31. Kapitel
Es war schon fast dunkel als sich Schmutzpfote in ihr Nest fallen ließ. Himmelspfote lag ebenfalls schon im Bau und schnarchte leise bei jedem Ausatmen. Der Tag war anstrengend für sie beide gewesen. Doch kaum hatte sie sich hingelegt, überkam sie das Gefühl, als hätte sie etwas vergessen.
Ich habe Eichengluts und Aschenweides Nester sauber gemacht, sie von Flöhen befreit und ihnen Beute gebracht...das war doch alles, oder?
Verwirrt blickte sie nach draußen, auf den Mond der zwischen den Wolken ab und zu auftauchte, Bald würde Mondhoch sein.
Mondhoch? Oh nein! Ich habe das Treffen mit Graupfote vergessen!
Innerlich fluchend rappelte sie sich wieder auf und linste hinaus auf die Lichtung. Alles leer. Zumindest jetzt, aber Schmutzpfote wusste, dass wie jede Nacht eine Wache auf dem flachen Stein vor dem Lagereingang sitzen würde.
Wie komme ich nur an der vorbei? Und ich hab doch auch noch Lagerarrest, wenn mich jemand erwischt oder auch nur riecht bin ich geliefert.
Wenigstens getarnt durch ihren dunkel Pelz schlich sie vor den Bau, empfangen von der eisigen Nachtluft und einer Brise, die ihre Schnurrhaare erzittern ließ. Der Boden war immer noch überall nass, aber nicht mehr so stark gefroren, wie kurz nach dem Schneesturm. Nur sank Schmutzpfote nun viel tiefer in den Schlamm ein und hatte Mühe, sich lautlos zu bewegen. Der Schmutzplatz war wohl der unauffälligste Platz, wo sie sich hinausschleichen konnte, aber dabei musste sie an der Kinderstube vorbei, und die Königinnen waren immer so leicht aufzuwecken.
Ich muss wohl trotzdem. Ich darf nicht riskieren, dass Sonnenstrahl mich sieht, dachte die getigerte Kätzin leicht bitter und setzte ihren Weg fort. Schließlich musste jeder mal auf den Schmutzplatz...es durfte nur niemand sehen, dass sie nicht zurückkam.
Aufregung kribbelte unter ihrem dünnen Pelz und sie bemerkte, wie die anfängliche kühle Luft langsam unter ihre Haut kroch und ihre Pfoten zum Zittern brachte. Es war kälter als gedacht.
Schmutzpfote wusste nicht, warum das Treffen ihr so wichtig war. Graupfote hatte es einfach angesetzt ohne sich abzusprechen und trotzdem kam es ihr nicht in den Sinn, ihn alleine am Ufer stehen zu lassen. Wie würde er da nur von ihr denken? Und außerdem hatte er ihr Leben quasi ihr Leben gerettet, sie musste diesen miesen ersten Eindruck wieder wett machen.
Sie hatte Glück, auf der Lichtung begegnete ihr niemand und als sie durch den Gang zum Schmutzplatz schlüpfte war sie auch dort allein. Nun sicher, dass sie hier vorerst niemand entdecken würde, überlegte die Schülerin, wie sie durch den Lagerwall kommen sollte. Die dornigen Äste waren kunstvoll und dicht verwoben und selbst wenn sie sich ganz nah an den Boden presste, passte sie nicht durch die größte Lücke, die sie finden konnte, es ging sich um ein paar Schnurrhaarlängen nicht aus. Trotzdem versuchte sie es und scherte dabei die matschige Erde unter sich weg.
Oh, das ist eine gute Idee!
Mit jeder Pfote Schlamm, die sie beiseiteschob wurde das Loch größer, bis sie schließlich hindurchpasste. Matschverschmiert, aber doch.
Vor ihr erstreckte sich der Nadelwald voll mit Föhren, Fichten und Tannen, doch er sah ganz anders aus, als sie ihn in Erinnerung hatte. Unheimliche, formlose Schattenfiguren tanzten zwischen den Bäumen und Geräusche, die sie zuvor nie bemerkt hatte hallten zu ihr herüber. War das eine Eule...oder doch etwas anderes?
Nicht darüber nachdenken...das macht dir nur noch mehr Angst, beschwor Schmutzpfote sich selbst und zwang sich an den Waldrand, wo sie weit genug von Leopardenschweif, der Wächterin weg war, und in den Schatten verschwinden konnte.
Bitte sieh nicht herüber.
Schmutzpfote beeilte sich, hinter den seichten Hügel zu kommen, der den Blick auf den See vom SumpfClan-Lager aus verbot. Das Moos des Waldes schmatzte bei jedem Schritt und saugte ihre Pfoten in den Boden ein. Das seltsame Geräusch fing sich in den knorrigen Ästen, die nach ihr zu greifen schienen, und warfen es zu ihr zurück, was sie verunsicherte, da es ihr viel zu laut vorkam.
