»Kapitel XVI || Klauen im Herzen«
»»»»---༄---««««
Kᴀᴘɪᴛᴇʟ XVI || Kʟᴀᴜᴇɴ ɪᴍ Hᴇʀᴢᴇɴ
»»»»---༄---««««
–––––
»Mᴀɴᴄʜᴍᴀʟ sᴀɢᴛ ᴅᴀs Hᴇʀᴢ ᴇʙᴇɴ ᴇᴛᴡᴀs ᴀɴᴅᴇʀᴇs ᴀʟs ᴅᴇʀ Vᴇʀsᴛᴀɴᴅ. Mᴀɴᴄʜᴍᴀʟ sᴛᴇᴄᴋᴛ ᴍᴀɴ ɪɴ ᴇɪɴᴇᴍ Zᴡɪᴇsᴘᴀʟᴛ ᴢᴡɪsᴄʜᴇɴ Mᴏʀᴀʟ ᴜɴᴅ Pfʟɪᴄʜᴛ. Aʙᴇʀ ᴠɪᴇʟʟᴇɪᴄʜᴛ, Asᴄʜᴇɴᴘfᴏᴛᴇ, ʜᴀsᴛ ᴅᴜ ᴅɪᴄʜ sᴄʜᴏɴ ᴇɴᴛsᴄʜɪᴇᴅᴇɴ.
Uɴᴅ ɪᴄʜ ᴅᴇɴᴋᴇ, ᴡɪʀ ʙᴇɪᴅᴇ ᴡɪssᴇɴ, ᴡᴏfᴜ̈ʀ.«
Ostfeuer,
Clangewählter des GletscherClans,
28 Worte aus
Aschenklinges Zwiespalt.
–––––
»Wir werden morgen bei Sonnenhoch umgehend zum Feuerberg aufbrechen. Ich nehme Orkanpfote, Strompfote, Tundrafluch und Saphirröte mit.«
Schneebluts Stimme schallte klar und kalt durch das Lager und jagte eiskalte Schauer über Orkanpfotes Rücken. Die Anführerin hatte wirklich vor, Steppenblut auch nur einen Moment lang Glauben zu schenken? Dem Kater, der ihre Mutter entführt und den sie nicht einmal ansatzweise aufzuhalten versucht hatte?
Orkanpfote wusste, dass sie das nicht einfach so hinnehmen konnte. Das alles. Die Angst schien ihr Herz in kleine Fetzen zu reißen, gepaart mit den stechenden Fragen und der brennenden Wut, die sich langsam durch ihren ganzen Körper und Geist zu fressen schienen.
Für die Schülerin stand fest: sie musste Steppenblut folgen. Sie musste wissen, was all das zu bedeuten hatte und vor allem musste sie Fahlstrom retten. Allein der Gedanke, die Katze, die ihr von allen auf der Welt am meisten bedeutete, zu verlieren, versetzte ihr einen Stich ins Herz.
Aber wie sollte sie das machen? Einfach aus dem Lager herausspazieren, nachdem Schneeblut angekündigt hatte, ihr Blut prüfen zu lassen? Nein. Sofort wäre ein Dutzend Krieger hinter ihr her.
Unruhig und verängstigt tappte die Kätzin auf und ab, ihre Ohren zuckten und sie fühlte sich nicht in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können. Sie Angst um ihre Mutter und vor dem, was sie alle erwarten würde, brachte sie schier um den Verstand!
Alles, was die kleine, braune Kätzin wusste, war, dass sie nicht aus dem Lager verschwinden konnte, dafür war es viel zu gut beobachtet. Aber vielleicht, wenn sie außerhalb des Lagers war... Schneeblut wollte sie ja ohnehin zum Feuerberg mitnehmen...
Mit einem Kopfschütteln sortierte sie ihre beinahe panischen Gedanken und versuchte, daraus einen halbwegs idiotensicheren Plan zusammenzuflicken.
Vergeblich.
Und selbst, wenn die es schaffte, zu fliehen, bevor ihre Anführerin sie zum Blutswahrer schleifte - was würde aus Strompfote? Er würde niemals gegen die Regeln verstoßen, er würde sich prüfen lassen, und wenn es das Letzte war, was er tat.
