22.
"Was tut dir...?"
Weiter kam sie nicht. Das weiße in ihren Augen trat hervor, als sich die golden gestreifte Kätzin zusammenkrümmte und vor Schmerz heulte. Schaum trat aus ihrem Maul aus, ihre Krallen gruben sich in den Boden, wie die Fänge eines Greifvogels.
Gleichzeitig erschüttert und zufrieden starrte Blumenpfote auf ihr Werk. Sie war frei...konnte gehen, wohin sie wollte. Aber etwas fühlte sich nicht richtig an. Sie hatte eine Katze getötet. Sie, eine Kätzin, die anderen das Leben retten und nicht zerstören sollte. Blumenpfote hatte das Leben einer Katze auf dem Gewissen.
"Was hast du getan?!", kam es auf einmal von hinten. Purer Schrecken stand in Entenjunges kristallblauen Augen.
Blumenpfote drehte sich langsam zu ihm um. Die Last dieses Todes drückte auf ihre Schultern.
"Ich habe getan, was ich tun musste, Entenjunges."
"Du hast sie getötet! Du bist eine Heilerin, du darfst nicht töten!", schrie Entenjunges schrill. Noch nie hatte Blumenpfote ein Junges so sehr entsetzt und aufgebracht gesehen.
"Ich habe sie nur getötet, damit mein Clan überlebt!", verteidigte sich Blumenpfote. Sie fuhr die Krallen aus, eintiefes Grollen drang aus ihrer Kehle.
"Verstehst du es immer noch nicht? Wir wollen doch nichts anderes! Denkst du, wir wollen nicht leben? Denkst du, uns gefällt es, dass wir jede Blattleere von schrecklichen Krankheiten heimgesucht werden. Denkst du, wir hoffen nicht, dass der SternenClan uns von diesem Leid erlöst, damit wir endlich in Frieden leben können?"
Das kreischte der kleine Kater in Blumenpfotes Gesicht. In ihr Gesicht. Das Gesicht einer Mörderin.
Ihre Hinterpfoten stießen an Harzfeuers fiebernden Leichnam, als sie einen Schritt zurücktrat.
Alles ändert sich, wenn man es von einem anderen Blickwinkel aus betrachtet. Die Clans. Unterschiedliche Sichtweisen. Aber nur ein Ziel. Überleben. Es ist alles ein großes Missverständnis!
Es schoss Blumenpfote ein, wie ein Blitz. Das war es, was Ginsterlied gemeint hatte. Die zwei Clans, die sich immer gehasst hatten, waren hinter einem einzigen Ziel her. Überleben und den Nachkommen eine sichere Heimat bieten. Doch die Clans waren zu engstirnig gewesen, um dies einzusehen. So engstirnig und einfältig wie Blumenpfote selbst. Sie wollte keine Mörderin sein. Nicht wenn es noch eine kleine Chance gab, dass Harzfeuer es schaffte. Es war ihre Aufgabe, zu heilen. Es war ihre Aufgabe, alles in Ordnung zu bringen.
Blumenpfote wirbelte zu der Kätzin herum, die auf dem Boden lag und keuchend atmete. Ihre Augen waren zu schwarzen Seen der Furcht geworden, während ihre Flanken sich zusammenzogen, als das Gift sich seinen Weg durch ihren Körper bahnte. Aber sie lebte noch. Es blieb jedoch nicht viel Zeit. Wenn das Gift ihre lebenswichtigen Organge erreicht hatte, war es aus.
"Bringt mir Schafgarbe. Du weißt schon, das mit den weißen Blütendolden", wies sie den kleinen, grau-weiß gefleckten Kater an, der überraschenderweise gehorchte. Schafgarbe war eines der Kräuter, die sie in das Paket gepackt hatte, falls sich jemand an den Pfotenballen verletzte, aber jetzt hatte es einen viel wichtigeren Zweck. Als Entenjunges die Pflanzen brachte, riss sie die Blätter ab, zerrieb sie ein wenig, damit der Saft schneller wirkte und schob sie Harzfeuer ins Maul. Mit kräftigen Pfotenbewegungen, sorgte sie dafür, dass die golden gestreifte Kätzin die Kräuter auch schluckte.
Einen kurzen Moment passierte gar nichts. Doch dann bäumte Harzfeuers geschwächter Körper sich auf und erbrach den gesamten Inhalt ihres Magens. Eine unheimliche Erleichterung erfasste die Heilerschülerin, als sie die zermatschte, rote Beere in dem Erbrochenen ausmachen konnte.
Die SchneeClan-Kriegerin fiel erschöpft zur Seite, ihr Atem ging stoßweise, doch als Blumenpfote nach ihrem Herzschlag fühle, hatte sich dieser schon beinahe wieder normalisiert. Harzfeuer würgte noch einige Male, aber nichts kam mehr aus ihrem Maul und so brach sie einfach zu einem zitternden Bündel Fell zusammen.
"Du hast sie also gerettet. Und was hast du jetzt vor?", fragte Entenjunges, der neben seine Clangefährtin getreten war. Seinen Blick konnte Blumenpfote nicht deuten, aber er schien sich tief in ihre Seele zu bohren, auf der Suche nach der Wahrheit.
Blumenpfote wusste es selbst nicht genau, aber eines war klar. Sie musste diesen Krieg verhindern!
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