14. Kapitel

Ein angenehmes Kribbeln, wie ein warmer Blattgrüne-Wind, durchfuhr Schmutzjunges, als sie an diesem Morgen aufwachte. Goldene Lichtbahnen strömten durch die kleinen Lücken der Efeukuppeln und malten ein Muster aus Sonnenlicht auf den Boden.

Wie fast jeden Tag war sie als Erste wach, obwohl Himbeerjunges und Möwenjunges bereits Anstalten machten, ebenfalls aufzuwachen. Manchmal war ihr das einzige, weiße Junge in Fuchsblütes Wurf etwas unheimlich, seit er seine blutrot gefärbten Augen geöffnet hatte. Möwenjunges schien die Sonne auch nicht besonders gut zu vertragen, denn er klagte oft über ein Brennen an der Nase, wo sich mittlerweile leicht die Haut abschälte. Immerhin war Möwenjunges nicht einmal halb so forsch und unhöflich, wie sein Bruder Rabenjunges, der es regelrecht darauf anlegte, möglichst viel Ärger zu machen, bevor er Schüler wurde und die Folgen tragen musste.

Ich werde sie alle so vermissen, dachte Schmutzjunges wehmütig und blickte zu dem beinahe überfüllten Nest von Fuchsblüte. Es würde nicht mehr allzu lange dauern, bis deren leibliche Jungen auch Schüler sein würden, dann würde es im Schülerbau ganz schön eng werden.

Vorsichtig schlüpfte die Tigerkätzin unter Pfützenwassers Schweif hervor und trat aus dem Nest, ihr gestreiftes Fell stand in Büscheln von ihrem Körper ab. Da sie von ihrer Mutter sowieso keine Wäsche erwarten durfte, begann sie selbst mit kräftigen Zungenstrichen die widerspenstigen Strähnen zu bändigen und glättete mit einer angeleckten Pfote ihre Schnurrhaare.

Während sie sich putzte, drang von draußen das Krächzen von Krähen herein, das den sanften, beruhigenden Klang der Singvögel abgelöst hatte, und neben der strahlenden Morgensonne zogen hellgraue Wolken über den Himmel. Ein sonniger, aber kühler Tag kündigte sich an.

Selbst wenn Schmutzjunges sich selbst die Überraschung ihres Mentors verdorben hatte, war sie dennoch aufgeregter, als sie gedacht hatte. Ob wirklich alle ihren neuen Namen rufen würden? Würde sie heute schon etwas neues lernen?

Als sie ihr Fell fertig geordnet hatte, schien das Lager langsam aufzuwachen, so auch Schmutzjunges'Familie. Die Tigerkätzin lächelte Himmelsjunges entgegen, die verschlafen ihre klaren, blauen Augen öffnete.

"Ist es schon Morgen?", murmelte die weiße Kätzin, noch halb unter Schwanenjunges und einem Haufen Moos vergraben. Gestern am Abend hatte sie noch behauptet, wegen der anstehenden Zeremonie kein Auge zuzumachen. Es hatte wohl nicht so gut geklappt.

"Ja! Die Sonne ist schon aufgegangen, bestimmt ruft uns Ameisenstern bald", quiekte Schmutzjunges, ihre Stimme kam ihr seltsam schrill vor, an diesem Tag.

Himmelsjunges nahm keine Rücksicht auf die anderen beiden Kätzinnen, die noch friedlich schliefen, als sie sich aus dem Fellhaufen hervorgrub, Schwanenjunges bekam eine Hinterpfote in die Seite getreten und nachdem das weiße Junge Pfützenwasser an der Nase gekitzelt und sie zum Niesen gebracht hatte, waren nun auch alle wach.

Mit leicht getrübten Augen richtete Pfützenwasser sich auf, sie war im Gegensatz zu Schmutzjunges definitiv keine Morgenkatze. Trotzdem glänzte Stolz in ihren gelen Augen, als sie auf ihre Töchter hinabblickte.