Und Wolfspfote? Ihre beste Freundin, ihre Fast-schon-Schwester? Wer wäre da, um sie vor höhnischen Kommentaren von Opalschlag zu schützen, vor viel zu hohen Ansprüchen von Schlangenwispern oder Tundrafluch?
Nein, Wolfspfote war stark. Sie würde es schaffen, sich zu behaupten, besonders mit Lummenblick an ihrer Seite.
Eine bessere Frage wäre wohl: was war Orkanpfote selbst, ganz ohne Freunde, ohne Familie, ohne irgendeine Katze, die sie unterstützte? Was wollte sie überhaupt tun, wenn sie Steppenblut gefolgt wäre? Ins BrandClan-Lager stürmen und sich dort hinrichten lassen statt vom Blutswahrer?
Die Wahrheit war: Sie hatte keine Ahnung. Und keine Chance, irgendetwas auszurichten gegen die Anführer und das Gesetz.
Himmel, diese Gesetze sind so... ihr fielen tausend Beleidigungen gleichzeitig ein. Ungerecht. Diskriminierend. Falsch. Willkürlich. Skrupellos. Brutal. Erdrückend. Schrecklich.
Ihr Kopf quoll schier über vor Verzweiflung und Hass auf das Gesetz des Blutes, gegen das sie so machtlos war wie ein Funke gegen eine Schneelawine.
Andererseits - konnte nicht aus jedem Funken eine Flamme werden? Aus jeder Flamme ein Feuer? Hatte sie nicht schon für Aufregung gesorgt mit ihrer Ansprache auf der Blutmondversammlung, für Zweifel und Gedanken?
Vielleicht war sie machtlos. Aber vielleicht konnte sie auch etwas bewirken. Und das konnte sie niemals, wenn sie es nicht versuchte. Genauso wie sie Fahlstrom nicht helfen konnte, wenn sie es nicht versuchte.
Orkanpfote blickte zu ihrem Bruder hinüber. Der schlanke, kräftige Jungkater tigerte ruhelos auf und ab, seine dunkel getigerten Glieder zitterten fast unmerklich. Strompfote schien sich große Mühe zu geben, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen. Und obwohl die beiden Geschwister direkt nebeneinander standen, wechselten sie die ganze Zeit über kein Wort miteinander. Die Stimmung zwischen ihnen schien noch frostiger geworden zu sein als die Luft um sie herum, als die Kälte, die ihr immer noch viel zu dünnes Fell sträubte.
Die ganze Zeit über saßen sie nebeneinander und fraßen ihre Wut, ihre Angst in sich hinein, bis Schneeblut ankündigte, dass sich die Katzen zum Aufbruch bereit machen sollten - was nicht einmal nötig gewesen wäre, weil alle vier Clan-Gefährten, die sie hatte mitnehmen wollen, ohnehin bereit waren und einfach da saßen.
Obwohl Tundrafluch sich seiner Gefährtin Saphirröte gegenüber - die scheinbar einzige Kätzin, die ihm irgendetwas bedeutete - offen und freundlich verhielt und ab und zu Ansätze machte, ein Gespräch anzufangen, schwieg die schöne, rotgoldene Kätzin, deren dünnes Fell ebenso ungeeignet für das verschneite GletscherClan-Territorium war wie das von Orkanpfote.
Warum sich die Kriegerin, die weit über die Clangrenzen hinaus für ihre Intelligenz und ihre genialen Strategien bekannt war, so distanziert verhielt, wusste die Schülerin nicht. Vielleicht fand sie es ebenso falsch, was in der letzten Nacht geschehen war. Verständlich wäre das allemal.
Die fünfköpfige Patrouille bog in den Eistunnel ein, der für Orkanpfote so viel kleiner wirkte als sonst. So viel beengter, unangenehmer. Als würde das Eis um sie herum sie zu erdrücken versuchen. Ein Kloß der Angst lastete noch immer schwer in ihrer Brust, schnürte ihr die Kehle zu und sie musste sich bemühen, nicht unwillkürlich schneller zu laufen. Sonst hätten die anderen Katzen Verdacht geschöpft.
