|X Flusenpfote|


„Hey Winzling! Wach jetzt sofort auf. Funkensturm wünscht dich auf der Lichtung."

Weißwind ließ keinen Zweifel daran, dass sie Flusenpfote nicht mochte. Bevor der junge Kater überhaupt richtig wach geworden war, packte sie ihn schon am Nackenfell und schleifte ihn aus der Kinderstube.

Flussjunges öffnete die Augen und klagte leise, als die Wärmequelle verschwand und krabbelte zu Tupfengold, die mit den anderen Jungen an ihrer Seite noch ruhig schlief.

Flusenpfotes Kopf schlug gegen eine dicke Wurzel und ließ ihn für eine kurze Zeit nur Sterne sehen, doch die weiße Kätzin nahm keine Rücksicht auf ihn.

„Flusenpfote. Wie schön, dich gesund und munter zu sehen."

Die Stimme des rotbraunen Kater triefte vor Sarkasmus und der winzige Grauweiße zitterte vor Angst, als der Krieger vor ihm aufragte. Um sie herum hatte sich ein Kreis aus den Freunden des eindrucksvollen Stellvertreters gebildet.

„Deine Schonzeit ist vorbei. Wir trainieren jetzt. Und die anderen Krieger werden mir helfen. Folge mir."

Schnell eilte der Kleinere hinter dem Rotbraunen her. Sein Weg führte ihn an der Trainingskuhle vorbei und in den Wald.

„So, Winzling, du musst jetzt versuchen, uns im Wald zu entfliehen. Wir werden dich verfolgen und immer wieder angreifen und du verteidigst dich."

Der gefährliche Unterton blieb nicht unbemerkt und die anderen Krieger verzogen spöttisch die Schnauzen.

Eine lange Kralle fuhr auf seinen Schwanz hinunter und bohrte sich hinein. Flusenpfote jaulte leise auf und rannte los.

„Ja! Renn nur! Aber wir kriegen dich!"

Er hetzte durch den Wald, nicht darauf achtend, wohin er lief. Bald schon schmerzte sein ganzer Körper und er sank erschöpft zu Boden. Er hatte seit letztem Sonnenhoch nichts gegessen und seine Beine gaben schließlich zitternd nach. Flusenpfote konnte nicht mehr, er hatte sich nach fast zwei Monden Waldverbot vollkommen verausgabt.

„Wen haben wir denn hier? Etwa schon aufgegeben?"

Grünklees Stimme war boshaft und als der etwas pummlige Kater Funkensturm rief, wusste Flusenpfote, dass nun sein Ende gekommen war.

„Da bist du ja, Flusenpfote. Steh auf und klettere den Baum da hoch. Dann werde ich dir weiteres erklären."

Der Weißgraue zögerte nicht. Er wusste, sonst würde die Bestrafung schlimmer ausfallen. Er kämpfte sich bis in die Krone der großen Eiche, die Funkensturm ihm gezeigt hatte.

„Und jetzt, spring runter. Ich sagte doch, wir trainieren. Da kann ich dich nicht mit Kratzwunden zurückkehren lassen. Aber natürliche Wunden funktionieren immer."

Der riesige, rotbraune Kater stieß mit seinem Körper kräftig gegen Flusenpfote. Der winzige Schüler schrie erschrocken auf, als er das Gleichgewicht verlor und stürzte. Die Luft riss an seinen frisch nachgewachsenen Federn und er hatte Schwierigkeiten, die Flügel auszubreiten.

Wie ein erloschener Stern raste er dem Boden entgegen und konnte im letzten Moment seine Schwingen spreizen und erneut in die Höhe gleiten. Er landete auf einem nahen Ast und duckte sich unter Grünklee hinweg, der eine Attacke auf ihn gestartet hatte.

Doch als er ein schweres Gewicht auf seinem Rücken spürte und das Holz bedrohlich knackte, erkannte er, dass nicht er das Ziel gewesen war.