"Seid ihr bereit für euren großen Tag?"

Schmutzjunges nickte so heftig, dass ihre Nackenwirbel knackten, sie konnte es kaum erwarten, auch wenn sie sich davor fürchtete, dass sie vor aller Augen einen Fehler machte, aber die Aufregung überwog die Sorge.

"Worauf freust du dich am meisten?", fragte Himmelsjunges, die mittlerweile von Pfützenwasser gewaschen wurde. "Also ich will unbedingt kämpfen lernen! Diesen SeeClan-Katzen zeig ich's wenn sie noch einmal eine unserer Patrouillen angreifen", fügte die hellgrau gesprenkelte Kätzin hinzu und fuhr mit einer von blitzenden Klauen besetzten Pfote durch die Luft, als würde sie einen unsichtbaren Gegner kratzen.

"Ich glaube, ich will lieber Klettern lernen", meinte Schmutzjunges nachdenklich, auch wenn das Klettern in ihrem Clan keine besonders nützliche Fähigkeit war. Viele von den Bäumen im Wald des SumpfClans waren sehr alt, mit bröckelnder Rinde und sehr dünnen und brüchigen Ästen, von denen man leicht abstürzen konnte. Trotzdem stellte sie es sich großartig vor, über die Baumwipfel zu sprinten, in luftiger Höhe, mit dem Wind im Fell und dem Geruch von Harz in der Nase. Sie seufzte glücklich bei dieser Vorstellung.

"Pff, klettern...werd'doch gleich zur Ältesten", mischte sich Schwanenjunges verächtlich ein und hob die Nase. "Ich werde die beste Jägerin des Clans sein, denn Flügelpfote hat mir schon ganz viel beigebracht." Ihre eisig blauen Augen funkelten Schmutzjunges und Himmelsjunges an, als wären sie eine ganz besonders fiese Art von Parasiten.

Himmelsjunges, die es geschafft hatte, aus Pfützenwassers Wäsche zu fliehen, ließ sich aber davon nicht beeindrucken. Stattdessen zeigte sie ein breites, beinahe schon hinterlistiges Grinsen.

"Weiß doch jeder, dass er total in dich verknallt ist", miaute sie herausfordernd. "Bestimmt werdet ihr so niedliche Jungen haben", fügte sie in einem lieblichen Ton hinzu und beobachtete zufrieden, wie Schwanenjunges arrogante Fassade bröckelte, als ihre Argumentation in sich zusammenfiel.

Schmutzjunges konnte nicht anders, als zu kichern.

"Ihr...Ihr seid solche Mäusehirne!" Gleichermaßen wütend wie beschämt wandte Schwanenjunges sich ab und stolzierte nach draußen.

Schmutzjunges blickte zu Himmelsjunges hinüber und formte ein lautloses "Danke" mit den Lippen, wenn sie zusammenhielten, dann konnte Schwanenjunges ihnen bestimmt nicht mehr wehtun.

"Na, wo sind meine Schülerinnen", erklang es auf einmal hinter ihnen, der Efeubau raschelte.

"Regentropfen!", rief Schmutzjunges, wirbelte herum und sprang auf ihren Vater zu, der, kaum in die Kinderstube getreten, von drei Fellbällen angesprungen wurde.

"Nicht so wild, meine Süßen, ihr seid schon zu groß fürs Dachsreiten", miaute der dunkelgraue Kater schmunzelnd, seine Beine gaben unter dem Gewicht seiner Töchter etwas nach. "Ameisenstern sitzt schon auf seinem Platz, wollen wir schon mal hinausgehen, dann könnt ihr gleich in der ersten Reihe sitzen."

