»Kapitel XIII || Die letzte Legende«


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Kᴀᴘɪᴛᴇʟ XIII || Dɪᴇ ʟᴇᴛᴢᴛᴇ Lᴇɢᴇɴᴅᴇ
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»Es ᴛᴜᴛ ɪᴍᴍᴇʀ ᴡᴇʜ, ᴢᴜ ʙᴇɢʀᴇɪfᴇɴ, ᴅᴀss ᴇᴛᴡᴀs ᴅᴀs ʟᴇᴛᴢᴛᴇ Mᴀʟ ɢᴇsᴄʜɪᴇʜᴛ. Aʙᴇʀ ʜᴇᴜᴛᴇ ɪsᴛ ᴇs ʙᴇsᴏɴᴅᴇʀs sᴄʜʀᴇᴄᴋʟɪᴄʜ. Wᴇɪʟ ɪᴄʜ ᴡᴇɪss, ᴅᴀss ɪᴄʜ ɴɪᴄʜᴛ ɴᴜʀ ᴅɪᴄʜ ᴠᴇʀʟɪᴇʀᴇɴ ᴡᴇʀᴅᴇ, sᴏɴᴅᴇʀɴ ᴀᴜᴄʜ ᴍɪᴄʜ sᴇʟʙsᴛ.«

Sturmfalter,
Krieger unbekannter Zugehörigkeit,
32 Worte aus
Spatzenklangs Verlust.

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»Komm schon, Düsterschrei, ich brauche frische Luft! Und Ruhe. Seit einem Mond sind permanent Katzen und Eis um mich herum - ich will den Himmel sehen! Wenn die Jungen da sind, werde ich wohl kaum häufiger hier herauskommen.«

Der schwarze Kater seufzte resigniert. »Na schön. Aber pass gut auf dich auf, ja? In den letzten Monden haben wir immer häufiger Wolfsspuren gefunden.«
Besorgt musterte er die Königin.
»Sicher, dass ich nicht mitkommen soll, Fahlstrom?«

»Ja. Ich bin sicher«, schnaufte Fahlstrom genervt und tappte zum Ausgang des Lagers, nachdem sie liebevoll ihre Nase gegen die ihres Gefährten gedrückt hatte. Lachsecho bewachte den schmalen Pfad und blickte ungläubig drein, als er die hochträchtige Königin an sich vorbeitappen sah.

»Sach mal, Fahlstrom! Wohin soll's gehn?«

»Ich mache nur einen Spaziergang. Ich möchte noch einmal frische Luft schnappen, bevor die Kleinen kommen«, erklärte sie dem jungen Krieger und tappte den eisigen Pfad entlang, der sich in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte. Nicht, dass sie ihn allzu oft gelaufen wäre - schließlich war sie seit nicht einmal einem und einem halben Mond im GletscherClan und den Großteil der Zeit hatte sie in der Kinderstube mit der ruhigen Flechtendämmer verbracht, die vor nicht allzu langer Zeit geworfen hatte.

Das Eis wisperte leise um sie herum, wisperte eine stumme Melodie aus Kälte und dem Licht, das es bis zu ihr schaffte. Der Großteil ebendiesen Lichtes wurde von den gewaltigen Eismassen oberhalb des Gletschers gefangen.
Fahlstrom hasste diesen kalten, beengenden Ort. So schnell ihre Pfoten sie trugen und ihr von den Jungen schwerer Bauch es zuließ, stürmte sie in das grelle Licht vor ihr, das immer heller wurde, bis die gleißenden Strahlen ihre Pupillen verengten und der Schnee unter ihrer Pfote knisterte.

Sie tappte durch die weißen Kältewolken, die gerade, in der Schattenzeit, fast bis zu ihrem Bauch gingen. Die Tage waren kurz und sie wusste, sie musste sich beeilen, um wieder zurück im Lager zu sein, bevor die Sonne unterging. Eine Zeit lang stand Fahlstrom einfach nur da, wagte nicht, zurückzusehen, weil die Königin wusste, was sie erwarten würde. Der Schatten. Vergangenheit.

