Kapitel dreizehn
Die Tage waren gekommen und gegangen, ohne auf die zwei Katzen Rücksicht zu nehmen, die sich ihren Weg durch den Wald bahnten. Die Bäume standen hier weiter auseinander, und es hatte sich sogar der ein oder andere Laubbaum hierher verirrt, der jedoch immer noch kahl war, obwohl der Boden schon längst nicht mehr von Schnee bedeckt war. Das allein sorgte dafür, dass die Luft wärmer war, weshalb Kupferglut sich je weiter sie gingen, immer wohler fühlte. Kurz nach dem Sonnenaufgang konnte er zwar trotzdem noch seinen Atem als kleine Wolke sehen, aber dafür wurde es bei Sonnenhoch schon beinahe so warm, dass sie bevorzugt im Schatten liefen, den die hohen Baumwipfel der Fichten warfen. Die Nadeln der Fichten waren jedoch das einzig grüne, der Rest des Waldes war von der Blattleere immer noch in eine Mischung aus verschiedensten Brauntönen gehüllt, die irgendwie zu einer faden, langweiligen Farbe verschmolzen. Kupferglut musste zugeben, dass die Blattleere im Gebirge viel schöner war als hier im Wald, aber dennoch verspürte er kein Heimweh. Bei Birkentatze war er sich da nicht ganz so sicher, er hatte die Kätzin mehrmals dabei beobachten können, wie sie in stillen Abendstunden, wenn sie dachte, allein zu sein, wehmütig zum Sonnenfall blickte. trotzdem schien sie ihre Entscheidung, ihn zu begleiten, nicht zu bereuen; und auch er war äußerst dankbar für ihre Gesellschaft, wäre es allein doch äußerst langweilig gewesen.
Die Sonne hatte beinahe den höchsten Punkt am Himmel erreicht, doch heute war ein etwas kühlerer Tag, weshalb Kupferglut und Birkentatze unbeirrt weiter durch das Unterholz trotteten. Kupferglut liebte es hier, er fühlte sich endlich ganz frei von Sorgen, ließ sich nur von der Sonne und seinen Gefühlen leiten, wohlwissend, dass alles, was nun auf ihn zukommen würde, nur noch besser werden konnte. So trabte er stets eine Fuchslänge voraus, ließ sich von Geräuschen aus dem Dickicht und den Gesängen der Vögel freudig ablenken, während Birkentatze, deren Pelz ihr wohl langsam zu warm wurde, hinter ihm her schlenderte.
"Wollen wir eine Jagdpause machen?", fragte die Kätzin von hinten. "Ich glaube, ich habe da drüben eine von den Baummäusen gesehen", sie deutete mit ihrem Schweif über seine Schulter hinweg. Die Baummäuse waren wunderliche Beutetiere, die sie im GipfelClan-Territorium noch nie gesehen hatten. Sie sahen aus wie große Mäuse, waren jedoch rostrot, hatten einen flauschigen Schwanz und kleine Pinselohren. Außerdem lebten sie auf den Bäumen, die sie nur sehr selten verließen, was es äußerst schwer machte, sie zu fangen, da weder Birkentatze noch Kupferglut sonderlich gute Kletterer waren. Wenn man jedoch eine erwischte, waren sie wirklich äußerst schmackhaft. So ließ der Kater sich gern auf eine Jagd ein.
Birkentatze holte leise zu ihm auf, dann nickte sie zu dem Baum, der einige Fuchslängen entfernt von ihnen stand. An seinem Stamm flitzte eine Baummaus entlang, die immer mal wieder auf den Waldboden hinunterkletterte, um dort im Laub zu scharren, als würde sie etwas ausbuddeln wollen. Kupferglut bedeutete seiner Schwester mit einem Ohrenschnipsen, dass sie es versuchen sollte, sie war schließlich die bessere Jägerin und ihre Chancen standen höher, die Beute zu erwischen. Fasziniert beobachtete der Kater, wie Birkentatze sich behutsam immer näher heranschlich. Ihr Schweif schwebte knapp über dem Boden, sodass sie kein Laub aufwühlte, aber auch keine Aufmerksamkeit auf sich zog. Langsam machte sie einen Bogen um das Tier, welches nun wieder zwischen den Wurzeln saß, in dem Versuch, ihm seinen Fluchtweg den Baum hinauf, abzuschneiden. Ohne zu zögern verließ Birkentatze ihre kauernde Haltung, um auf das Beutetier zu zustürmen. Die Baummaus bemerkte sie zwar und versuchte, auf den Baum zu flüchten, doch die Kätzin tat einen beeindruckenden Sprung und packte sie mit ihren Fängen. Baummäuse waren von beachtlicher Größe, weshalb diese versuchte, sich von der Jägerin zu befreien, sodass Birkentatze auf die Seite fiel, mit der Beute ringend, in dem Versuch, sie mit ihren Pfoten zu fixieren. Es dauerte einige Augenblicke, bis die große Kätzin das Tier unter Kontrolle hatte und sein Leben endlich beenden konnte. Zufrieden packte sie die Baummaus am Nackenfell und trug sie zurück zu Kupferglut.
