29. Kapitel

Schmutzpfote hatte die Augen noch nicht einmal geöffnet, da tat ihr schon alles weh. Ihre Muskeln ziepten und schmerzten bei jeder Bewegung und kamen ihr steif vor, als sie sich aus ihrem Nest hievte.

"Du siehst aus, als hättest du auf einem Donnerweg geschlafen", kam von der Seite Himmelspfotes neckischer Kommentar zu ihren eckigen Bewgungen.

"Haha, sehr witzig. Du bist ja auch nicht in einem eiskalten See geschwommen", gab die braun getigerte Kätzin zurück und versuchte, die Muskelschmerzen durch ein Schütteln loszuwerden.

Himmelspfote sprang aus ihrem Mooshaufen und stupste ihr gegen die Schulter. "Du bist ja gar nicht geschwommen, du bist untergegangen." Dabei trug sie ein belustigtes Grinsen auf den Lippen.

"Na warte, ich geb dir gleich untergegangen!" Schmutzpfote lachte und warf sich auf ihre Schwester. Eine Weile rangen sie im Moos, bis sie Himmelspfotes Schnauze ins Moos drückte. "Und? Gibst du auf?"

"Niemals!"

Auf einmal bäumte sich die weiße Kätzin auf, Schmutzpfote verlor das Gleichgewicht und landete lachend auf dem Rücken. Himmelspfotes Tatzen stellten sich auf ihre Brust.

"Wer ist jetzt die Stärkere, hm?", kicherte sie.

"Du, ich geb's ja schon zu, du bist stärker!" Himmelspfote kitzelte sie leicht mit ihren Krallen, doch ließ sie dann los. Etwas lockerer rappelte sich die Tigerkätzin auf. "Das war ein toller Trick, hat Gelbschweif dir den gezeigt?"

"Ja, hat er. Er hat gesagt, ich bin ein Naturtalent." Vor stolz schwoll Himmelspfotes flauschige Brust an. "Und heute gehen wir zum Goldfeld Mäuse fangen!"

Bei "Goldfeld" horchte Schmutzpfote auf.

"Ihr geht wirklich dorthin?" Um das Goldfeld rankten sich im SumpfClan viele Geschichten von einer Unmenge an Mäusen die dort hausten und so einfach zu fangen waren wie Fische in einer Pfütze.

"Ja, sonst würde ich es ja nicht sagen, Dummerchen. Du solltest Sonnenstrahl fragen, ob du mitgehen darfst, dann können wir gemeinsam gehen!"

"Das ist eine tolle Idee!", miaute Schmutzpfote begeistert. Sie wollte wirklich gerne das Feld sehen um das Schwalbenpfote und Libellenflügel vor einiger Zeit so hart gekämpft hatten und vielleicht schaffte sie es ja dann auch endlich, ihre erste Beute zu machen, wenn es wirklich so einfach war, dort Mäuse aufzustöbern. "Ich frage ihn gleich!"

Draußen auf der Lichtung war es kühl und die Luft war feucht. Hellgraue Wolken zogen ihn dichten Bahnen über den Himmel und ließen nur ab und zu einen Flecken Blau hindurch. Acuh wenn die Blattleere gerade erst angefangen hatte, hatte Schmutzpfote schon genug von dem verrückt spielenden Wetter. Schnee war nicht so toll, wie sie sich das ausgemalt hatte, als sie ein Junges gewesen war.

Mit aufgestellten Ohren hielt die Schülerin Ausschau nach ihrem Mentor. Es war ziemlich früh, aber trotzdem entdeckte die Tigerkätzin Sonnenstrahls orangefarbenes Fell auf der Lichtung. Der Kater saß aufgeplustert bei Gelbschweif und Muschelklangbund teilte sich mit ihnen ein Kaninchen, das von gestern noch übrig geblieben war.

Schmutzpfote tappte auf die kleine Gruppe zu und wartete höflich, bis Sonnenstrahl sie von sich aus bemerkte, damit sie das Gespräch nicht unterbrach. Schließlich drehte der Kater sich zur ihr und begrüßte sie mit einem Kopfnicken.

"Schmutzpfote, was kann ich für dich tun?", miaute der Krieger.