Ein schwerer Ast lag auf seiner Flanke und er konnte sich nicht rühren, da Funkensturm sich auf das Holz gesetzt hatte.

Ein absurder Gedanke schlich sich in Flusenpfotes Kopf.

Würde Eibenpfote ihn vermissen, wenn er starb?

Vermutlich nicht, aber der dunkelgraue Kater war es wert, dass er überlebte. Der Grauweiße mochte ihn. Sehr sogar. Diese Vorstellung schien zu reichen, denn der Ast wurde von seinem Körper gehoben.

„Für heute bist du entlassen. Du schläfst aber immer noch in der Kinderstube, hörst du? Die anderen Schüler sollen sich nicht mit dir herumplagen müssen. Geh jetzt jagen und bring mindestens drei Beutestücke mit."

Er nickte, dankbar, dass die Hetzjagd nun ein Ende gefunden hatte. Trotzdem sah er sich immer wieder paranoid um, als er später im Wald auf Jagd ging. Woher konnte er sicher sein, dass Funkensturm ihm nicht auflauerte? Das hatte er schon einmal getan.

Ein Knacken lenkte seine Aufmerksamkeit nach vorne und er konzentrierte sich auf die Maus, die unvorsichtig an einer Haselnuss knabberte. Er kauerte sich hin, schlich sich an das winzige Wesen an. Mit seinem Sprung war die Jagd eröffnet. Schließlich landete der Kater perfekt auf ihr und brach ihr blitzschnell das Genick.

Eins erledigt, zwei übrig.

Flusenpfotes Seite schmerzte, doch er musste dieses Kaninchen kriegen. Es hüpfte panisch vor ihm durch den Wald, floh vor seinen scharfen Krallen. Mit einem mächtigen Schwung seiner Flügel stürzte er sich auf die Beute und erledigte sie mit einem schnellen Nackenbiss. So musste es nicht leiden.

Nach dem misslungenen Fang einer Amsel und einem zweiten Kaninchen schleppte er sich mit seiner Beute, die fast so viel wog wie er selbst, ins Lager zurück. Inzwischen brannten die Muskeln in seinen Schwingen wie Feuer und seine Flanke pochte unangenehm.

Die Sonne ging gerade unter, als er den Frischbeutehaufen erreichte und das Gewicht darauf ablegen konnte. Er schnappte sich eine kleine Waldmaus und verzog sich zwischen die Wurzeln des Baumes, der auch die Kinderstube und den Anführerbau beherbergte, um in Ruhe essen zu können.

Flusenpfote beobachtete neidisch, wie Narbenpfote mit seiner Mentorin Irisbrise zurück ins Lager kam, glücklich herumhüpfte und aufgeregt mit den anderen Schülern redete. Seine graue Ausbilderin unterhielt sich währenddessen mit Schwarznacht.

Mit gesenktem Kopf und hängenden Flügeln schlich er sich schließlich zurück zu seinem Nest und ohne den Königinnen auch nur einen Gruß zukommen zu lassen, verschwand er in seinem Nest und vergrub seinen Körper darin.

Auch Flussjunges, mit der er in den zwei Monden, die er nun schon in der Kinderstube verbrachte, einen engen Bund aufgebaut hatte, konnte ihn nicht aufmuntern.

Er schlief mit dunklen Gedanken ein und wurde mitten in der Nacht von winzigen Krallen geweckt, die sich sanft in seine Nase bohrten. Der junge Schüler fuhr hoch.

„Flusenpfote. Flusenpfote. Wach auf. Bitte. Tupfengold hat ein Problem."

Blitzjunges saß vor ihm, die Augen angstvoll geweitet. Sofort wurde sein Herz weich und er fragte sie:

„Was ist los, Blitzjunges?"

„Ich glaube, Tupfengold bekommt ihre Jungen!"

———~———

Lateinlernen lässt grüßen. Was man nicht alles macht, um dieser Sprache aus dem Weg zu gehen.

Eure Wolke (die keine Motivation hat, da sie heute noch sieben Cicero-Texte auswendig lernen darf... :/ )

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