35. Kapitel

"Bist du bereit?", flüsterte Sonnenstrahl Schmutzpfote gedämpft zu, während sie sich immer mehr dem von den Streunern eingenommenen Wiesenstreifen näherten.

Schmutzpfote wäre am liebsten umgedreht und hätte sich in ihrem Nest verkrochen, sie war absolut nicht bereit dafür, in einem wahrhaftigen Kampf anzutreten, wo ihr Gegner nicht stoppen würde, bevor seine Zähne ihre Kehle durchbohrten.

Als sie nicht antwortete, versetzte Sonnenstrahl ihr einen gut gemeinten Stupser, der die unachtsame Kätzinjedoch beinahe umwarf.

"Hab keine Angst. Dein Clan wird auf dich Acht geben. Gib einfach dein Bestes, du hast deine Kampfprüfung nicht umsonst bestanden", miaute der orangefarbene Kater leise und lief dann der Gruppe von SumpfClan-Katzen hinterher, die ihnen voraus gelaufen waren.

Schmutzpfote wusste, dass ihr Mentor Recht hatte, sie kannte alle grundlegenden Züge um sich zu verteidigen und anugreifen, aber dennoch brannte in ihr die Angst, in der Hitze des Gefechts alles zu vergessen. Nur hatte sie keine andere Wahl mehr. Ameisenstern selbst führte die Kampfpatrouille an, in seinen gelben Augen loderte die Wut, dass seine Gefährtin und Tochter so hinterhältig überfallen wurden. Der halbe Clan war mitgekommen, vielleicht sogar mehr Katzen, als für diesen Kampf notwendig gewesen wären, doch der Anführer des SumpfClans wollte den Streunern zeigen, dass sie nicht so einfach zu besiegen waren.

Nun waren die Eindringlinge schon so nahe, dass Schmutzpfote ihren beißenden Geruch aumachen konnte. Die SumpfClan-Katzen versteckten sich im blätterlosen Geäst des Waldes, getarnt durch die Schatten der Nadelbäume und musterten die Streuner lautlos. Schmutzpfote konnte an die neun Katzen erkennen, die, auf zwei Gruppen aufgeteilt, durch das Gras schlichen, und auf Beutesuche waren. Alle waren sie dünn und von erst kürzlich geführten Kämpfen gezeichnet. Eine Kätzin, die eine Gruppe anführte, trug sichtliche Verletzungen an Bauch und Flanke, so schwer, dass Schmutzpfote kaum glauben konnte, dass die braune Streunerin noch aufrecht stehen konnte.

Die Blattleere hätte eigentlich schon dabei sein sollen, ihren Platz der Blattfrische zu übergeben, aber diesen Blattwechsel schien es anders zu sein. Die Zeit der Kälte hatte noch nicht ansatzweise aufgehört und behielt den Sumpf weiterhin in ihrem eiskalten Griff. Kein Wunder, dass die Streuner keine Beute finden konnten und zu solchen Mitteln griffen.

"Macht euch bereit", wisperte Ameisenstern, seine Augen waren zu Schlitzen verengt. "Wir werden sie überrennen."

Schmutzpfotes Herz pochte ihr bis zum Hals. Sie sah zu ihren Clankameraden. Alle hatten sie ihre Pelze gesträubt und blickten begierig auf den Kampf zu den Streunern hinunter, selbst Himmelspfote schien sich auf das Kommende zu freuen. Doch noch bevor die braun getigerte Kätzin weiter nachdenken und sich fürchten konnte, gab Ameisenstern das Zeichen zum Angriff.

Wie eine Welle rannten die Krieger und Schüler des SumpfClans hinunter auf den Wiesenstreifen. Es war keine Zeit mehr, umzukehren, es war keine Zeit, um aufzugeben. Schmutzpfote legte einen Zahn zu, um zu ihrem Mentor aufzuholen.

Die Streuner auf der Wiese wirbelten fauchend herum, von Nahem waren ihre Körper nicht mehr so mager und in ihren Augen flackerte Zorn.

Der SumpfClan war wie eine Einheit, als er sich in den Kampf stürzte. Nur Schmutzpfote gehörte nicht dazu. Sie konnte niemanden angreifen! Es ging einfach nicht. Ihre Pfoten waren wie im Boden verankert, während sie zusah, wie Muschelklang sich vor ihr mit einem grau getigerten Kater anlegte und ihn auf seinen Bauch zwang. Die beiden rangen heftig miteinander, sodass sie Schmutzofite beinahe umstießen, die sich immer noch nicht bewegen konnte. Ihr erschrockener, gelber Blick strich über das Gefecht, Staub wirbelte auf und verdeckte die schmerzverzerrten Gesichter und das Blut, dass auf den Boden tropfte. Ihr Blick blieb an der braunen Kätzin mit den Wunden hängen, die sie vorhin schon entdeckt hatte.

