|VII Wüstentraum|
Wüstentraums Bauch zog sich in Schmerzen zusammen, immer wieder. Sie keuchte auf, wusste, es war zu früh, viel zu früh.
Wieso? Der SternenClan durfte ihr dies nicht antun! Sie war ihm immer treu gewesen, ihr Vertrauen hatte nie gewackelt, obwohl er ihr nicht einen Beweis geschickt hatte, dass er überhaupt existierte!
Kristallwächter war bereits fort. Warum wollten sie ihr nun auch noch ihre Jungen nehmen?
Die Getigerte schreckte aus ihrem provisorischen Nest hoch und blickte sich gehetzt um. Da war ein Geräusch gewesen, ein Knacken.
Sie hatte sich aus dem Lager geschlichen, die Geröllfelder hinunter und an den Pinienhang, als sie gespürt hatte, was los war. Es war unmöglich, dass ihr jemand gefolgt war, es sei denn...
Nein. Daran durfte sie überhaupt nicht denken. Ihre Mitheiler konnten gar nichts davon mitbekommen haben. Sie hatte es gut vertuscht. Hatte so getan, als wäre sie krank. Ihr Unwohlsein, ihre ständigen Bauchkrämpfe, allerdings, die waren echt gewesen.
Eine kräftige Schmerzwelle erfasste sie und sie konnte nur noch daliegen, ihr Maul zugepresst halten und die Pein über sich ergehen lassen.
Nach endlosen Stunden war es vorbei.
Zwei blutige Bündel lagen im Moos und rührten sich nicht. Sie waren winzig, viel zu klein für diese grausame Welt.
Wüstentraum heulte erstickt auf. Sie hatte bereits Fehlgeburten erlebt, allerdings nicht so.
Es waren immer andere gewesen, die ihre Jungen verloren. Nie sie selbst. Es tat weh. Es zerriss sie innerlich, die Trauer stürzte sich wie ein Monster auf sie, verschluckte sie.
Sie brauchte Kristallwächter. Wo war er?
Kalt überflutete sie die Wahrheit wie ein reißender Fluss. Kristallwächter war tot. Ihre Jungen waren tot. Und der SternenClan war Schuld daran.
Plötzlich tauchten, wie ein Rettungsanker in einer Sintflut, Steinpfote und Unkenruf aus dem Gebüsch auf. Beide atmeten schwer. Der Blick der zierlichen, weißen Heilerin mit den braunen Tupfen fiel auf die zusammengekauerte Kätzin. Sie zog scharf die Luft ein.
„Wüstentraum, geht es dir gut? Wir haben bemerkt, dass du nicht in deinem Nest warst und sind deiner Geruchsspur gefolgt. Moment, wieso riecht es hier nach Blut?" Die große, ehemals eindrucksvolle Getigerte hob den Kopf und deutete nur schwach in Richtung der Jungen.
—~—
„Wir sind für dich da..." Steinpfote liefen einzelne Tränen über die Wangen, als er den verlorenen Ausdruck in den Augen seiner Mentorin sah. Er legte sich zu ihr, schmiegte sich an sie, stand ihr bei. Mit langsamen Zungenstrichen begann er, ihr Fell vom roten Lebenssaft und dem Dreck zu befreien, der sich darin verkrustet hatte.
„Sie sind alle fort, Kristallwächter... Alle! Warum? Warum tut der SternenClan mir das an?" Sie schien zu halluzinieren. Vermutlich hatte ihr der Schock stärker zugesetzt, als bisher angenommen. Dann aber wurde der Schüler hellhörig. Kristallwächter? Das war doch der HimmelClan-Krieger, der bei dem verheerenden Felsrutsch vor einem halben Mond ums Leben gekommen war!
Die Felslawine, bei der der dunkelbraune Kater seinen Vater verloren hatte und bei der seine Schwester bleibende Schäden davon getragen hatte.
Waren seine clantreue Mentorin und der Krieger etwa Gefährten gewesen? Waren dies womöglich sogar seine Jungen, die sie heute geboren hatte?
Auf einmal schien sie sich wieder klar zu werden, wo sie sich befand und sah zu ihren Kindern. Unkenruf grub gerade ein Loch, tief genug, damit die Kätzchen vor Füchsen und Dachse geschützt waren. Die getigerte Heilerin wankte zu ihr hinüber und stürzte sich in die Arbeit. Ihre Augen waren trübe, als wäre jeglicher Lebenswille aus ihnen gewichen. Steinpfote war sich bewusst, jetzt mussten sie auf seine Mentorin achtgeben und sie gut beobachten.
Er würde sein Gespräch mit Funkelpfote wohl noch einmal verschieben müssen, nicht, dass es ihm etwas ausmachte. Das bedeutete mehr Zeit zum Vorbereiten, seelisch und körperlich.
Zitternd vor Anstrengung beendete Wüstentraum das Loch und legte sich erschöpft daneben. Liebevoll zog sie eines der winzigen Kätzchen heran und begann, ihm den Pelz zu putzen. „Du wirst zwar nie die Augen öffnen, wirst aber dennoch im SternenClan ein neues Zuhause finden, Pinienjunges." Sie säuberte auch noch das Zweite und nannte es Sommerjunges. Mit einem letzten Stupser bedeutete der Dunkelbraune der Älteren, das Loch zu füllen.
Immer mehr Erde bedeckte die zwei Körper und neben ihm lächelte die eindrucksvolle Kätzin selig. „Ich verzeihe euch, SternenClan. Ihre Zeit war gekommen. Und auch Kristallwächter, ich werde dich irgendwann wiedersehen."
—~—
Wüstentraum fühlte sich vollkommen ruhig. Ihre Gedanken waren zum Stillstand gekommen, sie hatte Entspannung gefunden. Ein unsichtbares Gewicht hatte sich von ihren Schultern gelöst, in dem Moment, als sie ihren Ahnen verziehen hatte. Es hatte etwas Erschreckendes gehabt, dieses Ereignis erneut durchleben zu müssen.
Doch etwas war anders gewesen als sonst. Immer wieder hatte sie in den letzten Monden in Steinfells, damals noch Steinpfotes, Gedanken eintauchen müssen.
Allerdings hatte sie den Katzen oben im Silbervlies nie verziehen. Dies war auch bei der echten Begebenheit nicht passiert, nein, sie hatte ewigen Hass auf den SternenClan geschworen.
Ein stilles Lächeln breitete sich auf dem Gesicht der Heilerin aus, sie schloss ihre Augen erneut und sank zurück in den Schlaf.
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Guten Tag, meine Lieben!
Und? Und? Was haltet ihr von den Enthüllungen? O-O
Das nächste Kapitel kommt am 01.01.2023. Ich wünsche euch ein schönes Silvester!
Möge der SternenClan über euch wachen.
Eure Wolke
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