"Himmelspfote sagt, sie geht heute zur Goldwiesen jagen. Können wir auch dort hingehen?", fragte Schmutzpfote, ihr Schweif zuckte aufgeregt hin und her.

"Nein." Auf einmal wurde Sonnenstrahls goldener Blick hart wie Stein und das anfängliche Lächeln, mit dem er sie empfangen hatte verschwand.

"Was? Warum nicht?" Die Tigerkätzin konnte den empörten Ton in ihrer Stimme nicht verbergen.

"Weil...", setzte Sonnenstrahl an, doch Gelbschweif, der neben ihm saß, unterbrach ihn.

"Komm schon, Sonnenstrahl, es ist vollkommen ungefährlich. Irgendwann muss Schmutzpfote das Goldfeld kennenlernen. Besser jetzt wenn der Weizen kurz ist."

Kurz schien es so als wollte Sonnenstrahl den golden getigerten Kater mit seinem Blick umbringen, aber nach einer kleinen Pause schien er über die Worte nachzudenken.

"Von mir aus", grummelte er schließlich, aber Schmutzpfote sah, dass das Fell in seinem Nacken hochstand.

Was ist nur los mit ihm?

Lange hatte Schmutzpfote nicht Zeit um über Sonnenstrahls seltsames Verhalten nachzudenken, denn Himmelspfote kam aus dem Schülerbau hinzu.

"Und? Kommt ihr mit?", fragte die Kätzin mit dem grau gesprenkelten Pelz und blickte Schmutzpfote fragend an.

Die Tigerkätzin zuckte mit den Schultern.

"Sieht so aus."

Es war ihr lieber, auf dem Goldfeld mit Himmelspfote Spaß zu haben, als sich über ihren Mentor den ganzen Tag den Kopf zu zerbrechen.



Das Goldfeld war wahrhaftig...enttäuschend. Kein goldenes Gras war zu sehen, keine Körner auf dem Boden, nur braune Erde die in regelmäßigen Bahnen aufgehäuft war, gespickt von kurzen, stacheligen Halmen, die kaum länger als eine Kralle waren.

"Das ist es? Das soll das Goldfeld sein?", fragte Schmutzpfote ungläubig. Es war rein gar nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte.

"In der Blattleere sieht es nunmal so aus", antwortete Gelbschweif. "Die Zweibeiner machen in der Blattfrische irgendetwas, das hier massenhaft Weizen wachsen lässt und später schneiden sie es ab. Aber die Mäuse gibt es trotzdem, sie sind nur gut versteckt. Komm, Himmelspfote, ich zeige dir ein paar Jagdübungen, bevor wir anfangen."

Damit tappte der goldene Krieger mit Himmelspfote ein Stück weit ins Feld und erklärte ihr, was sie beachten musste.

Gerade wollte Schmutzpfote ihnen hinterhergehen, da spürte sie Sonnenstrahls Schweif vor ihrer Brust, der sie zurückhielt.

"Du bleibst hier. Meinetwegen kannst du jagen, aber du wirst dieses Feld nicht betreten, hast du verstanden?" Noch nie war Sonnenstrahls Stimme so ernst und eindringlich gewesen, sein Ton jagte Schmutzpfote einen eisigen Schauer über den Rücken.

"Verstanden", stotterte Schmutzpfote, unfähig, dem Blick ihres Mentors länger standzuhalten.

"Gut", war die einzige Antwort die sie bekam, bevor Sonnenstrahl sich ebenfalls auf den Weg machte, um zu jagen, aber in den Wald, nicht auf die Goldwiese.

Schmutzpfote blickte ihm ratlos hinterher. Es war, als wären sie sich wieder vollkommen fremd und einmal mehr fiel ihr auf, wie sehr sie sich von ihrer anfänglichen Mission, nämlich Sonnenstrahls Plan mit Schneeschweif herauszufinden, entfernt hatte. Es war ihr unmöglich vorgekommen, dass ihr Mentor dem SumpfClan etwas antun würde, aber sein Verhalten erinnerte sie wieder an seine kalte, abweisende Seite, mit der sie ihn kennengelernt hatte.

Ich darf mich nicht mehr ablenken lassen...vielleicht gehört das zu seinem Plan. Schneeschweif ist eine Geisterkatze. Bestimmt weiß er genau, was ich hier tue und hat Sonnenstrahl vorgewarnt.

