17 ✧ Wunderstern
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Jetzt bemerkte sie, dass die riesigen Feuerpranken in Wirklichkeit einfach tapsige Pfoten waren. Die stechenden Smaragdaugen leuchteten wie Sterne, und das rotbraune Fell war an einigen Stellen noch dunkelbraun verfärbt - der Fuchs war fast noch ein Welpe. Und jetzt duckte er sich, fiepste spielerisch und wedelte wild mit dem langen, buschigen Schweif, deren Spitze weiß war wie der Schnee.
Erst fühlte sie sich, als schmelze sie dahin, als sie in die kleinen Sternenaugen blickte. So unschuldig, so friedlich, und doch war sie vor diesem Welpen geflohen, als wäre er eine tödliche Bestie.
Aber dann wurde sie misstrauisch. Wo ein so junger Welpe war, da war auch immer eine Mutter...
Und aus eigener Erfahrung wusste die Königin, dass nichts, nicht einmal ein hungriger Wolf, so gefährlich war wie eine Mutter, die ihre Kinder zu schützen zu versuchte.
Zweifelnd blickte sie sich um, das Nackenfell sträubte sich ihr und ihr Maul öffnete sich leicht, als sie tief die Düfte der Wildnis einsog. Keine erwachsene Fähe.
»Wo ist denn deine Mutter?«, fragte sie das kleine Wesen dennoch - vielleicht sprach es ja ihre eigene Sprache und konnte ihr womöglich weiterhelfen. Und sie wäre nicht begeistert davon, die Eltern dieses Welpens zu treffen - genauso gut könnte sie sich mit einem Wolfsrudel anlegen.
Aber die junge Füchsin schüttelte nur den Kopf, die Augen traurig schimmernd und weit aufgerissen. Voller Angst und Verzweiflung, die wie wütende Raben die Lebensfreude und das Leuchten in ihren Augen vertrieben hatten.
»Ist sie...« verdammt, wie konnte sie das einem Fuchswelpen erklären?
»...in den Sternen? Im Himmel?«
Traurig nickte der Weißschwanz, schien verstanden zu haben. Sie stieß ein leises Quieken aus und stupste die Königin an. Deutete dann in die Ferne, jenseits der Büsche und auf die schneebedeckten Gipfel, die hoch in den Himmel ragten, und wieder auf Morgenleuchten.
»Ich... ja, ich reise. Ich bin auf dem Weg dorthin, hinter die Berge. Unter die Sterne.«
Aber erst, als der dunkle, rotbraune Welpe die Bewegung wiederholte, dann mit der Schnauze auf die eigene Brust zeigte und wieder auf Morgenleuchten, fiel der Groschen bei der zunächst verdutzten Königin.
»Möchtest... möchtest du mitkommen?«
Mit strahlendem Blick und schlagendem Schweif nickte die kleine Füchsin und lief schon voraus, in Richtung der Berge, die sich im Westen von ihnen nun erstreckten. Die Sonne bog sich schon in Richtung Horizont, das Licht wurde golden, und mit einem leisen Seufzen tappte Morgenleuchten dem Fuchs hinterher, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass es ihren Jungen gut ging.
Hoffentlich wartet nicht gerade eine wütende Fähe darauf, dass ich in ihre Falle tappe... aber der Welpe hatte nicht gelogen, da war sie sich sicher.
Die beiden ungleichen Gefährten wanderten bis tief in die Nacht östlich der Bergkette entlang, und als die Gipfel über ihnen beinahe den ganzen Himmel verdeckten, kam ihr ein Gedanke.
Durch eine gewaltige Dummheit hatten Zweibeiner Morgenleuchten verschleppt. Mit einem Hauskätzchen und einem Sprung, der viel zu hoch gewesen war, um ihn zu überleben, war sie geflohen, war von jungen Aufrechtgehern in einen Abwassertunnel gejagt worden, hatte eine Wildkatze getroffen und jetzt einen Fuchswelpen - und sie lebte noch.
Dieser Gedanke erschien ihr so viel unwirklicher als all die anderen. Warum war es genau so gekommen? Wie hatte sie all das überstehen können - und wie hatten es ihre Jungen überstehen können? Wie war es möglich, dass sie jetzt hier stand, direkt vor den Ausläufern der Berge, hinter denen ihr Zuhause lag?
Sie wusste es nicht. Für die Königin war es einfach ein Wunder. Ein Wunder, dass der Stern sie wirklich nach Hause geführt hatte und was für Erfahrungen sie auf ihrer langen Reise gemacht hatte. So viele Abenteuer, Gefahren, Schrecken - zu viel für ein Katzenleben. Aber immerhin konnte die jetzt erzählen, sie hatte die Welt gesehen. Die Königin hatte so viel mehr gesehen, als sie sich jemals hätte erträumen können.
Das leise Quieken der Füchsin riss sie zurück in die Wirklichkeit und ihr wurde klar, dass ihre Reise noch nicht zu Ende war. Ja, sie hatte vielleicht einen Pfad von tausend Schritten zu gehen gehabt, und jetzt fehlten ihr nur noch zwei Sprünge bis zum FunkenClan - aber diese zwei Sprünge musste sie noch tun. Und diese Sprünge führten sie über eine Bergkette, der sie sich - wie sie jetzt erst bemerkt hatte - zu weit im Westen genähert hatte.
»Wie heißt du eigentlich?«, wollte sie von ihrer pelzigen Begleiterin wissen - scheinbar fiel ihr diese Frage immer deutlich zu spät ein - und blickte in die noch immer leuchtenden Augen, die mit den Sternen über ihnen um die Wette strahlten. Sterne. Wie sie diese Himmelswächter vermisst hatte - auf ihrer Reise hatten sie kalt und fahl gestrahlt, aber jetzt schienen sie wieder warm und nahe zu sein wie früher.
Erst zeigte das rotbraune Wesen mit der Nase nach Westen, wo sich ein dichter Wald erhob. Tannen, Fichten und Eichen wuchsen Seite an Seite empor.
»Wald?«, erkundigte sich die Königin und erntete ein Nicken.
Dann deutete die Füchsin mit der Nase auf Morgenleuchtens Ohren und spitzte ihre eigenen. Irritiert lauschte die Königin, doch alles, was sie hörte, war das leise Wispern der lauen Nachtbrise.
»Wind? Waldwind? Waldflüstern?«
Ihr Gegenüber legte den Kopf schief, nickte aber und bedachte Morgenleuchten mit einem Blick, der wohl ›so ähnlich‹ heißen sollte. Die Kätzin schnurrte belustigt, aber da starrte der Fuchswelpe sie irritiert an. Duckte sich, beinahe unterwürfig. Bedeutet Schnurren in ihrer Sprache etwas anderes?
»Ähm... das ist Schnurren. Schnurren ist gut.«
Mit einer seltsamen, fremd klingenden Stimme quiekte der Fuchs: »Gut?«
»Ja! Ja, gut.« Erneut schnurrte sie, wie zur Demonstration, und die Füchsin wedelte mit dem Schweif. Das scheint wohl auch gut zu sein..., hoffte sie Kätzin.
Die beiden tappten immer weiter die immer höher werdenden Hügel hinauf, bis der nächste, sonnenlose Morgen graute.
Die Blattleere kam jetzt ganz und gar, mit Schneeseide und Frostschleiern, aber intern Herzen der Reisenden hatte gerade hoffnungsfroh die Blattgrüne begonnen.
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