16. Kapitel
Erst nach Sonnenhoch kam die Patrouille vom SeeClan zurück, ihre Pelze waren alle durchtränkt mit algigem Seewasser und aus ihren Blicken ließ sich nichts lesen.
Schmutzpfote lag am Eingang des Ältestenbaus um mit Eichenglut die letzte Sonne zu genießen, aber obwohl die Wärme der goldenen Kugel angenehm durch ihr Fell drang, konnte sie den Blick nicht von Schwalbenpfotes leblosem Körper losreißen. Selbst vom anderen Ende der Lichtung schien die Kälte und der Geruch des Todes zu ihr hinüberzudringen.
Farnsilber, der mit seinem dünnen, glatten Fell wohl am besten durch den See gekommen war trat vor um zu berichten.
"Sie sagen, sie waren es nicht. Keiner von ihnen hat am Morgen das Lager verlassen", miaute der goldene Kater, durch den trüben Schleier vor seinen Augen war nicht klar, wohin er schaute.
"Woher wissen sie das so genau?", fragte Ameisenstern, der von seinem abwarntenden Hin- und Herlaufen abgelassen hatte.
"Sie haben Totenwache gehalten", erwiderte Farnsilber und leckte sich nervös über das Brustfell. "Lichtstern hat uns gesagt, dass ihr Krieger Sandbart an Grünem Husten gestorben ist, deswegen hat bis Sonnenhoch keiner das Lager verlassen."
"Aber wer soll es sonst gewesen sein?", fauchte Schwarzfrost aufgebracht, sein langer, schwarzer Schweif peitschte gereizt hin und her.
"Beruhige dich, Schwarzfrost...", unterbrach ihn Fuchsblüte mit ihrer gewohnt samtigen Stimme, doch der Zweite Anführer schien sie mit seinem blauen Blick erdolchen zu wollen.
"Wie soll ich mich beruhigen?!", fuhr er sie an. "Meine Tochter wurde ermordet!"
Schmutzpfote zuckte unter der Wut in Schwarzfrosts Worten zusammen. Sie verstand, warum der schwarz-weiße Kater aufgebracht war, aber kein Wort, egal ob geflüstert oder geschrien würde Schwalbenpfote je wieder zurückbringen.
"Genug jetzt, Schwarzfrost." Ameisenstern trat bestimmt zwischen seinen Stellvertreter und Fuchsblüte. "Geh in dein Nest und ruh dich eine Weile aus, ich verspreche dir, dass wir dich zur Totenwache holen, in Ordnung?"
Widerwillig nickte Schwarzfrost und zog sich in den Kriegerbau zurück. Schmutzpfote sah ihm hinterher, aber sie wusste, dass sie momentan rein gar nichts tun konnte, damit er sich besser fühlte.
Dann erhob Ameisenstern erneut die Stimme.
"Sonnenstrahl, Kastanienfall und Rußnarbe, ihr geht mit euren Schülerinnen in die Farngrube für ein Verteidigungstraining. Wir können es nicht riskieren, noch mehr Katzen im Kampf zu verlieren. Und ihr drei denkt daran, wenn ihr in ein Gefecht mit dem SeeClan geratet, dann bringt ihr euch in Sicherheit. Es ist verboten Jagdmonde anzugreifen, solange sie sich zu erkennen geben. Keine Alleingänge, habt ihr verstanden?"
Brav nickte Schmutzpfote, sie hatte nicht im geringsten vor, sich mit einer SeeClan-Katze anzulegen. Schwanenpfote und Himmelspfote taten es ihr gleich, obwohl die Tigerkätzin sah, wie Himmelspfote die Krallen in die Erde grub.
Auf einmal blitzte neben ihr orangefarbenes Fell auf und Sonnenstrahl kämpfte sich durch die Efeuranken des Kriegerbaus. Sein zottiger Pelz sah aus, als hätte er ihn seit Monden nicht gewaschen und seine goldenen Augen waren glasig.
"Du hast Ameisenstern gehört. Gehen wir", murrte der stämmige Kater, trottete an ihr vorbei und deutete ihr mit dem Schweif, ihm zu folgen.
Schmutzpfote atmete einmal tief durch und lief ihm dann hinterher, die nackten, stacheligen Ranken streiften ihren Rücken, als sie durch den Lagerwall schlüpfte.
Ich bin gewachsen, seit letztem Mal, dachte sie bitter, als sie an den Vorfall mit der Schlange zurückdachte. Sie hatte durch den Ausgang gepasst, ohne an den Zweigen anzukommen. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht?
