23 ✧ Feuerbrand
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Eine weitere Schmerzenswelle schüttelte ihren Körper, als sie durch das hohe Gras brachen, das das Lager vom Wald abschirmte. Meisenruf und Drosselmut stützten sie von beiden Seiten, die kleine Füchsin stand verängstigt und irritiert daneben und winselte leise. Morgenleuchten hätte ihr so gern alles erklärt, aber sie konnte nicht. Wenn die Jungen da waren, würde Waldi alles verstehen.
Die Königin vermutete Morgendämmerung, aber durch den sturmgrauen Himmel hindurch konnte sie keine eindeutige Tageszeit ausmachen. Inge Clan-Gefährten saßen in der Lagermitte, fraßen von einem kargen Frischbeutehaufen und schreckten allesamt hoch - außer Talschlummer, der wahrscheinlich noch immer in seinem Nest vor sich hin schnarchte - als die drei Katzen und die Füchsin zu ihnen stießen.
Verwirrung spiegelte sich in den Gesichtern ihrer Gefährten, die Morgenleuchten kaum erkennen konnte, weil der Schmerz ihre Sinne trübte.
»Sie liegt in den Wehen! Holt Mitternachtsregen!«, jaulte Meisenruf, und schon beim Klang ihres Namens glitt die nachtschwarze Kätzin wie die Nacht selbst aus ihrem Bau.
»Morgenleuchten! SternenClan, du bist zurückgekommen!«, quiekte die Heilerin kurz, fasste sich aber sofort wieder. »Bringt sie bitte in die Kinderstube und Falterjunges und Fledermausjunges zu Aschennarbe in den Ältestenbau.«
Meisenruf sprang vor in die Kinderstube - den gemütlichste und wärmste Bau von allen, der selbst nach warmer Milch roch, wenn gerade keine Kätzin ihre Jugen dort säugte - und lotste Glücksstrahls Töchter in den Ältestenbau, um sie abzulenken.
Den Rest bekam Morgenleuchten kaum noch mit. Eine weitere Wehe ließ ihren Körper erzittern, als sie in das weiche Moos der Kinderstube glitt. Das größte und weichste Nest, das sie je gesehen hatte, lag unter ihrem verkrampften Körper, aber sie hatte weder Zeit noch Energie, über die Frage nachzudenken, ob alle Königinnen ein solches Nest bekämen. Neben ihr lag ein Stück Holz - wozu auch immer das gut war - und irgendwelche Blätter, die ihr vage bekannt vorkamen.
Durch einen Schleier aus Schmerzen hindurch hörte sie die Stimme Mitternachtsregens. »Atmen, Morgenleuchten. Atme tief ein und aus, ganz ruhig. Wenn eine Wehe kommt, dann beiß auf den Stock, das hilft gegen die Schmerzen, und pressen, das ist ganz wichtig.«
Tapfer nickte die Königin, und als sie unter einer neuen Wehe erzitterte, schlossen sich ihre Kiefer um das Holz. Ein Knacken, aber der Stock hielt stand, und sie spannte all ihre Muskeln an. Die getupfte Kätzin unterdrückte ein schmerzhaftes Jaulen.
Dann geschah nichts. Keine Wehen, keine Schmerzen.
»Alles gut. Es ist ganz normal, dass Pausen zwischen den einzelnen Wehen liegen. Atme. Entspann dich. Zumindest das erste Junge liegt richtig herum.«
Morgenleuchten blickte sich verwirrt um. Glücksstrahl saß besorgt in ihrem Nest eine Fuchslänge entfernt, und vor dem Eingang tummelten sich neugierige, verwirrte, freudige und ängstliche Gesichter. Aber eines konnte sie nicht erkennen, und das versetzte ihr einen Stich ins Herz.
»Wo... wo ist Pumaherz?«, hauchte sie.
»Wahrscheinlich am Meer. Dort, wo du verschwunden bist. Er hat die Hoffnung, dass du zurückkommst, niemals aufgegeben.« Mitternachtsregens Stimme klang liebevoll, aber es schwang noch ein anderer, seltsamer Ton darin mit, den sie nicht deuten konnte.
Sie wusste nicht, ob sie sich über die Treue ihres Geliebten freuen oder in Schuldgefühlen versinken sollte, also entschied sich ihr Herz einfach für stechende Sehnsucht.
»Kann ich zu ih-«, hob sie an, als gerade ein neuer flammender Schmerz durch ihren gesamten Körper schoss. Mitternachtsregen miaute etwas Unverständliches zu den Katzen, die sich vor dem Eingang der Kinderstube getummelt hatten, woraufhin sich die meisten zurückzogen.
Es fühlte sich an, als zerfräßen die Flammen ihr Inneres, als sich die Krämpfe häuften und zwischen ihnen kaum genug Zeit blieb, um nach Luft zu schnappen. Morgenleuchten fühlte sich so erschöpft wie nie, nur der Gedanke an ihre Familie gab ihr Kraft, und da glitt ein feuchtes Bündel ins weiche Moos. Ein Bündel, für das sie sofort so viel Liebe verspürte, dass sie es kaum in Worte fassen konnte.
Mitternachtsregen leckte es gegen den Strich, biss die Fruchtblase auf und schob es sanft an ihren Bauch. »Ein kleiner Kater!«, verkündete die Heilerin; sie klang ebenso erleichtert, wie Morgenleuchten sich fühlte. Es war die dritte Geburt, bei der sie den Jungen auf die Welt half, nach den Schülern, deren Mutter Meisenruf war, und Glücksstrahls Töchtern. Aber für die schwarze Kätzin schien es sich wie die allererste anzufühlen.
Der kleine Sohn der Königin hatte - kaum sichtbar, als feiner Flaum - sanft getupftes Fell in einer Farbe, die aussah wie eine perfekte Mischung aus dem Zimtfarben ihres Gefährten und ihrem eigenen dunklen Goldbraun. Fast sofort begann er, an ihrem Bauch nach Milch zu suchen, bis sich der Körper seiner Mutter erneut verkrampfte.
Erneut schwappte eine Wehe wie eine Welle aus Schmerz über die Kätzin, immer und immer wieder, bis mit Morgenleuchtens letzter Kraft ein zweites Junges ins Nest purzelte. Sobald Mitternachtsregen damit begonnen hatte, es trocken zu lecken, wand es sich und stieß ein Quieken aus. Sofort wusste die Mutter stolz, dass dieses Junge das agile gewesen war, das sie ständig getreten hatte.
»Du hast eine Tochter«, schnurrte die Heilerin und trug die Kätzin zu ihrem Bruder, wo sie sofort aufhörte, um sich zu treten. Ihr Pelz trug Musterungen in verschiedensten Rotbrauntönen, und schon jetzt glichen ihre Gesichtszüge denen ihrer Eltern.
»Zwei Junge und beide gesund. Ein bisschen klein und zart, wahrscheinlich hattest du während der Trächtigkeit wenig Futter, aber es geht ihnen gut«, war das Fazit Mitternachtsregens. »Herzlichen Glückwunsch.«
Dann richtete sich ihr tiefblauer Blick zum Eingang der Kinderstube, und sie schnurrte: »Schau mal, wer da kommt. Ich lasse euch mal allein.«
Erschöpft blickte sie sich um - und ein Feuerwerk aus Freude explodierte in ihr, als sie in die warmen, grüngoldenen Augen blickte, die sie so vermisst hatte.
»Pumaherz!«
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