Kapitel sieben
Warmes Morgenlicht brach durch die Äste der Tanne, die vor dem Höhleneingang lag, und tauchte die Baue der Katzen in einen goldenen Schein, der den langsam dahin schwebenden Staub erleuchtete. Sie hatten sich dazu entschieden, den Baum dort liegen zu lassen, da er es verhinderte, dass alles, was größer als eine Katze war, in die Höhle gelangte um ihnen gefährlich zu werden - außerdem hatten sie keine große Wahl gehabt, da es äußerst schwierig gewesen wäre, ihn von dort wegzuschieben. Die zweite Tanne, die von der Lawine gefällt wurde, war entzwei gebrochen und diente nun als neuer Anführerfelsen, da der alte bis ins Tal hinunter geschlittert war. Den oberen Teil des Stammes hatten sie ebenfalls aus dem Lager entfernt, sodass nun nur noch der untere Teil samt Wurzel da lag; der Stamm ragte auf den Lagerplatz, gestützt von kräftigen Ästen, die ihn auf einer Höhe von etwa anderthalb Fuchslängen über dem Boden schweben ließen.
Auf eben diesem Stamm saß Fichtenstern. Der große Kater hatte einen schwarzen Pelz, der in der Sonne tiefrot schien, zum Bauch und den Läufen hin jedoch so hell wurde, dass eine Tigerung auszumachen war. Er ließ die grünen Augen über den Platz schweifen, beobachtete seine Katzen, wie sie ihren Tätigkeiten nachgingen, dann erhob er sich und trat näher an das Stammesende, wo die Holzfasern wie die Zähne eines Berglöwen herausragten und auf den strahlend blauen Himmel wiesen.
"Ich fordere alle Katzen, die alt genug sind, um selbst Beute zu machen, dazu auf, sich hier zu einem Clantreffen zu versammeln!", verkündete er mit lauter Stimme und betrachtete zufrieden, wie sich von überall her Katzen auf den Platz vor ihm ergossen.
"Ich brauche deine Hilfe nicht, Esche, ich schaffe das sehr gut allein", miaute Beerenklang empört, nachdem Eschenfeder Anstalten gemacht hatte, sie beim laufen stützen zu wollen. "Ich bin die letzten Tage schon bis ins Tal gegangen, da werde ich wohl in der Lage sein, vom Bau zur Hochtanne zu gehen!" Der Kater murrte leise, erwiderte jedoch nichts. Kupferglut musste schmunzeln; es hatte noch nie Sinn ergeben, mit Beerenklang zu diskutieren, denn sie gewann am Ende doch immer.
So trat die Kätzin also ohne Hilfe aus dem Kriegerbau, in dem sie seit zwei Nächten wieder schlafen durfte, hinaus in den Hauptraum der Höhle. Ihr war anzusehen, dass die Hinterpfote noch nicht komplett geheilt war, sie setzte sie immer noch sehr vorsichtig auf, aber immerhin wirkte der Schweif normal, solange sie ihn niedrig trug. Die Kätzin hielt kurz inne, um ihrer Schwester und ihren Brüdern zu verdeutlichen, nicht hinter, sondern neben ihr herzulaufen. Ihr Geschwister verstanden und holten gefolgsam auf.
"Beere, ich möchte dich ja wirklich nicht hetzen, aber wir kommen noch zu spät zum Treffen!", gab Kupferglut zu bedenken und fing sich dafür einen äußerst giftigen Blick ein. "Keine Sonderbehandlung, ich hab's dir versprochen!", miaute der Kater verteidigend. Birkentatze schnurrte belustigt und stimmte ihm zu.
Es dauerte tatsächlich noch eine gewisse Weile, bis sie ihre Plätze neben ihren Clangefährten auf dem Lagerplatz eingenommen hatten, doch sie schienen nichts wichtiges verpasst zu haben und niemand nahm es ihnen übel, da Beerenklang sich schließlich immer noch schonen sollte.