Endlich kam das gleißend helle Licht am Ende des Tunnels in Sicht, das Licht, das den grellen Sonnenschein ankündigte. Und den Schnee, der selbst jetzt in der Lichtzeit die Gipfel des GletscherClan-Territoriums bedeckte. Das seltsame Rauschen unter ihren Pfoten, das sie schon in ihrer Jungenzeit vernommen hatte, war im Laufe der Monde lauter geworden, aber noch immer konnte sich Orkanpfote keinen richtigen Reim darauf machen. Und momentan war es ihr auch ziemlich egal.
Als sie langsam den Abstieg begannen, schwieg die Patrouille noch immer, die Katzen kommunizierten nicht miteinander. Außer, man zählte das stumme Schwanzzeichen, gepaart mit dem vielsagenden Blick Schneebluts, mit, mit dem sie den Kriegern bedeutete, ein Auge auf Orkanpfote zu haben. Das war zu erwarten gewesen, aber mit ihrem verwirrten und ängstlichen Geist hatte die Schülerin sich keine Gedanken darüber gemacht, wie sie bis zum Feuerberg entkommen konnte, wenn die Krieger sie bewachten.
Vielleicht musste sie einfach nur schneller sein...
Aber je weiter sich die Patrouille vom Lager entfernte, je tauber der Schnee ihre wunden Pfoten machte, desto schmerzhafter stach es ihr ins Herz. Sie war verzweifelt, das konnte niemand leugnen. Auch sie selbst nicht. Und sie würde alles tun, um ihre Mutter zu retten. Aber der GletscherClan war nun einmal ihre Heimat, auch, wenn sie sich dort nie wirklich zuhause gefühlt hatte. Dort war sie geboren und aufgewachsen, hatte den Legenden gelauscht, die Strahlenhimmel und Fahlstrom erzählten. Dort hatte sie Feinde, aber auch Freunde - allen voran Wolfspfote - die sie schon beim Gedanken, einfach zu verschwinden, schmerzlich vermisste.
Außerdem - wäre es nicht feige, einfach wegzurennen, statt sich ihrem Schicksal zu stellen? War Aschenklinge auch einfach weggelaufen, als es gefährlich wurde? War Fahlstrom weggelaufen, als Steppenblut sie verschleppen wollte?
Nein. Die beiden waren geblieben und hatten sich ihrem Schicksal gestellt, selbst wenn es das letzte war, was sie taten.
Aber wenn Steppenblut recht hatte, wenn ihr Blut wirklich unrein war, dann würde sie in diesem brennenden Berg sterben. Und wie sollte sie Fahlstrom helfen, wie sollte sie etwas ändern, wenn sie tot war? Orkanpfote war keine Anführerin, also würde sie nicht einmal als Tote etwas gegen die Gesetze ausrichten können. Verdammt, sie wollte nicht sterben! Und erst recht nicht, um einem Gesetz zu dienen, das sie verachtete.
So lange sie auch darüber nachdachte, insgeheim wusste die junge Kätzin, dass ihre Entscheidung bereits gefallen war. Sie würde nicht einfach Schneeblut folgen, sich einem Ritual unterziehen, das ihre Feinde - denn nichts anderes war der Clan des reinen Blutes - erfunden hatten, um ihre falschen Regeln durchzusetzen. Nein, sie würde nach ihrer Mutter suchen, sie finden und retten, und dann würde sie mit all ihrer Macht versuchen, die Katzen umzustimmen und davon zu überzeugen, dass eine Katze nicht weniger wert war, nur weil ihre Eltern nicht aus demselben Clan stammten.
Dieser Gedanke gab ihr ein wenig Kraft, um eine zittrige Pfote vor die andere zu setzen.
Aber ich kann nicht gehen, ohne meinen Frieden mit Strompfote zu machen.
Vor ihnen, durch einen dichten silberweißen Nebelschleier hindurch, erkannte sie schon die Ebenen und den lichten Wald, der den Pfad zum Feuerberg markierte. Unter dem wachsamen Blick Tundrafluchs tappte sie schneller, neben ihren Bruder. Der getigerte Kater blickte so starr auf den Boden vor sich, dass es Orkanpfote nicht gewundert hätte, wenn sein azurblauer Blick Löcher in den Stein gefräst hätte.
