14. Kapitel

Raven saß auf der Lichtung und nagte an einer zähen Drossel. Seine Muskeln fühlten sich schlaff an und er sehnte sich danach, durch den nadelbedeckten Wald zu rennen, den kühlen Wind um seine Ohren zu fühlen und den angenehmen Geruch von Kiefern einzuatmen.

Doch Schneeschweif will ihn immer noch nicht aus dem Heilerbau entlassen. "Mindestens noch ein oder zwei Sonnenaufgänge", hatte sie miaut, als sie vom Kräutersammeln zurückgekehrt war. Dabei hätte Raven schon längst seine Kriegerprüfung abschließen müssen. Würde er überhaupt noch ein Krieger werden?

Der Schüler seufzte und schlang den letzten Bissen seiner Drossel hinunter. Da bebte das Dornengebüsch und sein Fell sträubte sich, als Windbrise auftauchte. Gerade wollte er sich in seinen Bau zurückziehen, doch als ein zweiter, fremder Geruch in seine Nase drang hielt er inne.

Karminpelz betrat die Lichtung, in seinem Maul baumelte ein kleines, rotes Fellbündel. Raven traute seinen Augen kaum, als er erkannte, dass es sich um ein Junges handelte. Wo haben sie es gefunden? Der Kleine zitterte und blickte verängstigt um sich.

Windbrise stürmte hastig zu Schattenkralle, der sich mit Knochenfuß neben dem Moosstein unterhielt. "Wir haben ein SonnenClan-Junges auf unserem Territorium gefunden", erzählte der schwarze Krieger. "Ein SonnenClan-Junges?", wiederholte der Anführer erstaunt.

Raven trat neugierig näher, als der alte Kater sich mit verwundertem Gesicht erhob und zu Karminpelz und dem fremden Jungen trabte. "Wie kommt es denn hierher?" Der rote Krieger legte den kleinen Kater sanft zu Boden und erklärte: "Er sagt, dass ein großer Vogel ihn fortgetragen hatte. Anscheinend hat er ihn losgelassen und er landete zufälligerweise auf unserem Gebiet."

Schattenkralle schnupperte an dem Jungen und stellte fest: "Er ist verletzt." Er wandte sich an Windbrise. "Hol Schneeschweif. Seine Wunde muss sofort versorgt werden." Der schwarze Kater nickte und eilte zum Heilerbau.

Das getigerte Kätzchen kauerte mit gesträubtem Fell auf dem Boden. Schattenkralle beugte sich zu ihm hinab und fragte mit freundlicher Stimme: "Wie heißt du denn, mein Kleiner?"
"S-Seelenjunges", antwortete er stotternd. "Wann kann ich wieder nach Hause?"

Karminpelz strich sacht mit seinem Schwanz über Seelenjunges' Flanke. "Sobald du wieder geheilt bist." Raven wunderte sich über den liebevollen Ton.
Die Brombeerranken raschelten und Schneeschweif kroch heraus, gefolgt von Windbrise.

Sie hatte einen Bund Spinnenweben um ihre Pfote gewickelt. "Seine Blutung muss gestillt werden", miaute sie, während sie das klebrige Gewebe auf Seelenjunges' Wunde drückte. Er jaulte auf und kniff die Augen zusammen. "Ist schon gut. Der Schmerz wird gleich nachlassen", flüsterte die Heilerin sanft.

"Was werden wir jetzt mit ihm machen?", fragte Windbrise an Schattenkralle gewandt. Der Anführer richtete seine lilafarbenen Augen auf den Krieger. "Wir müssen ihn natürlich zum SonnenClan bringen",antwortete er. Schneeschweif blickte rasch auf und erwiderte mit fester Stimme: "Er kann jetzt noch nicht zurück. Er braucht zuerst für ein Weile Ruhe. Wir werden ihn um Sonnuntergang zurück bringen."

Raven zuckte zusammen, als sie sich den Worten des Anführers wiedersetzt hatte, doch Schattenkralle blieb ruhig und entgegnete: "Also gut, wenn du meinst. Du bist die Heilerin, du weißt, was das Beste für ihn ist." Die dunkelbraune Kätzin neigte respektvoll den Kopf.

Seelenjunges lag nun still auf der Erde, nur seine Augen waren weit aufgerissen, doch sein Atmung wurde wieder regelmäßiger. "Ich werde ihm ein Nest vorbereiteten und ihm einen Mohnsamen verabreichen, damit er ein wenig schlafen kann." Schneeschweif packte das Junge vorsichtig am Nackenfell. Er quickte erschrocken auf.

