13 ✧ Himmelsfunke


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Morgenleuchten hatte sich und ihren Jungen geschworen, dass sie sich nicht eher ihrem Schicksal ergeben würde, bis sie ihr Zuhause gefunden hatte. Und Morgenleuchten hatte noch nie einen Schwur gebrochen.

Ihre Kehle fühlte sich im Licht der aufgehenden Sonne trocken an wie Wüstensand, und um sie herum befand sich eine goldene Steppe, erhellt vom Licht des sich räkelnden Feuerballes am Himmel, der sich aus seinem Nest erhob, von der Stelle, an der sich Erde und Himmel trafen.

Sie war erschöpft, und jeder Schritt fühlte sich an wie eine ganze Reise, aber trotzdem schien sie keine Schwanzlänge voranzukommen. Irgendwo vor ihr erstreckte sich ein Nadelwald, mit fast kahlen Kronen, die sich weit in den Himmel hinaufreckten - aber von dem Ort aus, an dem Morgenleuchten stand, unterschieden sich die Wipfel der Tannen und Kiefern kaum vom Rest des Horizontes, und der Wald war verborgen in der Bläue der Ferne.

In ihrem Hals brannte förmlich der Durst, aber sie hatte weder Zeit noch Kraft, um nach Wasser zu suchen und so leckte sie einfach von den halb aufgetauten Grashalmen die kalten Tautropfen ab.

Rauchige Atemwolken stiegen aus ihrer Kehle in die kalte Morgenluft, als die Königin schmerzhaft aufkeuchte und sich ihr Körper in einem schrecklichen Krampf wand. Es fühlte sich an, als drehe sich ihr Inneres um, als stünden ihre Eingeweide in Flammen, aber so schnell, wie der Schmerz gekommen war, verschwand er auch wieder.

Kurz hielt sie inne und versuchte, den Schmerz in ihrem gebrochenen Hinterbein zu ignorieren, das sich ebenfalls verkrampft hatte. Einen Herzschlag lang. Zwei. Drei. Dann spürte sie etwas, was sie zuvor noch nie wahrgenommen hatte. Etwas, das ihr Leben für immer verändern würde.
Zwei Herzschläge. Nein, drei. Zuerst war sie so baff, dass die getupfte Kätzin nicht realisierte, was das bedeutete. Dann wäre sie am liebsten erneut mit allen vier Pfoten hoch in die Luft gesprungen - hätte sie nicht nur drei funktionierende Beine.

Ein Wasserfall aus Freude sprudelte aus ihr heraus, und kurz quiekte sie auf. Ihre Jungen lebten. Zwei schlagende Herzen befanden sich in ihr, und sie hatten all das überlebt, was die drei durchgemacht hatten. Morgenleuchten spürte, wie ein gewaltiger Felsbrocken von ihrem Herzen abfiel, und sogleich fühlte sie sich viel weniger einsam.

Die Freude über die Gesundheit der Jungen beflügelte ihre Pfoten, und sie sprang auf drei Beinen vorwärts, im gestreckten Galopp, wie Drosselmut es konnte, obwohl er nur drei Beine hatte. Sie spürte kaum noch den lodernden Schmerz in ihrem Bein, und die Bäume vor ihr wurden größer und größer. Jetzt sah sie, wie sich die Kronen hoch in den Himmel erstreckten, wie sich die goldenen Wolken langsam weiß und der Himmel in derselben Farbe wie ihre eigenen Augen färbten.

Es war nun Blattleere, von und ganz, aber es war ein wunderschöner Morgen für diesen Blattwechsel, und obwohl nicht einer der Laubbäume, die ab und an die weiten Wiesen und Hügel, die sich in drei der Himmelsrichtungen um sie herum erstreckten, noch Blätter trug, schienen die uralten Stämme golden zu schimmern. Als spiegele die Natur die Hoffnung wieder, die Morgenleuchten wiedergefunden hatte.

Dass ihre Jungen schon so weit entwickelt waren, war für die Königin ein unsägliches Glücksgefühl - aber es machte ihr auch Angst. Die Angst davor, nicht rechtzeitig zurück zum FunkenClan zu kommen, die Angst, ihre Jungen allein in der Fremde zu gebären und großzuziehen, fernab von ihrem Clan. Hilflos und nicht in der Lage, zusätzlich zu sich selbst noch weitere hungrige Mäuler zu füttern. Ohne ihren Gefährten, ihre Halbschwestern, ihre Familie.

Unwillkürlich lief sie noch ein wenig schneller, auf den Wald vor ihr zu, immer weiter nach Süden - das erkannte sie an der Sonne, die sich vom östlichen Horizont erhob. Und als sich schließlich die grüngoldenen Waldeswächter über ihr erhoben, fühlte sie sich ein wenig wie im Wald bei ihr zu Hause.

Schützend beugte sich das Dach aus Nadelblättern über sie, beschützte sie vor den Schrecken der Welt, und das Sonnenlicht malte auf den noch gefrorenen Boden - hier im Wald war es kälter als in der nackten Weite, weil die Sonne kaum die Schicht aus Nadeln auf dem Boden erreichte - ein wunderschönes Muster aus Licht und Schatten.

Da raschelte etwas hinter der Königin, und sie führ augenblicklich herum - aber hinter ihr war nichts als raschelnde Kiefern- und Fichtennadeln. Der Silberpfad hatte sich zu einem schmalen Waldweg verlaufen, aber eine Bekannte und zugleich fremde Witterung stieg der getupften Königin in die Nase. Zweifellos handelte es sich um eine Katze.

So leise, wie es eben ging mit nur drei Beinen, schlich sie in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Und tatsächlich - dort, hinter einem dicken Fichtenstamm, saß eine Kätzin. Rotbraun getigert war ihr Fell, mit dunklen Streifen und feinen Zügen, in denen dennoch so viel Wildheit steckte, wie sie es noch nie von einer Clankatze gesehen hatte.

Das Irritierendste an der Fremden waren ihre Augen. Tief und blauviolett, mit so seltsamen Mustern darin, dass es aussah wie das Silbervlies in den klarsten Blattgrünenächten, und als sie zu sprechen begann, schien es, als sprächen die Erde und der Himmel selbst.
»Ich habe dich erwartet, Morgenleuchten.«

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