»Strompfote?«, fragte sie, so leise, dass es durch den pfeifenden Wind hindurch nur sie beide hören konnten. Nicht Schneeblut vor ihnen und auch nicht die ›Gefährten‹ die, sich gegenseitig ignorierend, hinter ihnen hertappten.
Der kräftige Schüler hob den Kopf und fixierte sie genauso starr wie vorher den Boden. Sein Blick war kalt wie Eis, fast so kalt wie der von Schlangensilber, mit dem er alle Katzen bedachte, die nicht nach seiner Pfote tanzten.
»Was ist?«, knurrte er schroff, aber immerhin ebenfalls leise.
»Es... es ist so...«, druckste sie herum, unschlüssig, wie sie es ihm erklären konnte. Die Kälte in den blauen Augen ihres Bruders fühlte sich an wie ein Krallenhieb. »Es... tut mir leid, was zwischen uns passiert ist. Bitte, das musst du mir glauben.« Flehend sah sie ihn an, doch Strompfote schwieg.
»Ich weiß, dass unsere... Ansichten sehr verschieden sind, aber wir sind doch trotzdem noch Geschwister.«
Immer noch Schweigen.
»...oder?«
Die frostige Stille zwischen ihnen wurde nur durchbrochen vom schneidenden Wind, der ein Klagelied vor sich hin heulte wie ein einsamer Wolf. Einige Herzschläge lang passierte gar nichts, dann nickte Strompfote fast unmerklich.
»Der Clan des reinen Blutes weiß, wie ich dich verdient habe, aber ja - du bist meine Schwester.« Orkanpfote bildete sich ein, einen Hauch von Wärme in der Stimme ihres Bruders zu erkennen, und ein Schimmer der Hoffnung leuchtete in ihr auf.
»Ich hab dich lieb, Strompfote, weißt du das? Und keine Ahnung, ob du dich daran erinnerst, aber du warst auch mal ein Junges, das gespielt und geträumt hat wie ich.« Liebevoll stupste sie den kalten Kater mit der Schnauze an, und er zuckte nicht einmal zurück. Sie fühlte sich, als würde sie einen dicken Eisblock bearbeiten, der langsam schmolz und darunter die Katze verbarg, die ihr Bruder einmal gewesen war. Wenn sie sich nur nicht selbst fühlen würde wie ein verdammter Eisblock!
»Ich habe gespielt?« Jetzt klang Strompfote fast aufrichtig geschockt, und Orkanpfote musste ihn mit einem »nur vor deinem dritten Lebensmond, und nur wenn wir alleine waren« beruhigen.
Der Kater mit der dunklen Point-Musterung schien zu zögern, als wäre er hin- und hergerissen. Zwischen was, das schien er selbst nicht zu wissen.
»Du... du bist meine Schwester, Orkanpfote. Und du bist mir wirklich wichtig, so wie Fahlstrom mir wichtig war. Aber der Clan kommt vor den eigenen Gefühlen, verstehst du? Der GletscherClan und das Gesetz erfordern meine Treue, und ihr stellt das immer wieder infrage! Ich habe geschworen, immer treu zu bleiben, und das werde ich. Und ich habe dir schon so oft gesagt, dass du dasselbe tun solltest, aber du hast nie auf mich gehört und da-« Seine Stimme war zu laut geworden, und er brach ab, als er das bemerkte. Aber immerhin war diese Kälte aus seinem Blick gewichen, dieses Eis schien wie zersplittert.
Orkanpfote schluckte schwer. Sie hatte mit dem Gedanken gespielt, ihn zu fragen, ob er sie auf der Suche nach Fahlstrom begleiten wollte, aber nach seiner eindeutigen Rede wusste sie, dass das keinen Zweck haben würde.
»Ich weiß, dass dir das Gesetz und der GletscherClan unglaublich wichtig sind, und... es ist ja auch mein Zuhause. Ich weiß, wo ich hingehöre.
Ich weiß, was ich tun und was ich lassen sollte und dass rebellieren zu Letzterem zählt. Ich weiß, wem meine Treue gelten sollte.
All das weiß ich ja, Strompfote.
Aber ich will es nicht.
