5.
SchneeClan-Katzen stanken. Das war das erste, was Blumenpfote auffiel, als sie die Grenze überquerten. So stellte sie sich den Geruch von Füchsen, Dachsen und Monstern gemeinsam vor.
Das Territorium, auf dem sie sich befanden, war durchwegs von der Sonne erleuchtet, wirkte allerdings durch die Nadelbäume, die die Wege säumten, kühl und feucht. Als Blumenpfote den fremden Wald betrat zuckte sie zuächst zurück, die abgefallenen Nadeln unter ihren Pfoten fühlten sich weich an, wie ein Körper. Angewidert schüttelte sie sich die modrigen Nadeln von den Pfoten und folgte der Patrouille, die ihr vorraus durch den Wald tappten, als gehöre er ihnen. Das hatte er sogar einmal, bevor Bachstern das Gebiet dem SchneeClan abgetreten hatte, weil dieser ihre Schwester in seiner Gewalt gehabt hatte. Mit dem SchneeClan war nicht zu spaßen.
Wir hätten lieber an der Grenze auf eine SchneeClan-Patrouille warten sollen, dachte Blumenpfote schweifschnippend. Konnte sich keiner in dieser Gruppe denken, dass sie so das Risiko erhöhten, angegriffen zu werden?
Je tiefer sie in den Wald eindrangen, desto heller wurde es, da die Bäume nicht mehr so nah bei einander standen und mehr Licht hindurchließen. Irgendetwas an diesem Wald störte Blumenpfote, doch sie konnte nicht herausfinden was, bis ihr Blick einen Maulwurfshügel streifte.
Wo war die Beute? Sie hörte keinen einzigen Vogel singen, keine Maus rascheln, kein Eichhörnchen knabbern. Der Wald schien wie tot. Hatten die Beutetiere vielleicht auch Probleme mit Krankheiten, gab es eine Seuche?
Die Antwort auf diese Frage bekam sie nicht und sie konnte auch nicht weiter darüber nachdenken, denn direkt neben ihr stürmte plötzlich ein Schatten aus dem Gebüsch, rammte sie mit voller Kraft um und presste sie zu Boden. Vor Schreck schrie Blumenpfote auf, ließ das Kräuterbündel fallen und trat um sich, doch gegen die enorme Kraft ihres Gegners konnte sie sich nicht wehren.
Zum Glück hatte ihr Schrei die anderen Katzen der Patrouille herumwirbelnd lassen. Knurrend wagte sich Moorsturm zu der fremden Katze vor, hielt aber einen Sicherheitsabstand zu ihr.
Zittrig hob Blumenpfote den Blick, ihr Kopf wurde mit solcher Macht auf den Boden gedrückt, dass sie nur die Augen bewegen konnte. Doch mitten in dieser Bewegung hielt sie inne. Auf ihrer Wange, wo die Pfote der Katze saß, erblickte Blumenpfote die größten Krallen die sie je gesehen hatte. Sie schluckte. Ein gut gezielter Schlag mit diesen Krallen konnte sie umbringen! Mit innerlich aufkommender Panik hielt die Schülerin komplett still und hielt ohne es zu merken die Luft an.
"Was wollt ihr hier?", knurrte der Fremde zwischen den gebleckten Zähnen hindurch, Blumenpfote roch, dass es ein Kater war, und eindeutig SchneeClan. Der Krieger hatte weißes Fell, wie Schnee, das von dunkelbraunen Flecken durchzogen war. Seine Augen, grün wie das Gras blitzten angriffslustig.
"Wir sind gekommen, um unsere Königin nach Hause zu holen", antwortete Moorsturm bemüht ruhig, aber die Heilerschülerin sah im Augenwinkel, dass seine Muskeln alarmiert angespannt waren.
"Ach tatsächlich? Und sie dachte schon, ihr kommt nicht mehr", höhnte der fremde Kater und lockerte den Griff um Blumenpfote etwas. Noch wollte sie sich allerdings nicht befreien, zu groß war die Gefahr, einen Schlag dieser Krallen zu kassieren.
"Würdest du bitte meine Tochter loslassen? Sie hat nichts getan."
Moorsturm näherte sich langsam um Blumenpfote notfalls beschützen zu können, doch das war gar nicht nötig.
"Gewissermaßen schon, da sie in unser Revier eingedrungen ist, aber von mir aus."
Erleichtert nahm Blumenpfote einen tiefen Atemzug, als der Kater von ihr abließ und sah sich nach dem Kräuterbündel um, doch sie konnte es nicht finden. Es konnte doch nicht einfach verschwunden sein! Gerade als sie einen Hang nach den wertvollen Pflanzen absuchen wollte, rief ihr Vater sie zu sich.
"Ist alles in Ordnung bei dir?", miaute er besorgt und schnupperte sie nach Verletzungen ab.
Bestimmt schob Blumenpfote Moorsturm von sich.
"Mir geht es gut. Ich hab nur die Kräuter fallen lassen."