Am Ufer ist nur Kies, der macht nicht so viel Lärm.
Nachdem sie außer Sichtweite von Leopardenschweif war, entspannte sich die getigerte Kätzin ein wenig, aber sie konnte sich nicht vollkommen beruhigen, bis sie bei Graupfote und nicht mehr alleine war. Der Gedanke, dass irgendetwas hinter einem Baum versteckt auf sie lauern könnte, machte sie ganz verrückt.
Es war nicht mehr weit bis zum neuen, durch die Flut hervorgerufenen Ufer, und Schmutzpfote legte noch einen Zahn zu. Der Schlamm auf ihrem Pelz ließ sie frösteln und der Mond war bereits fast bei seinem Zenit angelangt.
Keuchend und mit kalten Pfoten bremste die Schülerin am Kiesufer ab und schöpfte erst mal Atem, der ihr in einer eisigen Wolke vor dem Maul schwebte. Der Rest des Weges war im Vergleich zum Wald ein Leichtes, es gab weder Schatten, noch Matsch oder Moos, das sie aufhielt, nur knirschenden Kies und Mondlicht, das von der stillen Oberfläche des Sees reflektiert wurde.
Bald kam der Baum in Sicht, auf dem Schmutzpfote am gestrigen Tag rumgelungert hatte und zu ihrer Erleichterung sah sie auch die bereits vertraute, flauschige Silhouette am Ufer stehen.
Als sie auf den SeeClan-Schüler zukam, drehte Graupfote sich um und seine breite Schnauze kräuselte sich zu einem Lächeln.
"Du bist doch noch gekommen!", miaute er, und Schmutzpfote war überrascht, wie sehr er sich darüber zu freuen schien.
"Es tut mir so leid, ich musste mich rausschleichen. Und dann war der Lagerwall so dicht, dass ich nicht rauskonnte und..."
"Schon gut, schon gut, du musst dich nicht entschuldigen. ", beschwichtigte sie der gefleckte Kater. "Deswegen wohl der Schlamm oder? Ehrlich gesagt dachte ich auch erst, dass ich zu spät bin."
"Oh...", murmelte Schmutzpfote und spürte, wie ihr das Blut heiß vor Verlegenheit in die Ohren schoss. Auch wenn das Wasser eisig kalt war, spülte sie sich den Matsch im See ab, und leckte sich eilig trocken.
Kurz herrschte peinliches Schweigen. Sie hatte sich zwar gefreut, Graupfote zu sehen, aber eigentlich wusste sie gar nicht, über was sie mit ihm reden konnte. Sie kannten sich ja kaum und außerdem war sie och nie gut darin gewesen, ein Gespräch zu beginnen.
"Also...wollen wir am Ufer spazieren gehen?", fragte dann der graue Kater und Schmutzpfote nickte erleichtert, dass er zuerst etwas gesagt hatte.
Die beiden tappten am Wasserrand entlang, wieder begleitet von ein bisschen Stille, bis sich die SumpfClan-Schülerin einen Ruck gab.
"Und? Worüber wolltest du noch sprechen, bevor deine Clangefährtin aufgetaucht ist?", fragte sie, wurde beim Ende des Satzes aber ohne es zu wollen immer leiser.
"Weiß ich auch nicht mehr so richtig. Aber es war nett, mich mit jemandem zu unterhalten, der mich noch gar nicht kennt."
"Achso? Wieso denn?"
"Du kennst doch meine beiden Geschwister, Flusspfote und Zitterpfote? Die beiden sind...ein Fall für sich. Flusspfote schafft keinen Tag ohne in Schwierigkeiten zu geraten und Zitterpfote verschwendet keinen Gedanken an seine Krankheit und kennt seine Grenzen nicht. Ich muss ständig auf sie aufpassen und alle erwarten genau das von mir, als wäre ich ihr Vater", miaute der Kater, und obwohl seine Geschwister und seine Clangefährten in diesem Fall das Problem zu sein schienen, vernahm Schmutzpfote keinen Hauch von Bitterkeit in seiner Stimme. Bewundernswert.
"Das tut mir leid. Meine beiden Schwestern sind auch keine Musterschüler, aber immerhin bin ich nicht für sie verantwortlich", murmelte die getigerte Kätzin. Es musste schwer sein, auf seine Geschwister aufzupassen, seit man ein Junges ist. Ihr war klar, dass das eigentlich der Job der Mutter oder des echten Vaters war, aber sie traute sich nicht, Graupfote nach seinen Eltern zu befragen.
