4. Kapitel

Eine weiße, dünne Schneeschicht bedeckte die Kiefern und die kahlen Sträucher. Windbrise trottete mit Raven zu der kleinen Lichtung, wo sie trainierten. Er warf einen Blick über seine Schulter.

Sein Schüler lief mit lahmen Schritten hinter ihm her, den Blick trüb zu Boden gerichtet. Windbrises Herz wurde schwer vor Mitleid. Dabei war Veilchenhauch nicht mal seine richtige Mutter. Er hatte es bis jetzt noch nicht geschafft seinem Sohn die Wahrheit zu erzählen.

Schuldgefühle überschwemmten den Krieger wie eine starke Strömung. Er soll nicht für immer mit einer Lüge leben müssen. Morgen werde ich es ihm sagen, hoffentlich.

Die Katzen erreichten das Trainingsgelände. Die Lichtung war mit kurzem Gras bewachsen und kleinen Farnwedeln verziert. Das frostige Gras knisterte unter Windbrises Pfoten, als er in die Mitte tappte. Er drehte sich zu seinem Schüler.

"Greif mich an", forderte er auf und warf sich in eine kampfbereite Position. Raven sah ihn müde an und straffte die Schultern. Ohne wirklich nachzudenken, trabte er in einem langsamen Gang auf seinen Mentor zu.

Noch bevor der junge Kater Windbrise erreichen konnte, sprang er ohne Mühe zur Seite und Raven verfehlte sein Ziel. Er bremste ab und blickte uninteressiert zu seinem Vater. Der Krieger schnippte mit dem Ohr.

"Das war nicht gerade beeindruckend", kommentierte er. "Lass es uns nochmal versuchen." Raven erwiderte nichts und der Schüler wiederholte seinen Angriff, dieses Mal etwas schneller.

Windbrise hatte schon gehofft, dass er nun konzentrierter war, doch als der schwarz-weiße Kater zum Sprung ansetzte, stolperte er über einen Farn und landete mit einem dumpfen Aufprall im Gras.

Raven fauchte wütend. "Mäusedreck!" Er rappelte sich auf und grub die Krallen in die Erde. Windbrise seufzte. "Du bist unkonzentriert", miaute er schroff. "Ich verstehe ja, dass du immer noch wegen Veilchenhauch deprimiert bist, aber so kann das nicht weitergehen. Deine Kriegerprüfung steht bevor und dort lass ich solche Aktionen nicht gelten."

Ravens Augen blitzten zornig auf. "Du hast doch keine Ahnung, wie schwer diese Schmerzen zu ertragen sind! Wie soll ich mich denn auf das Training konzentrieren, wenn jeder Muskel meines Körpers sich dagegen wehrt?"

Seine Stimme erstarb und er ließ den Kopf erschöpft hängen. Windbrise trat an die Seite seines Sohnes und legte sanft den Schwanz auf seine Schulter. Doch Raven wandte sich knurrend ab. "Lass mich einfach in Ruhe", murmelte er und verließ die Lichtung mit hängendem Schwanz.

Windbrise kratzte beunruhigt mit den Krallen über das Gras. Was soll ich nur tun?

Als er im Lager zurückkehrte, entdeckte er Schneeschweif, die einige Schwanzlängen entfernt vor dem Schülerbau stand und mit besorgtem Blick zu Raven sah. Windbrise erkannte im düsteren Licht eine schwarz-weiße Silhouette, die im Nest zusammengerollt war.

Schneeschweif eilte zu ihm. Ihr grüner Blick war ernst. "Windbrise, du musst es ihm jetzt sagen. Raven muss erfahren, wer seine echte Mutter war." Der schwarze Krieger schluckte nervös. "Das ist der falsche Zeitpunkt. Er ist im Moment viel zu niedergeschlagen."

Die Heilerin zuckte verärgert mit dem Schwanz. "Hör auf dich da rauszureden. Du machst es ihm so nur noch schlimmer!" Etwas sanfter fügte sie hinzu: "Geh zu ihm, du bist sein Vater, er wird es bestimmt verstehen."

Windbrise war sich da nicht so sicher, doch ihm blieb keine andere Wahl. Früher oder später muss Raven es schließlich erfahren. Der Krieger holte tief Luft. "Also gut, ich denke, ich kann Raven nicht sein Leben lang etwas vormachen."

Schneeschweif nickte. "Da hast du recht", miaute sie. Windbrise wandte sich von der dunkelbraunen Kätzin ab und steuerte auf den Schülerbau zu. Genau in diesem Moment, schlüpfte Raven aus dem Bau und verharrte unmittelbar vor seinem Vater.

Der Schüler mied seinen Blick. "Tut mir Leid, dass ich vorhin so überreagiert habe", murmelte er. Windbrise spitzte überrascht die Ohren. Mit einer Entschuldigung hätte er niemals gerechnet. Etwas entschlossener fuhr Raven fort: "Wir können weitertraineren. Dieses Mal werde ich mich konzentrieren."

Der schwarze Kater blinzelte. "Schon gut", entgegnete er gelassen. "Trainieren können wir später. Zuerst muss ich dir etwas wichtiges erzählen."

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