12. Kapitel

"Ich soll was?!" Schmutzjunges eigener, empört fragender Ton kam ihr gleich darauf schon unpassend vor, aber Libellenpfotes Vorschlag war einfach wahnsinnig. "Ich soll seine Schülerin werden?!"

Noch immer hoffte sie, dass Libellenpfote lachen, und seinen echten Vorschlag vorbringen würde, obwohl er seinen Plan schon mindestens zwei Mal erklärt hatte.

"Du hast mich gehört. Wenn du mehr über ihn herausfinden willst, dann am besten, wenn du seine Schülerin bist. Du wirst oft in seiner Nähe sein, ohne dass es auffällig wäre, und kannst ihn ausfragen oder so. Du musst nur Ameisenstern fragen, ob er Sonnenstrahl zu deinem Mentor macht", erklärte Libellenpfote noch einmal und bekräftigte seine Theorie mit einem Nicken.

"Du sagst das so leicht! Ich kann doch nicht einfach zu Ameisenstern gehen und ihn um etwas bitten. Er ist unser Anführer!", protestierte Schmutzjunges.

"Er ist auch nur eine Katze. Bloß weil er unser Anführer ist, heißt das nicht, dass du nicht mit ihm reden kannst, wenn du etwas brauchst."

Schmutzjunges wusste, dass Libellenpfote Recht hatte, sein Plan war logisch und nicht einmal kompliziert, aber ihr ganzes Inneres sträubte sich dagegen. Bis jetzt hatte Sonnenstrahl nichts weiter getan, als den ganzen Tag grimmig zu sein und andere anzuschnauzen. Wieso sollte sie so jemanden als Mentor haben wollen?

"Überlege es dir einfach, du hast ja noch mehr als einen Mond Zeit herauszufinden, ob es dir das wert ist." Der weiß-braune Kater zuckte mit den Schultern.

Zweifelnd sah die kleine Tigerkätzin zu ihm hoch und auf einmal fiel ihr auf, wie groß er eigentlich schon war. Zwar wirkte er immer noch etwas klein geraten, aber unter seinem glatten, gepflegten Fell zeichneten sich deutlich die Muskeln vom Training ab.

"Wie lange dauert es noch, bis du Krieger wirst", lenkte Schmutzjunges vom Thema ab, zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass Libellenpfote nicht gemeinsam mit ihr Schüler sein würde. Sie hatte sich, seit sie ihn kennengelernt hatte, vorgestellt, dass sie sich einen Bau teilen würden.

"Nicht mehr lange", erklärte der Schüler stolz und plusterte das Brustfell auf. "In einem halben Mond, nach Halbmond habe ich meine Abschlussprüfung. Eulenpfote und Schwalbenpfote übrigens auch."

Schmutzjunges versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen.

"Das ist toll. Bestimmt bestehst du mit Leichtigkeit", murmelte sie vor sich hin. Libellenpfote würde mit Sicherheit ein toller Krieger werden, aber trotzdem quälte sie der Gedanke, ohne ihn im Schülerbau zu schlafen.

Stell dich nicht so an. Du hast ja noch Himmelsjunges.

Schmutzjunges schüttelte den Kopf, um die Gedanken loszuwerden. Sie dachte immer viel zu negativ. Wenn Libellenpfote, Eulenpfote und Schwalbenpfote in den Kriegerbau ziehen würden, wäre hier zumindest mehr Platz. Und wenn sie das Rätsel der Prophezeiung lösen wollte, durfte sie nicht zimperlich sein. Sonnenstrahl hatte ein Geheimnis und sie würde es lüften!

Sich selbst Zuversicht einzureden half. Es würde schon nicht so schlimm werden, wie sie es sich ausmalte.

"Ja, Moosschwinge konnte in letzter Zeit zwar nicht trainieren, aber Schwalbenpfotes Mentor hat gesagt, ich wäre so weit."

Libellenpfote glühte nahezu vor Stolz. Aus ihm würde ein großartiger SumpfClan-Krieger werden.



Unruhig stapfte Schmutzjunges auf der Lichtung auf und ab. Nervosität kribbelte in ihren Pfoten, die sie hoffte, durch das Umherlaufen vertreiben zu können, aber nichts half. Wann würden sie zurück sein? Moosschwinge hatte gesagt, zu Sonnenhoch wären sie wieder da.

Hat er nicht bestanden? Gab es Probleme?

Sie wusste nicht, wie lange sie auf den Lagereingang gestarrt hatte, dessen Ranken mittlerweile sämtliche Blätter verloren hatte. Sie machten es dem Wind nun noch leichter, durch den Wall zu fahren und die Katzen frieren zu lassen. Die Blattleere kam zweifellos und genau das ließen auch die schneegrauen Wolken am Himmel vermuten. Bestimmt würde es nicht mehr lange dauern, bis Schmutzjunges ihren ersten Schnee erlebte.

