5 ✧ Schattenwirbel



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Eine Welle der Panik flutete durch die getupfte Kätzin hindurch, ertränkte all die Vorsicht und sie biss und kratzte um sich wie eine wütende Furie. Eine züngelnde Flamme, die flackernd darum kämpfte, im strömenden Regen weiter zu leuchten.

Der Handlanger des kleinen Zweibeiners mit der lauten Stimme hatte sie gepackt, die Pfoten mit dicken, braunen Tierhäuten umwickelt. Blind vor Panik schlug sie ihm die Krallen ins Vorderbein, doch der große Zweibeiner gab nur ein seltsames, ganz und gar nicht schmerzhaft klingendes Geräusch vor sich und zeigte die Zähne. Morgenleuchten fauchte ihm ins Gesicht und wand sich weiter im Netz, aber nun kamen auch die anderen beiden Aufrechtgeher hinzu, strichen durch das Netz hindurch über ihr gesträubtes Fell.

Fauchend trat sie immer heftiger um sich - vergeblich. Die Pfoten der Zweibeiner hielten sie gnadenlos gepackt, und die gefährlichen Geschöpfe begannen, sich zu bewegen. Zwei von ihnen stiegen auf das steife Wasserwesen zurück, darunter der Handlanger des Kleinen, und öffnete eine Art kleinen Bau, der seltsam eckig aussah.

Der Eingang wirkte wie ein schwarzes Loch, ein Tor in gähnende Finsternis, als der kleine Zweibeiner den Bau problemlos anhob auf die Höhe der Kätzin. Der zweite, der sie in den Pfoten trug, stopfte sie geradezu in die Finsternis hinein, nachdem er ihr das Netz vom Leib gezerrt hatte.

Durch ein Geflecht wie dichtes Unterholz konnte die panische Kätzin nur durch den eckigen Eingang nach draußen blicken; der kleinere Zweibeiner hielt ihn sich vor das flache Gesicht, zeigte wieder auf diese grässliche Weise die Zähne und stellte den kleinen Bau - was redete sie da, es war ein Gefängnis - so in das Wasserwesen hinein, dass Morgenleuchten von nichts als Finsternis umringt war.

Nur Schatten, so weit  sie blicken konnte, und doch schienen die furchtbar glatten, unnatürlich stinkenden Wände so schrecklich nah. Mit ihren Krallen fetzte sie tiefe Furchen in ebendiese hinein - vergeblich. Das Material war fest und unnachgiebig, und es gab keine Krallenbreite nach.

Ein panisches Winseln entfuhr ihrer Kehle. Was war das hier? Was wollten diese Wesen? Sie hatte ihnen doch nichts getan, und doch beraubten sie die unschuldige Kätzin ihrer Freiheit.
Ein Herzschlag hätte vergehen können oder tausend Blattwechsel, in denen sie nichts wahrnahm außer die Härte um sie herum, die schmalen Lichtschlitze, die durch die Schwärze blitzten - und die schreckliche Panik in ihrem Herzen.

Oh, sie war so töricht gewesen. So dumm, einfach den gefährlichsten Wesen seit Anbeginn der Clans direkt in die Pfoten zu laufen. Sie hätte es wissen müssen - nein, sie hatte es gewusst. Und sie war trotzdem weitergelaufen. Warum? Weil das kleine, naive Junge in ihr mehr über die fremden Geschöpfe mit den nackten Pfoten und den grünen Pelzen wissen wollte?

Ein heftiger Ruck im Wassermonster ließ sie zusammenzucken, und ein ohrenbetäubendes Kreischen ertönte. Ein Kreischen, das in ihren Ohren schmerzte wie ein dumpfer Schlag, und sie erneut panisch zusammenzucken ließ. Die Zweibeinerstimmen, ein Wirrwarr aus diesen seltsam hohen Worten, die sie nicht verstand und sie so unnatürlich klangen, gingen unter im unerträglichen Brüllen, das das steife Wesen von sich gab.

Erneut stieß sie ein panisches Jaulen aus, ein letzter, verzweifelter Hilferuf. Sie heulte in die Finsternis hinaus, in der Hoffnung, dass irgendjemand, ob eine Clankatze oder irgendein anderes Wesen, sie hörte und ihr helfen würde.
Als könnte irgendein Wesen mich aus diesem Monster befreien.

Noch ein Ruck, diesmal so heftig, dasige förmlich in ihrem Gefängnis herumgeschleudert wurde und hart an der Wand aufschlug. Es schien, als würde sich alles um sie herum bewegen, und durch die schmalen Schlitze pfiff kalter Wind um ihre Schnauze. Hatte sich das Monster wieder in Bewegung gesetzt? Brachte es sie womöglich an das andere Ende des Meeres, weit weg von ihrem Clan und Pumaherz und allem, was sie kannte und liebte? Hatte sie gerade mit dieser verdammten Dummheit ihr gesamtes Leben zerstört?

Panik erfüllte jeden ihrer Sinne, sie kratzte vergeblich an den Wänden des finsteren Baues und rief noch immer nach Hilfe, obwohl sie wusste, dass niemand da war, dr sie hören konnte.

Vielleicht... vielleicht lassen sie jetzt wenigstens die Clans in Ruhe.
Und während die Königin hilflos versuchte, zu entkommen, sah sie das Licht, das durch die Schlitze fiel, schwinden. Die Sonne ging unter am Horizont, wahrscheinlich hätte sie jetzt tausend Farben des Himmels gesehen, wenn sie denn den Himmel hätte sehen können.

Pumaherz würde in Panik geraten, sobald die Sonne verschwunden war, ohne dass sie zurückkam. Er würde nach ihr suchen, Tage und Nächte lang, bis er sie fand - wenn Blätterstern ihn denn ließ.

Mit dem letzten Hauch von Licht schwand auch ihr letzter Funke Hoffnung, dass dieses Wasserwesen sie einfach zurück an die Küste spucken würde, oder dass sie aufwachen und feststellen würde, dass sie einfach nur geträumt hatte.
Morgenleuchten stieß ein letztes, herzzerreißendes Heulen aus, der letzte Hilferuf eines Wesens, das eigentlich schon wusste, dass es vorbei war.

Dann hockte sie einfach nur da. Panisch zitternd in der Finsternis, bis die Erschöpfung sie überwältigte und sie in einen Wirbel aus tanzenden Schatten glitt.

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