»Kapitel XIV || Zeichen der Nacht«
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Kᴀᴘɪᴛᴇʟ XIV || Zᴇɪᴄʜᴇɴ ᴅᴇʀ Nᴀᴄʜᴛ
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»Dɪᴇ Nᴀᴄʜᴛ ɪsᴛ ᴅɪᴇ Zᴇɪᴛ ᴅᴇʀ Gᴇʜᴇɪᴍɴɪssᴇ. Eɪɴᴇ ᴅᴜɴᴋʟᴇ Zᴇɪᴛ, ᴜɴᴅ ᴍᴀɴᴄʜᴍᴀʟ sᴇʜɴᴛ ᴍᴀɴ sɪᴄʜ ᴇɪɴfᴀᴄʜ ɴᴜʀ ᴅᴀɴᴀᴄʜ, ᴅᴀss sɪᴇ ᴢᴜ Eɴᴅᴇ ɪsᴛ.
Aʙᴇʀ ᴅᴀs ᴛᴜᴛ ᴍᴀɴ ɴᴜʀ, ᴡᴇɪʟ ᴍᴀɴ ᴅɪᴇ Sᴛᴇʀɴᴇ ɴɪᴄʜᴛ sɪᴇʜᴛ.«
Aschenpfote,
Schülerin des GletscherClans,
34 Worte über
Die Zeiten der Nacht.
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»Ducken. Unten bleiben. Nicht bewegen.«
Fünf Worte, mit denen ihr Seelendonners Stimme, die klang wie ein brechender Berg, die Kunst des Jagens erklärt hatte und mit denen sie ebenso viel anfangen konnte wie ein Lemming mit einem toten Karibu. Ungelenk presste sich Orkanpfote mit vor Kälte bebenden Flanken auf den gefrorenen Boden, versuchte irgendwie, stillzuhalten und ihren Schweif nicht völlig bis auf den Boden schleifen zu lassen - nicht nur, weil das zur Pirschjagd dazugehörte, sondern auch, weil der pelzige Wurm hinter ihr sonst wahrscheinlich abgefroren wäre.
Wolfspfote neben ihr wedelte unaufhörlich mit ebendiesem pelzigen Wurm durch die Luft, während Lummenblick ihr - halb in Orkanpfotes, halb in Wolfssprache - wohl zu erklären versuchte, dass jedes Beutetier, das intelligenter war als ein Eiszapfen, dieses Wedeln sehen konnte.
Strompfotes Jagdkauern war schon perfektioniert wie das eines erfahrenen Kriegers - wie könnte es auch anders sein, dachte Orkanpfote. Brisenpfote und Polarfuchspfote schlugen nach einander, und Schwingenpfote tat es ihnen nach, bevor Düsterschrei sie streng zurückrief.
»Hinterteil runter. Still halten«, wies Seelendonner sie an, und die kleine braune Kätzin bemühte sich nach Leibeskräften, aber sobald sie auch nur annähernd eine Position einzunehmen versuchte, wie Polarbrand sie gerade entnervt vormachte.
»Hört auf mit dem Scheiß und nehmt das Training verdammt nochmal ernst!«, herrschte die schroffe Kriegerin Flechtendämmers Junge an - die Jungen ihrer Schwester, was sie allerdings nicht zu interessieren schien.
»Wenn ihr kein Interesse daran habt, Krieger zu werden, dann müssen wir unsere Zeit auch nicht mit euch verschwenden.«
Brisenpfote senkte den Blick. »Tut mir leid«, murmelte der große braune Kater beschämt. Schwingenpfote tat es ihm nach und auch Polarfuchspfote entschuldigte sich, auch wenn sie mehr spöttisch ihre Brüder nachzuäffen schien. Ein Blitzen aus den kalten Augen Polarbrands und die kleine, braun-weiße Kätzin richtete den Blick auf die flauschigen Pfoten.
Erst, als alle Schüler ein halbwegs akzeptables Kauern hinbekommen hatten - was in Orkanpfotes Fall wohl bedeutete, nicht umzufallen - entschieden sich die Mentoren, die allesamt, bis auf Lummenblick, außerordentlich schlecht gelaunt aussahen, dafür, sich aufzuteilen und echte Beutetiere zu jagen.
Tundrafluch und Düsterschrei taten wohl gut daran, ihre Schüler Brisenpfote und Polarfuchspfote zu trennen, sonst wäre das Training wahrscheinlich in vollkommenes Chaos ausgeartet - aber auch Wolfspfote und sie selbst durften nicht zusammen jagen. Stattdessen tappte sie nun, noch immer am ganzen Körper zitternd, neben Flechtendämmers selbstbewusster Tochter, Schwingenpfote und ihrem Bruder her. Seit der Blutmondversammlung war die Stimmung zwischen den Geschwistern frostig, und ihr waren nicht die kritischen Blicke entgangen, mit denen Strompfote sie ständig bedachte.