Über Libellenpfotes Vorschlag hatte sie sehr lange gegrübelt in dem halben Mond und sie war zu dem Schluss gekommen, dass sie Ameisenstern zumindest fragen würde. Fragen konnte ja schließlich nicht schaden, oder?

In diesem Moment knarzten die trockenen Ranken des Lagertunnels, Schmutzjunges riss so schnell den Kopf herum, dass ihre Nackenwirbel knackten.

Leicht humpelnd schob sich Moosschwinge ins Lager, ihr Vorderbein war von dem Grenzkampf immer noch etwas angeschlagen, da Löwenschlag, der kräftige Stellvertreter des SeeClans, sie so fest gebissen hatte, dass Ottersee sogar einen Bruch vermutet hatte. Zum Glück ging es der goldfarbenen Kriegerin aber sonst gut und ihr langes, lockiges Fell verdeckte die Narben, die sie davongetragen hatte. Zudem trug sie einige Mäuse im Maul, vermutlich die Beute, die ihr Schüler erlegt hatte.

Der älteren Kätzin folgte schließlich ein ganzer Haufen Katzen, nicht zuletzt Libellenpfote, der mit so stolz erhobenem Kinn das Lager betrat, dass Schmutzjunges gar nicht erst fragen musste, ob er bestanden hatte.

"Libellenpfote!", rief Schmutzjunges freudig und lief ihm entgegen. Der gefleckte Kater schnurrte laut, als er sie sah.

"Hallo, Schmutzjunges!"

Schnurrend schmiegte sich die Tigerkätzin an seine Flanke, denn mittlerweile war sie gerade so groß, dass sie ihm knapp an den Bauch reichte.

"Habt ihr alle bestanden?", fragte sie neugierig, doch als sie sich die anderen Katzen ansah, wusste sie die Antwort schon. Schwalbenpfote lief mit hängendem Kopf am Ende der Gruppe, in ihrem rauchblauem Fell hingen Moos und diverse Zweige, aber ihr Mentor Gelbschweif war der Einzige, der keine Beutetiere im Maul hatte.

Sie hat es nicht geschafft, erkannte Schmutzjunges ungläubig, Mitleid keimte in ihr auf. Wie war das möglich? Schwalbenpfote war stets eine talentierte und wissbegierige Schülerin gewesen und Gelbschweif hatte nie ein schlechtes Wort über ihr Training verloren. Wie konnte es sein, dass sie nicht einmal einen Frosch erwischt hatte?

Libellenpfotes Schweif schnippte nervös.

"Schwalbenpfote hat die Jagdprüfung komplett verhauen, keine Ahnung warum. Sie ist gedanklich ganz woanders, kommt mir vor", miaute der Schüler mit gesenkter Stimme und fiel hinter seiner Mentorin zurück.

Moosschwinge würde nun Ameisenstern vom Erfolg ihres Schülers berichten, das wusste Schmutzjunges noch vage von der ersten Kriegerernennung, die sie erlebt hatte. Es war Rußnarbe gewesen, der Schüler ihres Vaters. Er hatte ihr immer sehr leid getan, wegen seines Namens, den er wegen den Narben an seinem Körper erhalten hatte.

Schmutzjunges stupste Schwalbenpfote mit der Nase an.

"Bestimmt bestehst du nächstes Mal", versprach sie, jedoch klang ihre Stimme nicht so aufrichtig und fröhlich, wie sie es sich gewünscht hatte. Die bläulich-graue Kätzin beachtete sie gar nicht, sondern ging an ihr vorbei und schlurfte mit hängenden Schultern in den Schülerbau.

"Lass ihr etwas Zeit", maunzte Libellenpfote. "Es ist hart für sie, dass ihr Bruder ernannt wird und sie nicht."

"Aber sie wird doch zu seiner Zeremonie kommen, oder nicht?"

"Natürlich wird sie das. Eulenpfote ist ihr bester Freund, sie würde ihm gegenüber niemals missgünstig sein." Mit diesen Worten verabschiedete sich Libellenpfote, um zum Frischbeutehaufen zu gehen und noch schnell eine Eidechse zu verputzen, bestimmt war er von den Prüfungen ausgelaugt.

Zweifelnd blickte Schmutzjunges hinüber zum Schülerbau. Schwalbenpfote war schon immer eine äußerst gute Jägerin gewesen und nun das? Irgendetwas stimmte da nicht, jedoch blieb ihr nicht viel Zeit, um über das seltsame Verhalten ihre Clan-Gefährtin nachzudenken, denn Ameisenstern trat aus dem Bau. Sein dunkler, schwarzglänzender Pelz sah gepflegt und glatt aus, genau so wie das Fell seines Sohnes Rabenjunges und in seinen gelben Augen leuchtete Stolz.