"Ja...alle sehen mich immer so an,als wäre es meine Schuld, wenn Flusspfote mal wieder was angestellt hat. Die einzige, die mich versteht ist Fleckengesicht. Sie ist total toll." Ein leicht verklärter Gesichtsausdruck trat in Graupfotes Ausdruck.
"Ist das nicht die Kriegerin, die dich gestern aufgegabelt hat?", entgegnete Schmutzpfote, mit der Erinnerung im Hinterkopf, dass die schwarz-weiße Kätzin erst vor kurzem ernannt worden war.
"Genau! Aber jetzt habe ich nur über mich geredet, was ist mit dir? Ich bin ja nicht der einzige, der mit ein paar Sachen zu kämpfen hat, nachdem, was ich gestern gesehen habe."
Schmutzpfote legte verlegen die Ohren an. Wie konnte Graupfote nur so bedacht sein. Sie wäre unfassbar dankbar, wenn sie so passend ihre Worte wählen konnte, wie er.
"Naja...ich habe ein paar Probleme mit meinem Mentor", antwortete sie zögerlich. Es war ungewohnt, jemandem davon zu erzählen, was in ihr vorging und sie fühlte sich so verletzlich dabei.
"Wieso das denn? Ist dein Mentor nicht der orangefarbene Kater mit den weißen Pfoten...ähm...Sonnen-irgendwas?"
"Ja, das ist er. Und sein Name ist Sonnenstrahl", miaute Schmutzpfote, unsicher, wie viel sie verraten konnte, ohne dass sie die Prophezeiung erwähnen musste. "Ich weiß auch nicht...man weiß nie, was er als nächstes macht, manchmal ist er gut gelaunt oder zumindest neutral und im nächsten Moment ist er sauer und griesgrämig und dann schreit er mich an."
Allein darüber zu reden trieb ihr wieder die Frusttränen in die Augen. Sie hatte gedacht, sie hätte während dem Klettern mit Sonnenstrahl Fortschritte mit ihm gemacht, aber all das war jetzt zunichte gemacht worden.
"Hört sich ja gar nicht gut an. Rauchblüte schreit nie, aber das nur, weil sie nicht mehr sagt als unbedingt notwendig."
"Das ist auch nicht gerade ideal. Ich dachte nur, dass ein Schüler eine Verbindung zu seinem Mentor haben sollte, und ich bekomme einfach nicht hin, dass er mich mag...oder stolz auf mich ist." Schmutzpfotes Ton kam ihr jämmerlich vor, aber sie konnte es nicht verhindern.
Graupfotes Nase berührte sie sachte am Ohr.
"Hey, nicht traurig sein. Das wird bestimmt schon noch. Du bist doch erst seit ganz kurzer Zeit Schülerin, und du kennst ihn noch gar nicht richtig. Vielleicht solltest du ein paar seiner Verwandten oder Freunde befragen, was er gerne mag, damit du dir leichter tust, mit ihm zu reden", schlug der gescheckte Kater vor, seine grünen Augen blitzten aufmunternd.
"Das ist gar keine schlechte Idee", gab Schmutzpfote nachdenklich zu. Es war ein guter Anfang, nur gab es ein Problem. Sonnenstrahl hatte keine Freunde und die Schülerin hatte keine Ahnung, mit wem er verwandt war. In seiner Familiengeschichte rumzuschnüffeln kam ihr falsch und viel zu neugierig vor, aber was hatte sie für eine Wahl.
Etwas hoffnungsvoller sah sie zu Graupfote hinauf.
"Danke, Graupfote. Du hast Recht, es ist wirklich schön, mit jemandem zu reden, der einen nicht kennt."
Die getigerte Kätzin sah hinauf zum Himmel und erkannte enttäuscht, dass der Mond dabei war, unterzugehen. Sie hatte keine Sekunde geschlafen, und das würde sich mit Sicherheit beim Training bemerkbar machen, aber viel schlimmer war, dass sie mit Graupfote nicht noch weiter plaudern konnte.
"Ich muss jetzt nach Hause...", murmelte sie und blickte zurück zum Hügel, den sie durch die Bäume gerade noch sehen konnte.
"Ich auch", maunzte der Kater und sah ebenfalls zu seinem Territorium. "Danke, dass du gekommen bist, auch wenn du mich nicht kennst."
"Ich bin auch froh, dass ich hier war", gab Schmutzpfote zu und tappte auf den Wald zu, drehte sich dann aber nochmal um. "Graupfote? Sind wir jetzt eigentlich Freunde?"
Der SeeClan-Schüler, der schon fast im Schilf verschwunden war, wandte sich zu ihr, seine bepinselten Ohren zuckten freudig. "Ich glaube schon. Bis zum nächsten Mal, Schmutzpfote."
Und dann war er verschwunden, ihr neuer Freund.
Bis zum nächsten Mal, Graupfote.
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