Der Gedanke, von Schneeschweif, einem Mörder und Verräter beobachtet zu werden, drehte ihr den Magen um, dabei hatte sie noch nicht einmal etwas gegessen.

Schmutzpfote schüttelte den Kopf um den Wirbel an Pessimissmus in ihrem Kopf zu stoppen und sich zu konzentrieren. Sie musste einfach weiterhin versuchen, Sonnenstrahls Vertrauen zu gewinnen. Sie musste sich bemühen, endlich ihre erste Beute zu machen.

Sie atmete einmal tief durch und reckte die Nase in die Luft um die Gerüche auf der Wiese besser aufnehmen zu können. Sie brauchte nicht lange um die Spur einer Maus zu entdecken, die nicht von dem verbotenen Feld kam. Ihr Magen knurrte leise vor sich hin, der Duft der Beute war einfach zu verlockend.

Die Tigerkätzin kauerte sich hin und folgte der Geruchsspur so leise wie sie konnte und nutzte die Büsche als Deckung, auch wenn sie gar keine Blätter hatten. Der kleine, braune Mausekörper der kurz darauf in Sicht kam, war unheimlich beschäftigt damit, eine Haselnuss in ihr viel zu kleines Mäulchen zu stopfen.

Schmutzpfote ließ die Maus nicht aus den Augen und sortierte ihre Pfoten einzeln in die richtige Position. Das war ihre Chance, ihre erste Beute zu machen, und diese würde sie bestimmt nicht versauen. Krampfhalt hielt sie ihren Schweif still und versuchte, ihren Atem nicht mehr so laut auszustoßen, bevor sie lossprang. Das Gras raschelte unter ihren Tatzen und die Maus raste innerhalb eines Augenblicks davon.

Nein! Diesmal nicht!

Schmutzpfote stieß sich von ihrem Landepunkt erneut ab und setzte zur Verfolgung an. Die Maus durfte ihr einfach nicht entwischen!

Die Zweige des Gebüschs schlugen gegen ihre Ohren und ihren Rücken, als sie der Beute hinterherrannte. Die Maus steuerte das Feld an, aber die Kätzin bemerkte dies nicht, bis ihr die spitzen Halme in die zarten Ballen stachen. Sie war so nah dran, sie konnte jetzt nicht aufgeben.

Ich krieg dich, du kleines Biest.

Sie konnte die Maus beinahe schmecken und fühlen wie ihr kleines Herz in Panik raste. Nur noch ein paar Krallenlängen!

Schmutzpfote sprang, ihre Pfoten waren über der Maus, fast berührten sie das zarte Fell. Sie landete in der weichen Erde. Ohne Maus.

Wo ist sie hin?

Verwirrt blickte Schmutzpfote unter ihre Tatzen. Keine Maus. Nur ein verdammtes Loch im Boden.

 "Fuchsdreck!", fluchte sie, sie spürte die Wut in sich aufwallen. Wollte der SternenClan, dass sie als jagdunfähig abgestempelt wurde? Erfreuten sie sich daran, dass Schwanenpfote auf jedem verunglückten Versuch herumhackte?

"Schmutzpfote!"

Die Schülerin zuckte zusammen, die Wut verblasste von einem Moment auf den anderen, wie vom Sturm verweht. Langsam drehte sie den Kopf. Sonnenstrahl stand mit vor Zorn gesträubtem Fell am Rand des Goldfeldes und starrte ihr mit gebleckten Zähnen entgegen. Er wirkte so wie ein Löwe aus den Geschichten, die Eichenglut früher erzählt hatte...wahrscheinlich würde ein Löwe nur gnädiger mit ihr umgehen.

"Du kommst sofort hierher!"

Seine Stimme klang so angsteinflößend, dass Schmutzpfote nur noch ihr letztes Gebet sprechen oder auf Gelbschweifs Einschreiten hoffen konnte.

SternenClan steh mir bei.

Ihr Plan war nach hinten losgegangen, und das auch noch gründlich.

"Ist es zu schwierig für dich einfache Anweisungen zu befolgen. Muss ich es für dich vereinfachen, damit es dumme Junge auch verstehen?", fuhr Sonnenstrahl sie an und Schmutzpfote senkte beschämt den Kopf. Alles war gerade einfacher, als ihrem Mentor in die Augen zu blicken.