"Ist es weit bis zur Farngrube", fragte Himmelspfote von weiter hinten, während sie eine ihrer weißen Pfoten aus dem Morast zog.
"Nicht weit", antwortete Kastanienfall. "Nur ein paar Baumlängen in diese Richtung." Die dunkelbraune Kätzin deutete zu dem lichten Nadelwald, der sich rechts von ihnen befand.
Während sie sich durch die nasse Wiese kämpften, überlegte Schmutzpfote, welche Züge sie wohl lernen würden. Sie hatte von komplizierten Konterschlägen und Luftrollen gehört, allerdings konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie so etwas an ihrem ersten Tag als Schülerin lernen würde.
Als sie bei der Farngrube ankamen, war diese ziemlich unspektakulär. Bloß eine Lichtung, die von breiten Farnwedeln umgeben war. Der Boden bestand aus feuchtem, matschigem Moos.
Wunderbar...so verletze ich mich wenigstens nicht, wenn ich auf die Nase falle, dachte Schmutzpfote seufzend. Eigentlich hatte sie sich auf eine entspannte Territoriumstour gefreut, aber das würde wohl in naher Zukunft nichts mehr werden.
"Jeder sucht sich einen Platz und übt ein paar Grundtechniken", miaute Sonnenstrahl ohne sich die Zusage der anderen Mentoren zu holen und trabte von Schmutzpfote gefolgt an den Rand der Lichtung. Seine Pfoten waren so breit, dass er im wahrscheinlich bald kommenden Schnee nicht einsinken würde, da war Schmutzpfote sich sicher.
"Zuerst musst du lernen, auf den Hinterpfoten zu stehen", fing der orangefarbene Kater unvermittelt an. "Wer höher steht als sein Gegner hat größere Chancen auf einen guten Schlag und einen besseren Überblick." Damit erhob sich Sonnenstrahlauf die Hinterbeine, sein Schatten fiel bedrohlich über Schmutzpfote. "Dein Schweif ist für die Balance da. Wenn du ihn nicht benutzt wirst du umfallen."
Die Tigerkätzin nickte verunsichert, es sah so einfach aus, wenn ihr Mentor es vormachte, dabei brachte sie es manchmal nicht einmal zu stande, sich auf drei Beinen zu fangen, wenn sie stolperte.
"Jetzt versuch du es", miaute der gedrungene Kater und ließ sich zurück auf alle Viere gleiten.
Zweifelnd spannte Schmutzpfote ihre Beinmuskeln an und versuchte, sich aufzurichten. Sofort fiel ihr die Unnatürlichkeit dieser Haltung auf, als würde ihr Körper ihr zuschreien, dass das nicht richtig war und sogleich fiel sie zurück auf die Vorderpfoten.
"Nochmal", knurrte Sonnenstrahl, seine goldenen Augen blitzten frostig auf.
Schmutzpfotes Beine zitterten, als sie sich erneut erhob, sie versuchte, ihren Schweif zu schwenken, so wie Sonnenstrahl es vorgezeigt hatte, aber es wollte ihr nicht recht gelingen. Als sie sich nicht mehr halten konnte kippte sie vornüber und landete im Staub.
Die feinen Körner drangen unangenehm in ihre Nase und kitzelten sie so sehr, dass sie niesen musste. Kurz darauf spürte sie Sonnenstrahls heißen Atem an ihrem Ohr.
"Wenn ich eines nicht ausstehen kann, dann ist es Versagen. Steh auf!"
Eine breite Pfote schubste sie in die Seite und zwang sie, wieder aufzustehen.
"Aber es ist doch mein erster Tag", wandte Schmutzpfote leise ein, ihre Ohren legten sich langsam an ihren Kopf an.
"Glaubst du, Schwalbenpfotes Mörder hat es interessiert, wie lange sie schon Schülerin war? Streng dich gefälligst mehr an, dann wirst du auch nicht hinfallen", fuhr er sie ungehalten an und forderte sie danach erneut auf, es noch einmal zu versuchen.
Dieses Mal klappte es besser, allerdings ging ihr langsam die Kraft in den Hinterbeinen aus, um sich oben zu halten. Verzweifelt blickte sie zu ihren Geschwistern hinüber, die beide mit den Vorderpfoten in der Luft herumfuchtelten, bei dem Versuch, ihre Mentoren abzuwehren. Wieso durften sie mit so etwas Einfachem anfangen?