Windbrise erhob sich auf die Pfoten."Ich helfe dir." Sie nickte nur und steuerte auf ihren Bau zu, der Krieger folgte ihr. Karminpelz blickte ihnen besorgt hinterher. Schattenkralle, der seine düstere Miene bemerkt hatte, fragte: "Alles in Ordnung?"

Der rote Kater seufzte leise. "Seelenjunges ist... Fuchsschweifs Sohn", murmelte er. Der schwarze Kater starrte ihn perplex an. "Wirklich?" Er schnurrte. "Wie schön für sie. Sie ist bestimmt eine hervorragende Mutter." Karminpelz nickte bloß stumm, doch in seinen Augen war ein warmes Leuchten zu erkennen.

Raven legte den Kopf schief. Wer war Fuchsschweif? Und warum wirkte es so, als würden Karminpelz und Schattenkralle ihr nahe stehen? Sie war doch eine SonnenClan-Kätzin?

Karminpelz stemmte sich auf die Pfoten. "Ich werde mal nach ihm sehen." Er trottete auf den Heilerbau zu, wo Windbrise gerade auftauchte. "Wie geht es ihm?", fragte er den schwarzen Kater. "Er schläft, aber Schneeschweif meint, dass er sich erholen wird." Der Krieger lief an ihm vorbei und Karminpelz verschwand im Bau.

Raven folgte ihm und spähte neugierig in die dunkle Höhle, wo Seelenjunges nun zusammengerollt in einem Moosnest schlummerte. Schneeschweif schnupperte sorgsam an seiner Wunde. Der Schüler trat zu den zwei Katzen. "Wäre es nicht besser, wenn wir ihn seinem Clan übergeben?", hob er vorsichtig an.

"Es steht uns nicht zu, sich um ein Junges eines anderen Clans zu kümmern. Ich meine..."
"Wenn eine Katze, besonders ein Junges, in Gefahr, oder gar verletzt ist, ist es komplett irrelevant, ob es dem feindlichen Clan ergeben ist", unterbrach Schneeschweif ihn barsch.

"Ich bin eine Heiler-Katze. Ich helfe wo immer ich kann. Außerdem", ihre moosgrünen Augen fixierten ihn,"verlangt das Gesetz der Krieger es so von uns. Das solltest du wissen." Raven zog beschämt den Kopf ein und schwieg.

"Ach, Schneeschweif, sei doch nicht so grob zu ihm", miaute Karminpelz vergnügt. Schneeschweif schnaubte nur und wandte sich wieder an Seelenjunges. "Ich sehe gerade, dass er eine kleine Schramme am Hinterbein hat", murmelte sie mehr zu sich selbst.

"Das sollte ich lieber behandeln." Die dunkelbraune Kätzin trottete in den hinteren Teil des Baus und schlüpfte in einen Spalt in der Wand, wo sie ihre Kräuter verstaut hatte. Als sie mit ein paar Blättern Ampfer zurückkam, seufzte Chen mitfühlend: "Fuchsschweif wird sich bestimmt Sorgen um ihn machen."

Schneeschweif zerkaute das Heilkraut und rieb die Paste auf die verwundete Stelle. "Sobald er wieder aufwacht, wird er kräftig genug sein um ihn zum SonnenClan zurück zu bringen", erklärte sie. Raven blinzelte ratlos. "Warum sorgst du dich überhaupt so sehr um Fuchsschweif?", erkundigte er sich bei Chen.

Der Krieger sah ihn an. "Sie ist meine Tochter", antwortete er leise und in seiner Stimme lag unverkennbarer Schmerz. Der Schüler starrte ihn überrascht an. Deshalb behandelte er Seelenjunges so fürsorglich.

Dadurch, dass das Junge mit Karminpelz verwandt war, war ein enges Band zwischen den zwei entstanden. Bekümmert ließ Raven den Kopf hängen, als er sich daran erinnerte, wie nahe er zu seinem Vater gestanden war.

Er schüttelte sich schnell. Es gab keinen Grund trübselig zu werden. Schließlich war Windbrise selbst Schuld, dass er das Vertrauen seines Sohnes für immer verloren hatte. Und er kann es auch nicht wieder gut machen.

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