"Au ja!", jubelte Himmelsjunges und fetzte, ihren Vater fast von den Beinen reißend, unter ihm hindurch aus der Kinderstube. Schmutzjunges folgte ihr etwas langsamer, weil sie nicht durch die Staubwolke laufen wollte, die ihre Schwester hinterließ und blieb dann neben ihr stehen. Diesmal stellte sich Schwanenjunges neben sie, ohne Ärger anzufangen.

Wie Regentropfen gesagt hatte, stand hatte Ameisenstern seinen Posten auf dem Baumstumpf schon eingenommen und blickte mit einem Lächeln auf die drei Jungen Katzen herab.

"Ich bitte alle Katzen, die alt genug sind, auf den Mooren zu laufen, sich hier unter dem Baumstumpf zu einem Clantreffen zu versammeln!", rief der dunkelbraune Kater feierlich und Schmutzjunges sah, wie sofort alle Katzen aus ihren Bauen auftauchten und zusammenströmten. Es fühlte sich wundervoll an, dass sie alle nur hier waren, um sie und ihre Geschwister zu ernennen und zu beglückwünschen.

Inmitten der Menge entdeckte sie auch Sonnenstrahl, wie immer mit einer grimmigen Grimasse und leicht gesträubtem Fell. Sein Anblick versetzte Schmutzjunges'guter Laune einen kleinen Dämpfer. Wie es wohl sein würde, seine Schülerin zu sein? Dennoch blitzte ein Funke Entschlossenheit in ihren gelben Augen auf.

Die Blüte der Blattleere und das trauernde Wasser hüten das Geheimnis der Sonne...und ich werde dein Geheimnis schon noch herausfinden, Sonnenstrahl.

Um den Baumstumpf hatte sich nun eine Traube von SumpfClan-Katzen angesammelt, nur ein paar Katzen fehlten, die noch nicht von der Morgenpatrouille zurückgekehrt waren.

"Wir sind heute hier zusammengekommen um für drei junge Katzen in unserer Mitte einen neuen Lebensabschnitt einzuleiten. Himmelsjunges, Schmutzjunges und Schwanenjunges, bitte kommt nach vorn", begann Ameisenstern und erhob sich aus seiner sitzenden Position.

Mit ihren Schwestern an ihrer Seite fiel es Schmutzjunges leichter, nach vorne, in das Zentrum der Aufmerksamkeit zu treten, aber trotzdem fühlte sie die Blicke, die auf ihrem Pelz lagen. Zwischen ihren Wurfgefährten musste sie ja aussehen, wie eine Krähe im Schnee.

"Himmelsjunges, du hast deinen fünften Mond erreicht und bist bereit, den Pfad einer Schülerin zu beschreiten. Von nun an, bis du dir deinen Kriegernamen verdient hast, wir dein Name Himmelspfote lauten! Kastanienfall, nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass du bereit bist, deinen ersten Schüler auszubilden. Lehre Himmelspfote, was es heißt, eine SumpfClan-Katze zu sein und hilf ihr, in ihren Pfoten den Mut einer Kriegerin zu finden."

Himmelspfote schien vor Stolz zu glühen, sie hatte den Kopf hoch erhoben, die Brust herausgestreckt und ihr Schweif ragte in die Luft. Mit einem zufriedenen Lächeln tauschte die frisch ernannte Schülerin den Nasengruß mit ihrer Mentorin.

"Himmelspfote! Himmelspfote!", find der Clan an und Schmutzjunges fiel fröhlich mit ein.

"Himmelspfote! Himmelspfote! Himmelspfote!"

Schließlich beruhigte sich die Menge und Schmutzjunges blickte zurück zu ihrem Anführer, dessen Fell nun in der Morgensonne zu glänzen anfing, die über den Lagerwall linste.

"Schmutzjunges, auch du hast deinen fünften Mond erreicht und bist bereit, den Pfas einer Schülerin zu bestreiten. Von nun an, bis du dir deinen Kriegernamen verdient hast, wirst du Schmutzpfote heißen. Sonnenstrahl, du bist ein kräftiger und geschickter Krieger des SumpfClans. Hiermit vertraue ich dir Schmutzpfotes Ausbildung an, mögest du ihr beibringen, was es heißt, eine SumpfClan-Katze zu sein und sie auf dem Weg zur Kriegerin begleiten."