Das war eine ganz, ganz dumme Idee...ich könnte jetzt mit Muschelklang hier sein..., dachte Schmutzpfote traurig, während sie die Zähne zusammenkniff um die aufrechte Haltung noch etwas länger durchzuhalten. Endlich ließ Sonnenstrahl sie wieder auf alle vier Pfoten zurückkehren, die Muskeln in ihren Oberschenkeln schmerzten.
"Nächste Aufgabe", sagte Sonnenstrahl und stellte sich breitbeinig vor sie hin. "Wenn jemand in einem hohen Sprung auf dich zuspringt, dann musst du dich mit der Flanke zu ihm drehen, machst einen Schritt nach vorn und trittst ihn mit den Hinterbeinen weg und das alles so schnell wie möglich."
Der orangefarbene Kater zeigte vor, wie es aussehen sollte, er duckte sich weg und holte mit den Beinen aus um sie kurz darauf mit astspaltender Kraft nach hinten zu schleudern. Allein bei dem Gedanken, diesen Tritt ins Gesicht oder in den Bauch zu bekommen, drehte sich Schmutzpfote der Magen um.
"Jetzt du!", forderte Sonnenstrahl sie auf und sprang ohne Vorwarnung auf sie zu. Erschrocken blickte Schmutzpfote ihrem Mentor ins Gesicht, wie er auf sie zusegelte, die Pfoten weit nach vorn gestreckt.
"Uff!", machte die Tigerkätzin, als sie unter dem Krieger begraben und von den Pfoten gekegelt wurde. Erneut machte sie Bekanntschaft mit dem Boden, Sonnenstrahls Gewicht drückte ihr die Luft aus der Brust.
"Nein, Nein, Nein! Noch einmal. Du musst viel schneller sein, Schmutzpfote!"
Schmutzpfote keuchte, ihr war nur noch nach weinen zumute. Ihre Schultern und ihre Hinterläufe taten weh und sie wünschte sich in die Kinderstube zurück. Was war das für eine bescheuerte Idee gewesen, Sonnenstrahl als Mentor zu nehmen?
"Offensichtlich muss ich es dir anders zeigen, wenn deine Beine jetzt schon so zittern. Los, spring auf mich zu", knurrte Sonnenstrahl genervt und Schmutzpfote gehorchte ohne nachzudenken. Wenigstens gelang ihr der Sprung durch ihre langen Beine halbwegs gut.
Sonnenstrahl wich ihr jedoch blitzschnell aus und bevor sie sich versah spürte sie den donnernen Aufprall seiner Hinterpfoten an ihrem Oberschenkel. Die Welt fing an sich zu drehen, als sie herumgeschleudert wurde, wie ein Moosball, und ihr Magen drohte, seinen Inhalt wieder herzugeben.
Begleitet von einer Staubwolke landete sie auf dem Boden und kam hustend zum Liegen, Schockwellen blitzten durch ihre Flanke hinauf bis in den Nacken.
"Schmutzpfote!", rief plötzlich eine andere Stimme und auf einmal wurde das Sonnenlicht von einem braunen Katzenkopf geblockt. "Bist du in Ordnung?", fragte Kastanienfall besorgt und beugte sich über ihr ramponiertes Bein.
"Ja", krächzte Schmutzpfote und hustete ein paar Staubkörner aus, die in ihren Hals gestoben waren. "Mir geht es gut."
Ächzend rappelte sie sich auf, ihr Bein protestierte leicht, aber es würden bestimmt nur ein paar blaue Flecken werden. Sie wollte sich vor ihren Schwestern und vor Sonnenstrahl keine Blöße geben, aber trotzdem ging sie etwas gebeugt.
"Sonnenstrahl, dieser Zug ist viel zu fortgeschritten für eine Schülerin ihres Alters", blaffte Kastanienfall und half Schmutzpfote, aufrecht zu stehen.
"Sie ist kein Junges mehr", erwiderte Sonnenstrahl und rollte mit den Augen.
"Heute Morgen war sie noch eines", zischte die braune Kriegerin und brach mit einer Schweifgeste das Training von Himmelspfote und Schwanenpfote ab, die so heftig mit den Vorderpfoten in der Luft schlugen, dass es aussah, als würden sie sich abklatschen.
"Komm, Schmutzpfote, wir gehen zurück ins Lager", murmelte Kastanienfall und trottete vor ihr her, um den Weg zurück nach Hause einzuschlagen.
Wie soll ich Sonnenstrahls Training nur überstehen?
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