Die Fremde beteiligte sich noch nicht wirklich, schaffte sie es doch mit beeindruckender Lwichtigkeit, sich Rußnarbes Angriffen immer wieder zu entziehen und ihn schließlich in einen Baumstumpf zu rammen.

Ein schwarzgrauer Kater rannte auf die braune Kätzin zu, Schmutzpfote konnte fast nicht verstehen was er sagte.

"Schlick! Du hast nicht gesagt, dass es so viele sein würden!", jaulte der Fremde, dem das Blut von der Wange troff.

"Es ist nicht die Zeit, um Fragen zu stellen! Hilf Schlange, du Mäusehirn!", fauchte die Braune und schickte ihren Kameraden somit wieder in den Kampf. Dann ließ sie ihren Blick schweifen. Schmutzpfote schluckte. Schlick sah sie an, mit einem scharfen bernsteinfarbenen Blick. Und sie grinste.

Nein!

Verzweifelt versuchte Schmutzpfote, sich aus ihrer Schockstarre zu befreien, als die Streunerin auf sie zu sprintete. Das hier war nicht wie im Training, das hier war viel schlimmer. Und wenn sie versagte, würde sie keine zweite Chance bekommen.

Schlick war beinahe bei ihr angekommen, als eine scharfe Stimme an das Ohr der Schülerin drang.

"Duck dich! Wie wir es geübt haben!", brüllte Sonnenstrahl, der von einer orange-getigerten Katze in Schach gehalten wurde.

Aber es half. Schmutzpfote konnte Schlicks Geruch schon in irer Nase wahrnehmen, als sie sich im letzten Moment zur Seite fallen ließ und sofort wieder aufsprang. Schlick sauste an ihr vorbei, ihre Krllen gruben sich in den Boden. Die Kätzin war klein für eine ausgewachsene Katze, fast genauso groß wie Schmutzpfote selbst.

"Netter Trick", höhnte die Streunerin, bevor sie sich ernaut auf Schmutzpfote stürzte. Dieses Mal konnte sie nicht ausweichen und ein stechender Schmerz schoss durch ihr Ohr. Warmes, klebriges Blut floss an ihrer Wange herunter und die Wunde begann sofort zu pochen.

Die SumpfClan-Schülerin wich vor Schlicks Schlägen zurück, es passierte genau das, was sie befüchrtet hatte. Sie sah die Hiebe kommen, doch sie wusste nicht, was sie tun sollte, welchen Zug sie anwenden sollte. Es war, als würde die Zeit um sie herum schneller laufen, nur sie war langsam und träge, unfähig, den nächsten Schritt ihrer Gegnerin vorrauszusehen.

Mit einem Mal stolperte Schmutzpfote über eine Erhebung in der Erde, sie war bis zum Waldrand zurückgewichen, eingekesselt zwischen den Wurzeln einer Föhre, ohne Ausweg. Ihr Herz zersprang beinahe in ihrer Brust, und ihre Beine versagten ihr den Dienst, während Schlick weiter Schläge auf ihre Schultern und ihre Ohren herabhageln ließ.

Das wars jetzt...wenn ich Glück habe, wache ich bei Himbeerpfote wieder auf...wenn nicht dann...woanders, dachte Schmutzpfote verängstigt und wartete darauf, dass Schlick ihre fehlende Verteidigung ausnutzte, doch auf einmal wurde die braune Kätzin von jemandem zu Boden gerissen.

"Sonnenstrahl!", keuchte Schmutzpfote außer Atem.

"Nimm deine dreckigen Pfoten von meiner Schülerin!", fauchte der orangefarbene Kater und schlitzte mit seinen stark gebogenen Krallen Schlicks Wange auf. "Hinter mich, Schmutzpfote! Rücken an Rücken!", befahl er ihr und Schmutzpfote gehorchte. Seine Anweisungen waren genau das, was sie brauchte.

In dem Moment, wo sie an Sonnenstrahls Seite sprang, sah sie auch den Grund für seine Taktik. Die orange gestreifte Kätzin, mit der er zuvor gekämpft hatte, war auf ihrem Weg zu ihnen. Sonnenstrahl würde unmöglich mit zwei Katzen gleichzeitig kämpfen können.

Orangefarbene und braune Fellfetzen flogen durch die Luft, als Sonnenstrahl Schlick von sich schleuderte. Schmutzpfote presste sich in seinen Pelz, die beiden gegnerischen Kätzinnen begannen, sie und ihren Mentor zu umkreisen.

"Ihr seid ein gieriges Pack!", schimpfte Schlick und wischte sich über das blutverschmierte Auge.