»Wenn dir so kalt ist, fast ohne Fell«, maunzte Polarfuchspfote amüsiert über die dürre, frierende Schülerin neben ihr, »vielleicht solltest du dir auch so einen Pelz zulegen, wie Seelendonner einen hat. Er läuft doch immer durch den Schnee, ohne zu zittern wie der Boden bei einem Erdbeben.«
»Polarfuchspfote!«, fauchte Düsterschrei seine Schülerin leise an und brachte die dreiste Kätzin mit einem scharfen Blick zum Schweigen.
Orkanpfote dachte im ersten Moment tatsächlich über die Worte der Kätzin nach, aber verwarf sie schnell, schließlich trug Seelendonner einen Pelz von einem Fuchs, den er mit eigenen Pfoten erlegt hatte - nicht unbedingt etwas, was sich die kleine braune Schülerin vorgenommen hatte. Außerdem musste es beim Laufen furchtbar stören, ständig einen schweren Pelz auf dem Rücken tragen zu müssen und auch noch dafür zu sorgen, dass dieser nicht herunterfiel.
»Verteilen. Jagen«, donnerte Orkanpfotes Mentor von unter seinem Fuchspelz hervor und trottete nach Norden davon. Um sie herum wurde es leerer und leerer, als Strompfote fast sofort eine Spur aufnahm und sie in Richtung Meer verfolgte, während in weiter Ferne hinter Polarfuchspfote schon die eisige Tundra zu sehen warm die nördlich der Gebirgskette lag.
Als sie schließlich alleine da stand, öffnete Orkanpfote leicht das Maul und sog die klirrend kalte Luft tief ein. Ihr brannten die Pfotenballen vor eisigen Feuer unter ihr, aber sie versuchte, sich auf einen fahlen Beutegeruch zu konzentrieren, das sie in Richtung Westen führte. Sie tappte weiter und weiter über verschneite, halb aufgetaute Felsen und folgte der Spur, die sich immer wieder in frisch gefallenem Schneeregen verlor. Wie sollte sich auch der Geruch eines Wesens in gefrorenem Wasser halten, wenn es taute? Immerhin erkannte sie jetzt, dass es die Spur eines Lemmings war, die sie verfolgte.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis in dem matschigen Schnee vor ihren Pfoten einige kleine Pfotenabdrücke zum Vorschein kamen. Dass sie überhaupt noch zu sehen sind, muss ja bedeuten, dass sie frisch sind - sonst wären sie entweder weggetaut oder eingeschneit. Die Duftspur wurde frischer und irgendwann tauchte tatsächlich ein pummeliges, kleines Nagetier mit dunklem, graubraunem Fell auf, scharrte im Boden herum.
Orkanpfote duckte sich, wie Seelendonner es ihr beigebracht hatte - oder zumindest versucht hatte, es ihr beizubringen. Ihr Schweif fühlte sich an wie ein Eiswurm, sobald sie ihn auf dem kalten Boden ablegte, und sie fühlte sich erneut so, als fiele sie jeden Moment um. Mit einem Mal schien ihr Magen so laut zu knurren, dass sich die kleine braune Schülerin fast sicher war, dass der Lemming, der noch immer etwa fünf Fuchslängen vor ihr im Boden herumscharrte, es gehört haben musste - aber der Nager ignorierte sie.
Zitternd tappte sie vorwärts, jede ihrer schwachen Muskeln bis zum Zerreißen gespannt, und mit dem Gegenwind, der ihr gegen die Schnauze pfiff.
Als sie endlich nahe genug an dem Nager dran war - der ersten Beute, die sie alleine fing - katapultierte sie sich blitzschnell und wie mit Sprungfedern in die Luft, landete eine Pfotenbreite neben dem Nager, aber schaffte es gerade noch, ihn mit den Pfoten zu fangen.
Gerade wollte sie zum schnellen, schmerzlosen Todesbiss ansetzen, da blickte sie in die Tiefen der panischen, pechschwarzen Augen des Lemmings. Blanke Panik stand darin, Todesangst, und mit einem Mal quoll ihr Herz so über vor Mitleid, dass sie den Griff um das fragile Geschöpf lockerte. Der graubraune Lemming wand sich flink wie ein Wiesel aus ihren Pfoten und sprang davon.
Beschämt senkte Orkanpfote gleich darauf den Kopf, ihr Schweif hing schlaff im Schnee.
Sie hatte Mitleid mit einem Beutetier? Warum? Sie hatte schon so viele Vögel und Lemminge vom Frischbeute gefressen, ohne zweimal über das Leben dieser armen, wehrlosen Geschöpfe nachzudenken, dass vielleicht durch die Krieger des GletscherClans zerstört worden war.
Aber ich habe noch nie getötet.
Und an diesem Tag wurde ihr klar, dass sie das auch niemals wollte, ob Beutetier oder Clan-Gefährte.