Der große, schlanke Kater stolzierte über die Lichtung und erklomm mit einem eleganten Satz den Baumstumpf, auf dem er schließlich Platz nahm und seinen Schweif auf seinen Vorderpfoten ruhen ließ.

"Ich bitte alle Katzen, die alt genug sind, auf den Mooren zu laufen, sich hier unter dem Baumstumpf zu einem Clantreffen zu versammeln", rief Ameisenstern und die Katzen, die nicht sowieso schon auf der Lichtung warteten, kamen aus ihrem Bauen, um dem Clantreffen beizuwohnen. Kurz raschelte der Lagereingang, als Schilfpfote im letzten Moment dazukam, doch dann wurde es still.

"Heute darf ich eine meiner liebsten Zeremonien durchführen: die Ernennung neuer Krieger. Wieder einmal hat der SumpfClan zwei großartige Katzen großgezogen, die nun bereit sind, in die Pfotenstapfen ihrer Vorfahren zu treten und als vollwertige Krieger in den Reihen des Clans aufgenommen zu werden. Eulenpfote und Libellenpfote, bitte tretet nach vorne."

Schmutzjunges sah vom Rand der Lichtung aus zu, wie Libellenpfote und Eulenpfote der Anweisung folgten und sich aus der Menge lösten. Neben dem Anführer, der oben auf dem Baumstumpf thronte, wirkten beide winzig. Eulenpfotes flauschiges, halblanges Fell war vor Aufregung gesträubt und Libellenpfote hatte die Ohren leicht angelegt, doch sonst sah man ihm seine Nervosität nicht an.

"Ihr beiden habt hart gearbeitet, um euch den Respekt eurer Clan-Gefährten zu verdienen. Von nun an sollt ihr Krieger sein, es sei denn, ihr könnt mir folgendes Versprechen icht geben. Versprecht ihr, Eulenpfote und Libellenpfote, dem Gesetz der Krieger zu folgen und euren Clan zu beschützen, selbst wenn es euch das Leben kostet?"

Die uralten, zeremoniellen Worte jagten Schmutzjunges einen angenehmen Schauer über den Rücken. Wie viele Anführer sie wohl schon gesprochen hatten? In solchen Momenten fühlte sich die junge Tigerkätzin ihren Ahnen ganz nah, als wäre der SternenClan höchst selbst in der Katzenmenge anwesend und würde den Worten lauschen, so wie sie.

"Ich verspreche es!", rief Eulenpote voller Stolz und blickte kurz hinüber zu seiner Schwester und zu Schwarzfrost. Obwohl Schwalbenpfote immer noch geknickt aussah, sah Schmutzjunges sie etwas lächeln.

"Ich verspreche es auch", fügte Libellenpfote hinzu, der warme Blick Ameisensterns ruhte auf ihm.

"Dann möchte ich euch nun eure neuen Namen geben. Eulenpfote, du wirst von nun an Eulensprenkel genannt werden. Der SternenClan ehrt deinen Ehrgeiz und deine Heiterkeit und wir heißen dich als vollwertiges Mitglied im SumpfClan willkommen."

Sofort erhoben sich begeisterte Rufe und Glückwünsche in der Menge.

"Eulensprenkel! Eulensprenkel! Eulensprenkel!"

Mit freundlichen Nasenstübern wurde der cremefarbene Kater unter den Kriegern willkommen geheißen, bis Amiesenstern ihnen mit einer Schweifgeste Ruhe gebot. Sein Blick wanderte nun wieder zu Libellenpfote.

"Libellenpfote, dich wird man von diesem Moment an Libellenflügel nennen. Der SternenClan ehrt deine Geschicklichkeit und deine Intelligenz und wir heißen dich als vollwertiges Mitglied im SumpfClan willkommen."

"Libellenflügel" Libellenflügel!", rief Schmutzjunges inbrünstig, sie war nicht mehr traurig, dass sie ohne ihn Schülerin sein würde. Ihr bester Freund hatte es sich verdient und sie würde ihm das niemals kaputt machen wollen.

Schließlich kämpfte Schmutzjunges sich durch ein Meer an Pfoten, um Libellenflügel zu gratulieren, was gar nicht so einfach war, da jeder sie niedertrampeln zu wollen schien, aber am Ende schaffte sie es dann doch, zu dem frisch ernannten Krieger durchzudringen.

Freudig kuschelte sie sich in sein weiß-braunes Fell.

"Herzlichen Glückwunsch! Libellenflügel ist so ein toller Name!", miaute sie über die Rufe ihrer Clan-Gefährten hinweg und ließ sich von dem schlanken Kater durch die Menge tragen.

"Danke, Schmutzjunges", schnurrte er und hob stolz das Kinn. Schmutzjunges war sehr froh, ihn zu haben. Was täte sie nur ohne ihren besten Freund?

Solange ich Libellenflügel habe, brauche ich niemand anderen. Wir sind das perfekte Team.

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