meinen Heilermond abgeschlossen und mache jetzt meine letzten beiden Kampfmonde, so wie Eulenpfote und Schwalbenpfote. Wir jagen, wir patrouillieren. So spannend ist das gar nicht. Und erst die Morgenpatrouillen...glaub mir, nach deiner ersten Morgenpatrouille wirst du dich in die Kinderstube zurückwünschen."

"Ich freue mich auf meine Schülerzeremonie", meinte Schmutzjunges schlicht. So wie sich das anhörte, war Libellenpfote nicht gerne Schüler.

"Natürlich tust du das. Jedes Junge tut das." Schmutzjunges bemerkte einen traurigen Ton in seiner Stimme, und als sie aufblickte sah sie, wie Libellenpfote die Ohren hängen ließ.

"Was ist denn los?" Mit dem Moosball im Maul krabbelte sie zu dem Schüler hinüber.

Er seufzte.

"Der Grund, warum ich mit dir spiele, ist, dass mich das an meine Jungenzeit erinnert. Da war meine Schwester noch bei mir."

Er hatte ein Schwester?

Schmutzjunges blickte betroffen auf ihre getigerten Pfoten. Sie hatte nicht gewusst, dass er eine Wurfgefährtin gehabt hatte.

Was würde ich denn bloß tun, wenn meine Schwestern sterben würden?

Ein Teil von ihr wollte glauben, dass sich nichts ändern würde, aber das stimmte nicht. Himmelsjunges und Schwanenjunges waren gemein zu ihr, das war nicht zu bezweifeln, aber trotzdem wünschte sie ihnen nicht den Tod. ie liebte es, wenn sie sich am Abend alle zusammenkuschelten und das sanfte Atmen irer Schwester sie in den Schlaf lullte.

"Das tut mir leid...wie hieß sie denn?", wagte Schmutzjunges zu fragen. Einerseits war sie sehr neugierig, aber sie wollte Libellenpfote nicht zum Weinen bringen, weil sie ihn über seine tote Schwester ausquetschte.

"Wiesenjunges. Sie sah fast so aus wie ich, nur waren ihre Flecken etwas heller, so wie Sand. Wir haben immer gemeinsam gespielt, sie hat sich so sehr gefreut, Schülerin zu werden. Aber dann ist sie sehr krank geworden. Sie wollte nichts essen, hatte Fieber. Noch vor unserem sechsten Mond ist sie gestorben."

Libellenpfotes traurige Erzählung brachte sie fast selbst zum Weinen. Womit hatte ein unschuldiges Junges so etwas verdient? Wozu gab es überhaupt Krankheiten?

Wiesenjunges wird niemals eine Kriegerin werden...

Schmutzjunges fühlte sich nun auch wieder bedrückt, am liebsten hätte sie ihre erste Frage zurückgenommen, damit das fröhliche Spiel weitergehen konnte, aber dafür war es zu spät. Ihre Gedanken kehrten langsam wieder zu Pfützenwasser und Sonnenstrahls Geheimnis zurück, so wie die Schuld zurückkehrte und auf ihren Schultern lastete.

Schlussendlich hielt sie die Stille, die im Schülerbau herrschte nicht mehr aus. Sie musste Libellenpfote ablenken, damit er nicht mehr traurig war. In diesem Moment hatte sie ihren Entschluss bereits getroffen.

"Darf ich dich noch etwas fragen, Libellenpfote?"

"Sicher."


Schmutzjunges nahm ihren Mut zusammen. Von dem gab es in ihrem Körper nicht viel, aber für das sollte es reichen.

"Glaubst du, Schneeschweifs Prophezeiung könnte wahr sein?"

An diesem Tag fand Schmutzjunges heraus, was für ein fantastischer Zuhörer Libellenpfote war. Er hörte sich alles an, was sie zu erzählen hatte, von Eichengluts Geschichte, Pfützenwassers Einwänden und ihrem Verdacht bezüglich Sonnenstrahl, und er unterbrach sie nicht ein einziges Mal. Das einzige was er tat, war ab und zu zu nicken. Als sie geendet hatte, holte Schmutzjunges erst einmal tief Luft. Erneut füllte Stille den Bau, Libellenpfote schien zu überlegen.

"Sonnenstrahl ist schon eine sehr seltsame Katze, aber wir können ihn nicht einfach anschuldigen, ohne einen Beweis, das ist dir bestimmt klar."

Schmutzjunges nickte, ihr Herz machte wegen des "wir" in seinem Satz einen freudigen Sprung. Das hörte sich ja fast so an, als wäre Libellenpfote...ihr Freund.

"Wenn das war ist, was du hier erzählst, dann müssen wir mehr über ihn herausfinden."

"Aber wie denn?", fragte Schmutzjunges. Die Aussicht, ein wenig Detektiv zu sein, war verlockend, aber vermutlich stellte sie sich das alles viel zu einfach vor.

Libellenpfote zuckte mit den Schultern.

"Ich habe keine Ahnung."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top