Kapitel acht

Eine dünne Schneeschicht bedeckte den Boden des Lagerplatzes, sodass es knirschte, wenn Kupferglut seine Pfoten daraufsetzte. Sie verbrachten jeden Morgen damit, möglichst viel des Schnees, der in der Nacht gefallen war, aus dem Lager heraus zu schieben, wobei es wiederum hilfreich war, dass der Steinwall, der das Lager einst begrenzt hatte, nun nicht mehr da war. Der Tigerkater war heute weder für eine Patrouille noch für sonstige Pflichten eingeteilt worden, weshalb er beschlossen hatte, etwas länger als gewöhnlich zu schlafen und sich dann kurz vor Sonnenhoch etwas vom Frischbeutehaufen zu nehmen - doch nun, da er vor der kleinen Kuhle stand, die sonst mit Frischbeute gefüllt war, musste er diesen Plan verwerfen. Denn die Kuhle war leer. So viel also zu seinem ruhigen Tag im Lager, jetzt war es doch an ihm, etwas Beute heranzuschaffen. Er konnte den kalten, hohen Schnee schon beinahe spüren, sein Fell stellte sich schon bei dem Gedanken, durch diesen Frost zu waten, auf.

„Oh, keine Beute mehr da?", Beerenklangs Stimme klang ungefähr so enttäuscht wie er sich auch fühlte. Kupferglut schüttelte den Kopf.

„Na dann liegt es wohl an uns", miaute die Kätzin, plötzlich überraschend energisch, „und mit uns meine ich natürlich dir. Denn du weißt ja, ich kann noch nicht wieder jagen", sie zwinkerte und stupste seine Schulter an. „Sei nicht so griesgrämig! Ich begleite dich auch, das wird spaßig!"

Spaßig stellte der Krieger es sich eigentlich nicht vor, den angenehm warmen Bau verlassen zu müssen nur um im Schnee nach Mäusen zu wühlen. Doch was blieb ihm schon anderes übrig, Beerenklang musste ihre täglichen Runden durch das Territorium ziehen, um wieder zu Kräften zu kommen und er konnte sie genauso gut begleiten.

„Na schön, wo soll's denn hingehen?", fragte er in einem bemüht freundlichen Ton.

Beerenklang schnurrte begeistert. „Was hältst du vom Waldrand? Ich habe gestern keinen großen Spaziergang gemacht, dafür bin ich heute umso motivierter!" Der Waldrand? Das war so ... weit. Eigentlich hatte Kupferglut darauf gehofft, sie würden nur einen kurzen Abstecher ins Tal machen, aber vielleicht tat ihm eine größere Jagdrunde ja mal ganz gut.

Er bereute diesen Gedanken schon beim ersten Schritt, den er tat, nachdem sie die üblichen, abgetretenen Patrouillenwege verlassen hatten. Es war noch kälter und viel unangenehmer, als er es erwartet hatte.
„Also, was sagt Heidewind, wann du wieder komplett gesund bist?", fragte er Beerenklang, die neben ihm her trottete, in der Hoffnung, ein Gespräch würde ihn ablenken.

„Hm, sie kann es nicht genau sagen. Aber ich sollte wohl in zwei Monden wieder allen Pflichten meines Kriegerdaseins nachgehen können", antwortete die Kätzin in einem beiläufigen Ton. „Viel wichtiger ist doch, was in letzter Zeit mit dir los ist"

Überrascht blieb Kupferglut stehen. „Was mit mir los ist? Wie meinst du das?"

„Glaub nicht, dass mir das nicht aufgefallen wäre! Du bist schon seit einer Weile so ... abwesend", die Kätzin hielt nun auch inne, ihre goldenen Augen musterten ihn besorgt. Kupferglut legte die Ohren an und lief voraus.

„Ich bin nicht abwesend", verkündete er in einem Ton, von dem er hoffte, er würde vermitteln, dass dieses Gespräch damit beendet sei. „Sei lieber still, sonst kann ich mich nicht auf die Jagd konzentrieren", setzte er nach kurzem Schweigen hinzu, um nicht unhöflich zu wirken, weil er sie so abgewürgt hatte. Ihm war bewusst, dass sie sich nur Sorgen machte und ihm war auch bewusst, dass an ihren Worten wohl etwas dran war - er hatte tatsächlich weniger als sonst mit seinen Geschwistern gesprochen. Doch was er hatte er schon zu sagen? Er wollte nicht darüber reden, wie sehr er sich nach einem Ort sehnte, der so ein warmes Zuhause-Gefühl in ihm auslöste, wie sein Nest es früher getan hatte. Wann hatte das aufgehört?