"Du hättest mir ruhig helfen können", murrte Birkentatze, nachdem sie das Tier vor seine Pfoten gelegt hatte. Kupferglut schaute sie belustigt an.
"Du hättest mich verflucht, wenn ich versucht hätte, dir zu helfen", miaute der Kater verteidigend. Die Kätzin schnippte mit dem Ohr.
"Stimmt wohl", murmelte sie, dann ließ sie sich ihm Gegenüber nieder, um sich den ersten Bissen zu sichern.
***
Vorsichtig tappte Kupferglut durch die Dunkelheit. Die Nacht schien hier im Wald viel mächtiger zu sein, da die Baumwipfel den Mond und die Sterne zu großen Teilen verdeckten, sodass nur spärliches Licht bis auf den Boden durchdrang. All seine Sinne waren geschärft.
Er wusste mittlerweile, wie sich diese besonderen Träume anfühlten. Sie waren viel wirklicher als die Träume, die er sonst hatte, manchmal wirkten sie sogar so echt, dass er Schwierigkeiten hatte, auszumachen, wann er träumte und wann nicht. Dies war einer dieser besonderen Träume. Deshalb war er so angespannt; vielleicht würde er die graue Kätzin wiedertreffen - oder Löwenfrost. Doch bisher schien er allein im Wald umherzuirren.
"Sie heißen Eichhörnchen, weißt du", eine klare, warme Stimme ließ ihn zusammenzucken und herumfahren. Dort stand die graue Kätzin. Es war das erste Mal, dass er so sie aus so geringer Entfernung betrachten konnte. Sie war recht klein und ziemlich schmal, jedoch noch nicht so mager wie in seinen vergangenen Träumen. Über ihren Pelz waren dunkle Flecken verteilt, die jedoch nur im direkten Lichteinfall zu sehen waren; sonst wirkte ihr Fell einheitlich grau. Sie besaß große, blassgrüne Augen und ebenso markante Ohren, deren Enden nach außen geklappt waren. Außerdem war ihr Schweif nur halb so lang, wie er es hätte sein müssen.
"Die Baummäuse", fuhr sie fort, nachdem Kupferglut nicht geantwortet hatte. "Es sind nicht wirklich Mäuse, sondern Eichhörnchen", wiederholte die Kätzin freundlich, ihre Stimme zwar ruhig, aber nicht monoton. Kupferglut blinzelte nur verdutzt.
"Du hast noch nie mit mir gesprochen", stellte er überflüssigerweise fest. Die Kätzin schnurrte belustigt.
"Das stimmt. Aber ich beobachte dich schon eine ganze Weile, und bin nicht mehr von deiner Seite gewichen, seitdem du aufgebrochen bist. Ich habe immer aufgepasst, dass ihr in die richtige Richtung geht."
"Ich kenn deinen Namen nicht", miaute Kupferglut, erneut nicht auf ihre Worte eingehend.
"Ich bin Bussardkehle. Und du bist Kupferglut", antwortete sie, überhaupt nicht darüber empört, dass er sich ihr gegenüber so seltsam, und durchaus unhöflich, verhielt.
Kupferglut schüttelte den Kopf, ging langsam rückwärts, sträubte sein Fell. Er wollte das hier nicht, es war ihm unheimlich, und er wünschte sich äußerst dringend, nun in die Realität zurückkehren zu können.
So wachte er auf.
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