Ich will frei sein und dafür sorgen, dass andere es auch sein können, egal, wer ihre Eltern sind.«
Strompfote senkte den Blick wieder starr auf den Steinboden zu seinen Pfoten und senkte die Stimme noch weiter, bis er so leise flüsterte, dass selbst Orkanpfote Schwierigkeiten hatte, sie zu hören. Auch, wenn die Kälte verschwunden war, so lag nun eine grässliche Taubheit darin, als hätte er schon längst alles aufgegeben. Ein Schrecken, als hätte man ihm den Weltuntergang prophezeit.
»Dann nehme ich an, du willst Fahlstrom und Steppenblut folgen? Abhauen?«
Dass er Orkanpfotes Gedanken ausgesprochen hatte, ließ sie seltsam wirklich und greifbar erscheinen, und sie blickte sich vorsichtig zu allen Seiten um, aber Saphirröte und Tundrafluch schienen genug damit beschäftigt, sich anzuschweigen.
»Ja. Ich... ich kann nicht einfach tatenlos zulassen, dass meine - unsere - Mutter von so einem Fuchsherz verschleppt wird.« Ihre eigenen Worte fühlten sich an wie die Schläge eines Kriegers, weil sie ihr erneut ihre eigene Angst so vor Augen führten. Das versetzte ihr einen schmerzhaften Stich in die Brustgegend.
»Ich weiß nicht, wie... aber ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich sie nicht finde.«
Ihr Bruder schüttelte den Kopf, er sah so verzweifelt aus, wie sie sich selbst fühlte. Als hätten sich die Krallen, die sich mit jedem Schritt tiefer in ihr Herz bohrten, auch in das seine gegraben, die Eisschicht durchbrochen, die Schlangensilber darum gewoben hatte.
»Ich wusste, dass es so endet. Dass wir uns gegenüberstehen, Bruder und Schwester, Krieger und Rebellin. Und Schlangensilber wusste das auch, selbst als wir noch Junge waren. Er hat gesagt, er hilft mir, meinen Traum zu verwirklichen, wenn ich ihm verspreche...«
Seine Stimme war kaum mehr ein Hauch, als sie sich im Wind verlor.
»Wenn du ihm was versprichst?«
Was hatte dieses Eisherz ihrem Bruder angetan? Was wollte er von ihm, welcher Schwur hatte ihn gezwungen, das zu werden, was er nun war?
»...wenn ich ihm verspreche, dich aufzuhalten. Anfangs hatte ich Zweifel, ich war nur ein Junges, das seine Schwester verteidigen wollte. Er sagte, es wäre um unser aller Willen, auch um dich zu schützen, und ich habe ihm geglaubt. Ich dachte, ich wäre naiv, aber er hatte recht. Du bringst uns alle in Gefahr, wenn du so weitermachst, verstehst du das nicht? Meinst du, Steppenblut macht Halt vor dem Rest des Clans, wenn dieser eine Rebellin verteidigt?« Jetzt klang seine Stimme verzweifelt, beinahe flehend.
Verbittert schnaubte Orkanpfote leise. »Der Rest des Clans würde mich nicht verteidigen, außer vielleicht Wolfspfote. Oder Fahlstrom. Weil ihnen ihr Gesetz mehr bedeutet als ein Katzenleben. Als zahllose Katzenleben, die deswegen ausgelöscht wurden.«
Strompfote schien auf seltsame Weise in sich zusammenzusinken.
»Ich habe gehofft, ich könnte dich umstimmen. Aber es ist wohl unmöglich. Und jetzt wäre eigentlich der Moment, in dem ich auf dich losgehen, ›Blutsschänderin!‹ rufen und für deine Hinrichtung sorgen müsste.«
Aber er tat nichts dergleichen, obwohl seine stahlharten Muskeln gespannt waren und irgendwo in seinen Augen kalter Hass funkelte. Aber da lag noch etwas anderes in seinem blauen Blick. Etwas, das sie so sehr vermisst hatte, seit er das erste Mal mit Schlangensilber zusammen das Lager verlassen hatte.
»Verdammt, bin ich ein schlechter Krieger«, knurrte der schlanke Jungkater leise, er schien wie zerrissen.