"Vergiss die Kräuter. Wir müssen Honigfrost finden und zurückbringen, bevor die Jungen zum SternenClan gehen. Du kannst sie später sicher holen", drängte sie der rotbraune Kater und zog sie von dem Hang fort.
Er hat ja Recht. Sie werden schon nicht weglaufen, gab Blumenpfote gedanklich zu und folgte ihrem Vater zurück zur Patrouille, wo sich der gefleckte SchneeClan-Kater gerade aus dem Staub machen wollte.
"Wo willst du hin?", rief ihm Federbach noch nach, seine Stimme kam nur leise zurück.
"Folgt mir! Oder wollt ihr hier im Wald vergammeln?"
"Gutes Argument", knurrte die Zweite Anführerin des RegenClans entnervt und schlug sich hinter dem gefleckten Kater ins Gebüsch.
"Los kommt schon, wir haben nicht ewig Zeit", rief die silbern Gestreifte noch zurück und die Katzengruppe folgte ihr in die Farne.
Blumenpfote bildete erneut das Schlusslicht, war diesmal aber viel wachsamer. Obwohl sie sich nicht einmal gegen einen Schüler wehren hätte können, war sie sich sicher, dass sie, wenn sie schnell genug reagierte, einen Angreifer rechtzeitig parieren konnte.
Überraschenderweise war das Lager des SchneeClans gar nicht so weit weg gewesen, schon eine Baumlänge von dem Pfad entfernt erhob sich ein stacheliger Ginsterwall migtten im Wald. Blumenpfote konnte leise Stimmen vernehmen und roch sehr viele Katzen, die diesen Weg vor ihr schon gegangen waren.
Der gefleckte Kater hielt kurz an.
"Tretet doch ein", meinte er mit einem undeutbaren Grinsen im Gesicht. Angesichts dea Angriffs von vorhin hielt Blumenpfotes es aber weniger für ein freundliches Lächeln.
Etwas zögerlich durchschritt Moorsturm den Wall als erster, ihm folgten die restlichen Katzen in Reih und Glied, mit Blumenpfote zuletzt. Das Lager sah ganz anders aus, als die Heilerschülerin es sich vorgestellt hatte. Viel heller, viel lebendiger. Auf der Lichtung spielten zwei Junge, die aber sofort von einer besorgten Königin zurückgerufen wurden, als diese die fremden Katzen entdeckte.
Und am Rand der Lichtung, traurig zusammengekauert...saß Honigfrost, und Blumenpfote sah erleichtert, dass ihre Milchzitzen noch immer prall gefüllt waren. Hoffentlich kamen sie noch rechtzeitig, um den Jungen die Milch auch zu geben.
Als der aufkommende Aufruhr im Lager auch die goldenen RegenClan-Königin erreichte, riss sie mit einer unendlichen Erleichterung in den Augen den Kopf hoch, rappelte sich auf und rannte direkt auf die Patrouille zu, wo sie das Gesicht schluchzend in Flammennarbes Fell barg. Aufgeregt wie ein aufgescheuchtes Rebhuhn fragte sie ihren Gefährten über die Jungen aus, der ihr flüsternd antwortete.
Währenddessen erhob sich auf einem aufragenden Felsen eine dürre Gestalt, dessen Schatten, von der steigenden Morgensonne geworfen, den Anblick der RegenClan-Katzen verdunkelte. Mit einem Schweifschnippen brachte Moorsturm Honigfrost und Flammennarbe zum Schweigen.
"Soso. Ihr seid also doch gekommen", miaute die magere Kätzin mit einem gespielt überraschten Ton in der Stimme.
Moorsturm musterte sie nur mit zusammengekniffenen Augen. Blumenpfote blickte ebenfalls zu der graubraunen Kätzin auf, als sie plötzlich etwas an ihren Pfoten spürte. Als sie zu Boden blickte, raste ein kleines, weiß-graues Junges wie von der Wespe gestochen, davon.
Kleiner Schisser.
"Wir sind gekommen, um unsere Königin Honigfrost heimzuholen. Sumpfstern hofft, dass wir uns friedlich einigen können, aber seid gewarnt, wie werden nicht zögern, um sie zu kämpfen."
Federbachs Stimme war gefährlich ruhig, ihre eisblauen Augen funkelten kalt.
"Aber gern doch. Ihr könnt sie mitnehmen."
Überrascht sog Blumenpfote die Luft ein. Sollte es wirklich so einfach gehen? Das war doch eine Falle!
Auf einmal neigte die hagere Kätzin den Kopf auf den Boden, als würde sie dem Felsen, auf dem sie stand, lauschen. Dann richtete sie sich wieder auf.
"Mit der Bedingung, dass diese Katze den Platz eurer Königin einnimmt."
Stille. Mit purem Entsetzen in den Augen starrte Blumenpfote auf die hakenförmige Kralle der SchneeClan-Anführerin.
Die Kralle, die auf sie gerichtet war.
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