"Und ihr seid unehrenhafte Kämpfer!", gab Sonnenstrahl zurück. "Vergreift euch an denen, die schwächer sind als ihr!"

"Wie sollen wir denn sonst gewinnen?", spottete die orange Getigerte und stürzte sich von hinten auf Sonnestrahl. Im selben Moment setzte auch Schlick zum Angriff an.

Nein, das wirst du nicht tun, du Ratte!

Schmutzpfote fauchte und wagte einen Sprung auf die hinterhältige Angreiferin zu. Diese wich, offenbar überrascht, zurück, doch ließ sie sich das nicht lange anmerken und ging erneut zu einer Attacke über.

Blitzende Krallen schwangen durch die Luft, aber mit Sonnenstrahl hinter ihr fiel es Schmutzpfote leichter, sich an ihre Züge zu erinnern. Sie duckte sich weg, ließ die Fremde nicht aus den Augen und fuhr die Krallen aus. Es war kein Training, das stimmte. Es war viel wichtiger. Diese Katzen hielten sich nicht an das Gesetz, niemand von diesen Streunern würde sie gehen lassen, wenn sie am Boden lag. Und genau deshalb musste sie ihr Bestes geben.

Mit aller Kraft, die die Schülerin noch aufbringen konnte, ließ sie ihre Klauen auf den Kopf der Kätzin hinabsausen, sie hörte Haut reißen und einen schmeerzerfüllten Aufschrei. Als die braun getigerte Kätzin das Blut an ihren Krallen sah, wurde ihr übel, aber es blieb ihr keine Zeit, sie zu säubern. Der Schmerz in den Augen ihrer Gegnerin wich glühendem Zorn.

Natürlich reichte ein Schlag nicht aus, um sie loszuwerden, aber trotzdem war Schmutzpfote ein bisschen stolz auf sich selbst und ließ sich in ein Kauern fallen, das ihren Bauch beschützte, ganz wie Sonnenstrahl es ihr beigebracht hatte. Sie hatte vergessen, dass sie in so einem Kampf niemals alleine sein würde. Ihr Clangefährten waren dabei, die Streuner zu besiegen.

Ich bin niemals allein. Wenn ich in Gefahr bin, werden sie mir helfen, sprach Schmutzpfote sich vor, bevor sich ihre Gegnerin mit einem Kampfschrei auf sie warf und sie umkegelte. Absichtlich hatte Schmutzpfote sich nicht umwerfen lassen, sie war ein bisschen zu langsam gewesen, aber sie machte das Beste darauf und schlug ihre Zähne in das Vorderbein, das ihr am nächstem kam. Die fremde Kätzin heulte auf und schnappte nach ihren Ohren, bis ihre Kiefer sich schmerzhaft fest um Schmutzpfotes Ohrspitze klammerten. Die Schülerin jaulte auf und befreite ihr Hinterbeine, mit denen sie der Orangefarbenen mit aller Kraft in den Bauch trat.

Ihr Griff lockerte sich. Die Streunerin würgte und taumelte von Schmutzpfote herunter, bevor sie sich im Gras erbrach. Die SumpfClan-Kätzin rappelte sich schnell auf, doch es sah nicht so aus, als ob sie noch einmal kämpfen musste. Die Streuner rannten nach und nach davon und als die orangefarben Getigerte ihre Gefährten fliehen sah, folgte sie ihnen auf wackeligen Beinen.

Ich habe es geschafft!

Ein Rausch an überwältigenden Gefühlen floss über Schmutzpfote hinweg. Ihr Clan war dabei, zu gewinnen, und sie hatte geholfen!

Doch dann hörte sie hinter sich wieder das bösartige Fauchen von Schlick und wirbelte herum. Die Streunerin und Sonnenstrahl hatten sich zu einem engen Knäul verkeilt, bissen, kratzten und traten sich gegenseitig, aber Sonnenstrahl gewann die Oberhand. Er war stärker als die vom Hunger geschwächte Kätzin und teilte einen Hieb nach dem anderen aus. Schlick blutete, die rote Flüssigkeit rann ihr aus dem Maul, und ihre Augen drohten, glasig zu werden, als Sonnenstrahl sie losließ.

"Und nun verschwinde!", knurrte er die braune Kätzin an, die, kaum fähig, zu stehen, ihre Pfoten sortierte und Blut hustete.

"Das werdet ihr bereuen", fauchte die Kätzin. Wäre sie nicht eine Feindin des Clans, hätte Schmutzpfote ihren Kampfgeist bewundert. Aber Schlick war klar geschlagen und das wusste sie. Humpelnd und wackelig auf den Beinen machte sich die Streunerin davon und wurde dabei von vielen Augen beobachtet. Nur sie war noch übrig gewesen.

Der Wiesenstreifen gehörte wieder dem SumpfClan.

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