Peinliche Stille legte sich über die Katzen, die versammelt waren, für einen Moment sagte niemand ein Wort. Sonnenstrahl bahnte sich mit seinen breiten Schultern einen Weg durch seine Clan-Kameraden, den goldenen Blick starr auf Schmutzpfote gerichtet. Unter seinen stechenden Augen sank die junge Schülerin ein paar Schnurrhaarlängen zusammen. Es kostete sie einiges an Überwindung, sich wieder aufzurichten, und die Nase des Kriegers mit ihrer eigenen anzustupsen. Der Kater war nicht besonders groß und sein orangefarbenes Fell wirkte strähnig, als hätte er es schon eine Weile nicht mehr geputzt. Schmutzpfote schluckte, es gab kein zurück mehr.

Zum Glück fing Himmelspfote in diesem Moment an, laut ihren neuen Namen zu rufen, Erleichterung durchströmte Schmutzpfote, als ihr Clan dem Beispiel ihrer Schwester folgte und die unheimliche Stille durchbrach.

"Schmutzpfote! Schmutzpfote! Schmutzpfote!"

Die junge Tigerkätzin nahm widerwillig ihren Platz neben Sonnenstral ein und lauschte den glückwünschenden Rufen ihrer Clan-Gefährten. Regentropfen schien gar nicht mehr aufhören zu wollen, ihren Namen den Sternen zu erzählen. Schmutzpfote war sehr froh, dass ihr Vater nicht mehr böse auf sie war, sie hätte ihn niemals missen wollen.

Die junge Schülerin war so vertieft in die neuen Eindrücke, dass sie bei Schwanenpfotes Zeremonie nur halbherzig ihren Namen rief. Die schneeweiße Kätzin hatte Rußnarbe als Mentoren bekommen, was sie nicht gerade zu freuen schien. Der vernarbte Krieger sah das jedoch ganz anders, er strahlte wie die Sonne, als er seine Schülerin mit der Nase begrüßte.

Doch plötzlich schien ein Ruck die Menge zu erfassen, Schmutzpfote spürte sofort die Unruhe, die sich breitmachte, auch wenn sie den Grund nicht kannte. Aber kurz darauf stieg ihr ebendieser Grund in die Nase. Blutgeruch!

Fast synchron drehten sich die SumpfClan-Katzen zu Lagerausgang um, wo der Geruch herkam. Schmutzpfote erschauderte, ein weiterer Duft mischte sich darunter. Einen Duft, den sie bisher nur einmal gerochen hatte und gehofft hatte, ihn nie wieder erschnuppern zu müsssen.

Bitte nicht, flehte sie gedanklich und starrte zu den Dornenranken, als wollte sie sie beschwören, den Tod auszuschließen.

Die Zweige begannen zu rascheln ud aus dem Dickicht trat Gelbschweif, sich Schweif vorraus durch die Stacheln kämpfend. Sein goldenes Fell war voller Dreck, aber immerhin nicht blutverschmiert.

Schilfpfote und Felsenkralle, die den goldenen Krieger wohl auf die Morgenpatrouille begleitete hatte, setzten beide durch ein Loch im Wall hindurch, ihre Blicke waren trüb und betroffen.

Was ist hier nur los?

Schmutzpfote legte die Ohren an, am liebsten wollte sie zu ihrem Vater rennen und bei ihm Schutz suchen, ihre Brust begann unangenehm zu stechen.

Gelbschweif riss sich selbst aus den Ranken heraus, wobei er sich die Schultern aufkratzte, aber es schien ihn nicht zu stören. Als er sich umwandte, erkannten alle das schlaffe, rauchblaue Fellbündel, dass er im Maul hielt.


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