8. Kapitel
Windbrise tappte unruhig vor dem Kriegerbau auf und ab. Schuldgefühle lasteten schwer auf seinen Schultern. War es ein Fehler Raven die Wahrheit zu erzählen? "Du hast das richtige getan", miaute Schneeschweif plötzlich neben ihm, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
Der Krieger blieb stehen und seufzte. "Ich fühle mich so furchtbar", murmelte er und fragte dann: "Bin ich ein schlechter Vater?" Schneeschweif legte ihren weißen Schwanz auf seinem Rücken. "Natürlich nicht. Du kannst nichts dafür. Raven muss dieses Ereignis verarbeiten. Er wird sich wieder beruhigen."
Windbrise blickte auf die untergehende Sonne, die allmählich hinter dem Horizont verschwand. "Ich frage mich eher, wo er sich aufhält. Die Nacht wird bald einbrechen." Sein Herz sank. "Was, wenn er den Clan verlassen hat?"
Schneeschweif schüttelte den Kopf. "Unmöglich. Raven ist dem Clan treu ergeben. Er würde nicht einfach abhauen." Windbrises hoffte, dass sie recht hatte und fühlte sich ein bisschen getröstet. "Mach dir keine Sorgen, Windbrise. Er braucht für eine Weile Zeit für sich", erklärte sie. "Er wird bald zurückkehren."
Als die braune Kätzin dies aussprach, bebte das Dornengebüsch und Karminpelz betrat das Lager. Er zerrte einen schwarz-weißen, schlaffen Körper mit sich. Entsetzt erkannte Windbrise, dass es sich um seinen Sohn handelte.
Schneeschweif und er wechselten kurz geschockte Blicke, ehe sie zu dem roten Kater eilten, der mühsam den verletzten Schüler auf die Lichtung schleppte. "Was ist passiert?", fragte der schwarze Krieger besorgt, als er Raven behutsam auf den Boden legte.
Karminpelz keuchte angestrengt und erklärte eilig was geschehen war. Er erzählte, dass Raven aus dem Lager gestürmt sei, als dieser erfahren hatte, dass der ganze Clan ihm die Wahrheit über seine echte Mutter veschwiegen hatte.
"Ich bin ihm gefolgt und wollte ihn beruhigen, doch ich habe ihn aus den Augen verloren. Als ich seine Duftspur gewitter habe, führte mich diese zum Donnerweg." Karminpelz' Augen wurden dunkel, zitternd fuhr er fort: "Dann...entdeckte ich ihn mitten auf dem Pfad. Ein Monster muss ihn erwischt haben."
Windbrises Herz hämmerte panisch gegen seine Brust. Blanke Angst spiegelte sich in seinen dunkelgrünen Augen, als er Ravens kümmerliche Gestalt betrachtete. Sein Fell war zerzaust und schmutzig. Der beißende Gestank des Donnerweges haftete an ihm.
An der Stelle, wo sich sein rechtes Ohr befinden sollte, war nur ein winziger Fetzen übrig. Dunkles Blut quoll aus der offenen Wunde heraus, rann bis zu seiner Brust hinab und verklebte die Hälfte seines Gesichtes.
Was hat er nur getan? Er hätte es ihm nie erzählen sollen, das war ein großer Fehler. Schneeschweif beugte sich zu Raven hinab und schnupperte an ihm. Was, wenn er nun tot ist? Seinen einzigen Sohn, verloren.
Zuerst Kira, und dann auch noch Raven. Der SternenClan darf das nicht zulassen! , dachte Windbrise bitter und kämpfte gegen das lähmende Gefühl der Trauer an. "Lebt er?", fragte Karminpelz heiser und rupfte nervös mit den Krallen das Gras aus.
Windbrise zitterte vor Anspannung, er brachte kein Wort heraus, seine Kehle war wie zugeschnürt. Und so wartete er unruhig auf Schneeschweif Antwort. Die Heilerin hob den Kopf und miaute: "Er lebt." Die zwei Krieger seufzten erleichtert.
"Jedoch atmet er sehr flach. Durch die Verletzung hat er viel Blut verloren. Er muss so schnell wie möglich behandelt werden", erklärte sie ernst. Karminpelz und Windbrise trugen Raven in den Heilerbau und platzierten ihn in ein weiches Moosnest.
Schneeschweif stürmte in den hinteren Teil des Baus und kam wenige Herzschläge später mit einem Bündel Spinnenweben und einigen Kräutern zurück. "Press die Spinnennetze auf seine Wunde, damit die Blutung stoppt", befahl sie an Windbrise gewandt.
"Ich werde derweil diese Ringelblumen zerkauen. Der Saft wird verhindern, dass sie sich infiziert" ,erklärte sie. Der schwarze Krieger gehorchte und bindete behutsam die Weben um die Verletzung.
Windbrise blickte zu Karminpelz, der daneben saß und Raven mit einem tieftraurigen Blick fixierte. "Danke, dass du ihn gerettet hast", miaute der schwarze Kater und sah ihm dankbar in die Augen. Der ältere Kater seufzte schwer. "Hätte ich ihn schneller eingeholt, wäre das nie passiert", murmelte er geknickt.
"Hättest du Raven nie gefunden, wäre er von den Monstern zu Tode gefahren", erwiderte Schneeschweif eisern. Windbrise zuckte leicht zusammen, bei dem unerbitterlichen Ton der Heilerin. Doch sie hatte recht, wenn Karminpelz nicht gewesen wäre, hätte er seinen Sohn für immer verloren. "Es ist nicht deine Schuld", tröstete Windbrise den roten Kater. Es ist meine.
Die Blutung war durch die Spinnenweben gestillt und Schneeschweif träufelte den Saft der Ringelblumen auf das zerfetzt Ohr. Mitleiderregend begutachtete er den Schüler. Mit einem Ohr wird es schwer für ihn werden, seine Umgebung wahrzunehmen.
Die dunkelbraune Kätzin untersuchte Raven noch einmal genau und verkündete: "Ich kann keine weiteren Verletzungen mehr finden. Er hat also Glück gehabt, dass nur sein Ohr beschädigt wurde. Es kommt selten vor, einen Zusammenstoß mit einem Monster zu überleben."
Ein Schauder kroch durch Windbrises Fell. "Es wird ihm doch wieder besser gehen?", wagte er zu fragen. Schneeschweifs Miene verriet nichts, als sich ihre Blicke begegneten. "Ich werde tun was ich kann", antwortete sie nur. "Erst wenn Raven wieder bei Bewusstsein ist, kann ich mehr sagen."
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