Mit Löwenfrosts Ankunft. Der Kater hatte irgendetwas an sich, was sich viel wirklicher anfühlte, als Kupfergluts Leben im GipfelClan. Für den Bruchteil eines Herzschlags war ihm der Geruch des fremden Katers bekannt vorgekommen; nicht der, den er sich über die Reise angeeignet hatte, sondern der darunter - nach weicher Erde, schwerer Luft und dunklem Wasser. Auf einmal verspürte Kupferglut eine tiefe Wut auf den zweiten Anführer. Bis der hier aufgetaucht war, war alles in Ordnung gewesen! Er war glücklich gewesen! Nun plagten ihn diese seltsamen Träume, von denen er niemandem erzählt hatte, er schien überall nach diesem Geruch Ausschau zu halten, darauf zu hoffen, dass irgendetwas ihm dasselbe Gefühl gab, dass er gehabt hatte, als er ihn diesen kurzen Augenblick lang vernommen hatte. Von Geborgenheit und behütet sein.

Jetzt spürte er nichts mehr davon. Nur eine große Wut, die eine endlose Trauer verbarg, die tief in seiner Brust brodelte und jedes Mal herauszubrechen drohte, wenn er an sie dachte.

Kupferglut war nicht aufgefallen, wie schnell er gelaufen war. Er hielt erneut inne, um Beerenklang die Chance zu geben, aufzuholen, da sie ein beachtliches Stück zurückgefallen war. Leise tadelte sich der Kater selbst, er musste so etwas in Zukunft vermeiden - denn er war hier zuhause, seine Freunde waren hier, hier gehörte er hin. Es hatte keinen Sinn, sich etwas anderes vorzumachen. Einen Augenblick lang erlaubte er es sich, mehrmals tief Luft zu holen, zum Himmel aufzublicken und sich zu beruhigen.

„Tut mir leid", murmelte er, als Beerenklang in Hörweite war. „Ich war ... abwesend"

„Ist mir aufgefallen", miaute die Kätzin schnippisch. Kurz schaute sie ihn erneut mit dieser Besorgnis in ihren Augen an, dann schüttelte sie den Kopf. „Viel wichtiger ist doch-", sie endete abrupt, als sie sah, dass Kupferglut ihr nicht mehr zuhörte, sondern prüfend die Nase in die Luft reckte und sich umsah.

„Was? Witterst du etwas?", fragte sie, die Nase nun ebenfalls erhoben.

„Riechst du das denn nicht? Murmeltier", Kupferglut schaute sie begeistert an. „Der Bau kann nicht weit entfernt sein! Wenn wir Glück haben, finden wir den Eingang und ein paar Murmeltiere im Leereschlaf", führte er freudig an. Murmeltiere fielen während der Blattleere in einen tiefen Schlaf, den die Katzen den Leereschlaf nannten. In dieser Zeit waren sie am einfachsten zu erlegen, man musste einfach nur den Eingang zu ihrem Bau finden, ihn öffnen, und schon war man in einer Kammer voller ahnungsloser Beutetiere.

„Meine Nase wurde von der Tanne nicht zerquetscht", antwortete Beerenklang amüsiert und senkte den Kopf, um in Bodennähe nach der Murmeltierwitterung Ausschau zu halten. Kupferglut tat es ihr gleich, und so dauerte es nicht lang, bis sie an einem kleinen Abhang den Eingang zu einem Bau gefunden hatten.

„Wie sieht es mit deinen Vorderpfoten aus? Bist du bereit, zu graben? Allein schaffe ich das hier nicht", besorgt drehte der Kater sich zu ihr um.

„Keine Sonderbehandlung!", antwortete Beerenklang knapp und begann, die Erde, mit der der Eingang verschlossen worden war, herauszubuddeln. Kupferglut schnurrte erfreut und kam ihr zu Hilfe.

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