"Ich wollte doch nur...", versuchte Schmutzpfote zu erklären, aber Sonnenstrahl schnitt ihr das Wort ab.

"Es ist mir egal was du wolltest. Du hast meinen Befehl missachtet, einen Moment nachdem ich ihn dir gegeben habe", knurrte der Kater. "Wir gehen."

"Jetzt sofort?" Schmutzpfotes Stimme klang hilflos wie die von Schreckjunges, wenn seine Schwester morgens ohne ihn weggegangen war.

"Sofort!"

"Was ist denn hier los?", fragte da auf einmal Gelbschweif, der mit Himmelspfote zu ihnen getappt kam. Himmelspfotes mitleidiger Blick machte klar, dass sie jedes Wort verstanden hatten und die Scham breitete sich weiter in Schmutzpfote aus. Wieso brachte sie nie irgendetwas auf die Reihe?

"Das geht dich nichts an, Gelbschweif!"

"Und wie mich das etwas angeht, wenn du deine Schülerin in meiner Gegenwart anschreist." Wolken der Verärgerung zogen in Gelbschweifs Augen zusammen.

"Wie ich mit Schmutzpfote umgehe ist meine Sache. Wie du es gerade gesagt hast: Sie ist meine Schülerin. Und wir gehen jetzt."

Der golden getigerte Krieger sah so aus als wollte er noch etwas erwidern aber zu Schmutzpfotes Enttäuschung gab er seine Argumentation auf.

"Am besten gehen wir alle. Hier ist jedenfalls keine Beute mehr."

Sonnenstrahl zischte Gelbschweif kaum hörbar an, drehte sich dann um und versetzte Schmutzpfote einen unsanften, auffordernden Schubs, der sie beinahe umwarf.

"Komm jetzt. Auf dich wartet eine Strafe", knurrte er und trottete dann vorraus in den Wald.

Schmutzpfote erhob sich erniedrigt und schlurfte ihm hinterher, unfähig, Himmelspfote in die Augen zu sehen. Jetzt hatte sie nicht nur ihren Mentor gegen sich aufgebracht sondern auch Himmelspfotes Ausflug zum Goldfeld ruiniert.

Den ganzen Weg ins Lager über sagte keiner ein Wort. Bis ihnen ein atemloser Libellenflügel entgegengerannt kam

"Da seid ihr ja", keuchte der braun-weiße Kater. "Ottersee schickt mich. Deine Jungen sind auf der Welt, Gelbschweif."

"Was? Sie sind schon da? Wieso hat mich keiner geholt?"

Der Krieger mit dem goldenen Fell stürmte an Libellenflügel vorbei, das Lager war nicht mehr weit, der Wall war bereits zu sehen.

"Geht es Kastanienfall gut?", fragte Himmelspfote besorgt um ihre ehemalige Mentorin.

"Ja, sie ist wohlauf. Sie hat drei Junge geboren, zwei Kater und eine Kätzin", verkündete der schmächtige Kater. "Ottersee dachte, dass Gelbschweif nur im Weg stehen würde, wenn er bei der Geburt dabei wäre, deswegen komme ich erst jetzt."

Schmutzpfote konnte sich über diese fröhlichen Nachrichten nicht wirklich freuen, Sonnenstrahl verzog ebenfalls keine Miene. Als sie im Lager angekommen waren, zog er sie beiseite, während Himmelspfote zur Kinderstube lief.

"Du hast einen Viertelmond Lagerarrest."

"Einen Viertelmond?!", empörte sich Schmutzpfote, aber der vorlaute Ton verging ihr gleich wieder.

"Wenn es sein muss wird es solange andauern, bis du Respekt und Gehorsam gelernt hast. Du wirst dich um die Ältesten kümmern und das Lager nicht verlassen, bis ich deine Strafe für beendet erklärt habe, verstanden?"

Schmutzpfote schluckte und senkte den Blick. Lagerarrest auf unbestimmte Zeit...

"Verstanden...", murmelte sie, zutiefst beschämt und innerlich wütend auf sich und ihren Mentor.

Das ist so unfair.

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