"Kommen wir also zum wichtigsten Punkt dieses Treffens. Vor einem halben Mond haben wir ein großes Unglück erleiden müssen, das uns das Leben zweier bedeutender Katzen gekostet hat. Doch wir wollen nicht weiter um Honigfang und Finkenbart trauern - wir müssen nun stark sein, schließlich ist die Blattleere hier!
Es ist also auch an der Zeit, einen neuen zweiten Anführer zu ernennen, der mich unterstützen wird. Ich habe lange darüber nachgedacht und bin mir sicher, die richtige, wenn auch untypische, Wahl getroffen zu haben. Es ist mir demnach eine Freude, verkünden zu dürfen, dass Löwenfrost der neue zweite Anführer des GipfelClans ist!", nach diesen Worten setzte Fichtenstern sich hin, um den Katzen Zeit zu geben, auf diese Nachricht zu reagieren. Das war auch nötig, denn sofort brach Getuschel aus, der Name Löwenfrost war von allen Seiten zu hören, wurde gesagt und wieder fallen gelassen. Der Kater selbst saß einfach nur dort, zwischen Ginsterlicht und Rostschnauze, die ihm besonders zugewandt waren. Er schien von dieser Nachricht entweder nicht überrascht zu sein, oder er versteckte es sehr gut. Schließlich schien die anwesende Menge sich auf etwas geeinigt zu haben. Dohlenflug, ein schmaler, schwarz-weiß gefleckter Kater, trat vor und richtete den Blick nach oben, auf seinen Anführer.
"Löwenfrost war noch kein Mentor! Er kann nicht zweiter Anführer werden, ohne vorher einen Schüler gehabt zu haben", zustimmende Laute bestätigten diesen Einwurf.
"Danke, Dohlenflug, ich kenne die Gesetze unseres Clans. Allerdings bin ich dazu befähigt, Ausnahmen in diesen vorzunehmen, und dies werde ich tun. Außerdem werden Wellenscheins Junge bald zu Schülern und ich gedenke, Löwenfrost zum Mentor von einem zu machen, sodass er dies bald nachholen kann", Fichtenstern schaute Dohlenflug erwartungsvoll an, doch dieser trat wieder zurück, er schien nichts mehr zu sagen zu haben - zumindest nicht vor dem gesamten Clan.
Kupferglut war die ganze Zeit über still gewesen. Diese Ankündigung hatte ihm ein schreckliches Gefühl gegeben, das er noch immer nicht ganz in Worte fassen konnte - außerdem hatte er den unangenehmen Eindruck, dass seine Geschwister jede Konversation, in denen er seine Bedenken zu Löwenfrost als zweiten Anführer äußerte, direkt niederschlagen würden. Ihm war zwar bewusst, dass sie es nur taten, weil sie es für lächerlich hielten und nicht davon ausgingen, dass Kupferglut es allzu ernst damit meinte, doch genau das tat er, und er konnte nicht glauben, dass es niemandem sonst so erging. Natürlich könnte er ihnen einfach sagen, dass er es ungerecht und unhöflich fand, aber was würde es ändern? Sie würden sicherlich aufhören, sich darüber lustig zu machen, aber ihm zuhören würden sie ganz sicher nicht. Der Kater seufzte und dehnte gedankenabwesend die Krallen auf dem harten Boden aus festgetretener Erde, während er den neuen zweiten Anführer dabei beobachtete, wie dieser sich mit einer beinahe unheimlichen Anmut in seinen Bewegungen von seinem Platz erhob und die Hochtanne erklomm, um seinen rechtmäßigen Platz neben Fichtenstern einzunehmen. Kupferglut sah, wie sein Maul sich bewegte und sein Schweif herumpeitschte, doch war viel zu tief in seinen Überlegungen versunken, um ihm zuzuhören, und der Rest des Treffens floss wie ein halbgefrorener Gebirgsbach langsam dahin.
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