»Nein, das bist du nicht. Du hast einfach noch ein Herz, das nicht ganz so verkrüppelt ist wie das von Schlangensilber.« Vorsichtig legte sie ihm den Schweif auf den Rücken. »Es ist nicht falsch, Katzen zu haben, die dir wichtig sind.«
Sofort legten sich seine Ohren flach an, er stieß ein leises Fauchen aus. »Schlangensilber ist ein großer Krieger. Er ist der einzige, der immer an mich geglaubt hat! Mehr als meine Familie.« Strompfotes Blick war wieder nach vorne auf den steinigen Pfad gerichtet, starr wie der eines toten Karibus.
»Aber ich werde dich trotzdem nicht aufhalten. Auch, wenn ich es versprochen habe.«
Die Klauen der Trauer gruben sich tief in jede Faser ihres Herzens, als ihr klar wurde, dass sie gerade alles hinter sich ließ, das sie je gekannt hatte. Alles außer Fahlstrom.
»Pass auf Wolfspfote auf«, hauchte sie, und ihr Bruder nickte eisern. Verzweifelt suchte sie nach einem passenden Satz, der audrücken könnte, wie sie sich fühlte. Nach einem Wort, das all ihre Emotionen ausdrücken könnte, aber sie fand nichts. Nichts, mit dem sie Strompfote ansatzweise erklären könnte, wie sehr sie ihn hasste, wie wichtig er ihr war, wie dankbar sie war, wie wütend, wie verzweifelt, wie erleichtert...
Und so kam nur ein »Danke« über ihre Lippen, kaum mehr als ein Hauch, der schnell mit dem eisigen Wind bis hinter die Berge geweht wurde.
Hektisch blickte sich die Kätzin um. Der schmale Pfad führte einen Berg hinunter, links von ihnen ein steiler Abhang, der sich im Nebel verlor. Tundrafluch schien in seine Gedanken vertieft, aber Saphirrötes Blick schnellte immer wieder nach vorne zu den beiden Geschwistern.
Verdammt. Gerade Saphirröte, die für ihren Scharfsinn und ihre Klugheit bekannt war. Andererseits würden es so oder so alle Katzen bemerken, wenn sie floh, auch Tundrafluch, der Löcher in den Berg zu starren schien. Wahrscheinlich selbst Seelendonner im GletscherClan-Lager, so scharf, wie seine Sinne waren.
Und Wolfspfote.
Schon wieder krallten sich diese düsteren Kreaturen tief in ihr Herz, als sie an ihre beste Freundin dachte. An ihre Enttäuschung, weil Orkanpfote einfach abgehauen war, statt sich dem Ritual zu unterziehen. An ihre Trauer, ihre Wut, daran, wie sie sich fühlen würde, wenn Wolfspfote sie im Stich ließe.
Aber ich muss Steppenblut folgen. Und wenn ich ihn gefunden und Mama gerettet habe, können wir zusammen zum GletscherClan zurückkehren, Wolfspfote holen und zusammen die Katzen von der Ungerechtigkeit des Gesetzes überzeugen.
Wolfspfote würde sie verstehen. Ganz sicher würde sie das. Orkanpfote klammerte sich fest an die Hoffnung, an eine Hoffnung von so vielen, die einfach zersplittern könnten wie ein schmelzender Eiszapfen.
Dann atmete sie tief durch, ließ ein letztes Mal die kalte Bergluft durch ihren ganzen Körper strömen. Sammelte Kraft in den schwachen, aber gespannten Muskeln ihrer Hinterläufe, die zitterten wie Bäume im Sturm.
Für Mama.
Und mit dem Gedanken an die selbstlose Königin sprang sie den Berghang hinunter.
Brandpfote,
Schülerin des FederClans,
3000 Worte über
Klauen im Herzen.
Hallöchen, Clan-Gefährten und Wanderer!
Eines der längsten Kapitel bisher! Aber ich glaube, die beiden mussten sich einfach mal aussprechen. Habt ihr Feedback, Theorien, Kritik?
Oder - was mich wirklich interessieren würde - wer ist bisher euer Lieblingscharakter? Wen könnt ihr überhaupt nicht ausstehen, und gibt es irgendwelche Verständnisfragen?
Ich halte euch mal nicht länger auf - bis bald!
~ Brandpfote
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top