»Aber Aschenpfote hatte die Gabe, hinter die Dinge zu blicken. Sie stellte alles infrage, was man ihr sagte, und sie akzeptierte die Dinge nicht einfach. Die Schülerin verstand nicht, was es mit dem Gesetz des Blutes auf sich hatte, und fragte oft andere Katzen, wozu die Gesetze überhaupt gut waren.«
Orkanpfote kuschelte sich eng an ihre Mutter und lauschte mit - wie fast immer - zuckenden, aber aufmerksam gespitzten Ohren auf ihre Lieblingslegende. Seit sie Schülerin war, hatte ihr die Wärme und die Nähe von Fahlstrom gefehlt, und sie hatte den Wunsch geäußert, noch ein letztes Mal mit ihr zusammen in der Kinderstube schlafen zu können.
Alle anderen Katzen hielten sie für dumm. ›Aus der wird nie eine Kriegerin‹, hieß es, und das machte Aschenpfote wütend. Sie wollte nicht auf das reduziert werden, was alle anderen sahen, wollte nicht nur dastehen, was alle anderen in ihr sahen, und sie wollte vor allem nicht selbst so verbogen werden, dass sie so war, wie andere sie haben wollten...«
Langsam verklangen Fahlstroms Worte in ihrem Kopf und sie ließ sich in den dunklen Strudel des Schlafes sinken, die fahlen Lichter der Nacht, die durch die dicke Eisschicht durchschossen und einen Funken Licht in die kalte Gletschernacht brachten, verblassten allmählich vor ihren Augen.
Zuerst war da nichts als tiefe Finsternis. Dann schälten sich langsam Umrisse aus der Dunkelheit, gewaltige Stämme, die wie Schattensäulen in den finsteren Himmel ragten.
Es war der selbe dunkle Wald wie bei ihrem allerersten Traum, genauso finster, genauso beängstigend, und all die Panik quoll wieder in ihr hoch, als sei sie immer noch das kleine Junge von damals, das sich gefragt hatte, was Bäume waren.
Die knorrigen Äste der Waldeswächter waren kahl und pechschwarz, und tanzende Lichter wie Katzenaugen blitzen durch die Dunkelheit. Mit eiskalten Klauen bohrte sich die Angst tief in ihr Herz, lähmte für einen Moment all ihre Sinne, dann ihre Glieder, und im nächsten schoss das Adrenalin nur so durch ihren Körper. All ihre Muskeln waren stahlhart gespannt.
Düsterer Nebel lag als dunkelsilberner Schleier über dem schlammigen Boden, und der Wind ächzte in den Zweigen. Er heulte ein Klagelied, aus dem sich leise Stimmen formten. Stimmen, die aus dieselbe Weise wisperten wie in jedem ihrer Träume. So dringlich, als würden sie Klänge jederzeit ihre Ohren sprengen und ihre Seele durchbohren mit ihrem klagenden Heulen.
»Dassss wird die lezzzzte Legende ssssein...«
»Die lezzzte Nacht...«
»Die Ssssschatten werden kommen...«
»Ssssschatten am Horizzzont...«
»Sssschatten im Sssschnee...«
»Sssschatten der Zzzzeiten...«
Die Stimmen jagten Orkanpfote aus der Ruhe des Schlafes heraus in die Kälte der Nacht. Sie zitterte panisch, die Augen weit aufgerissen, und presste sich an Fahlstrom. Ihre Mutter war hellwach, das wusste die Schülerin, obwohl die Müdigkeit jeden Sonnenaufgang die Schultern der Königin beugte. Ohne gefragt zu haben, wusste Orkanpfote, dass Fahlstrom nicht darüber reden wollte.
Während ihr pochendes Herz sich allmählich beruhigte, dachte sie nach. Was bedeuteten diese Worte? Was wollten diese Stimmen überhaupt von ihr?
All die Fragen, die in ihrem Kopf herumschwirrten, musste sich Orkanpfote wohl später beantworten.
Leise Rufe drangen an ihre Ohren, von einer Stimme, die Orkanpfote nicht kannte - aber Fahlstrom fuhr sofort hoch, als hätte jemand ihr ins Bein gebissen. Der gesamte Körper der Königin verkrampfte sich, ähnlich wie bei der Blutmondversammlung vor kurzer Zeit.
»Mama? Mama, was ist los?«, fragte sie ängstlich, als sich Fahlstrom langsam erhob.
Die Königin richtete einen traurigen goldenen Blick auf ihre Tochter, und das machte Orkanpfote Angst - Fahlstrom war eine der tapfersten Katzen, die sie kannte. Fahlstrom hatte keine Angst und umso panischer machte das die Schülerin.
»Ich hab dich lieb, Stürmchen.«
Mit diesen Worten tappte die Kätzin aus der eisigen Kinderstube heraus ins Lager, und Orkanpfote folgte ihr verwirrt und verängstigt.
Zurecht, denn mitten im Lager stand, mit zornig flammendem Blick und ausgefahren silbernen Krallen, Steppenblut.
Brandpfote,
Schülerin des FederClans,
1728 Worte über
Zeichen der Nacht.
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