Zukunft leuchtete vor ihr in allen Farben, und die verschneite Landschaft erstreckte sich bis zum Nebel, der das Zwischenland umhüllte. Das Zwischenland, das so viel mehr war als ein riesiges Gebiet zwischen Eis und Feuer, das vom Nebel der Zeiten verhüllt war.

Fahlstroms Pfoten waren schon beinahe taub, als sie weiter den Pfad entlangtappte, auf dem sie hergekommen war. Das erste Mal, vor nicht allzu langer Zeit. Sie lief immer weiter durch das Territorium, dass nun wohl ihre Heimat war. Ihre Heimat aus Eis, Frost, Kälte.

Wie aus dem Nichts flammte ein abscheulicher Schmerz in ihrer Flanke auf, kein Schmerz wie von einer Wunde, ein Schmerz von innen. Es fühlte sich an, als drehe sich alles in ihr um. Vor Schock und Schmerz entwich ihr ein leiser Schrei, die Pfoten der Königin knickten ein und sie stürzte in den Schnee.

Ein leises Heulen. Donnerschläge ihres pochenden Herzens - und der Herzen, die in ihr schlugen. Es dauerte einen Moment, bis sie durch den Schleier der Schmerzen hindurch erkannte, was geschah.
Ihre Jungen kamen.

Wieder ein Heulen, diesmal lauter.

Eine zweite Schmerzenswelle schüttelte ihren Körper, verzweifelt versenkte sie die Zähne in ihrem Vorderbein, einfach, um den Schmerz zu durchdringen - vergeblich.

Das Heulen war nun unerträglich nah, und die Panik schnürte ihr die Kehle zu. Dann bebte ihr Körper in einer dritten Wehe und sie schien eine leise Stimme zu hören. Eine Stimme, die sie ewig nicht mehr gehört hatte. Ihre Mutter.

»Atme, Stürmchen. Press so fest, wie du kannst, bis das Junge kommt. Du schaffst das.«

All die Fragen, die in ihrem Kopf herumschwirrten, stopfte sie so weit in ihren Hinterkopf hinein wie möglich. Sie hörte einfach auf die warme Stimme in ihrem Hinterkopf und spürte, wie bei der nächsten Wehe mit einem letzten Zittern ein kleines, graues Fellknäuel in den Schnee glitt und sofort eine unerklärliche Wärme in ihr aufstieg. Eine Flut aus Liebe für das kleine Geschöpf durchdrang jede Faser ihres Körpers, eine Liebe, die sie noch nie verspürt hatte.

Fahlstrom umschlang das kleine Kätzchen, wärmte es und leckte es sanft gegen den Strich, trocknete sein Fell. Für einen Moment gab es nur die glückliche Mutter und ihr Junges, eine kleine Tochter mit staubgrauem Fell und einem kleinen weißen Fleck über dem Herzen.

Dann erklang erneut das Heulen, so laut, dass sie heftig zusammenzuckte. Fahlstrom fuhr herum - und blickte direkt in die schwefelgelben Augen eines Wolfes. Er fletschte die Zähne, Geifer troff in den Schnee und dann stürzte sich das graufellige Tier auf die Königin.

Fahlstroms Atem ging keuchend, als sie aus dem Schlaf hochschreckte. Zum ersten Mal seit vielen Monden hatte sie es fertiggebracht, einzuschlafen, als der Mond noch den Himmel erhellte, aber sofort jagten die Alpträume sie wieder in die Kälte ihres Nestes zurück. In die Finsternis der Nacht.

In der Finsternis, in der trotzdem ein Funke glomm. Orkanpfote hatte sich neben ihr zusammengerollt und zuckte im Schlaf leicht mit den Pfoten.
Als ihre Tochter mit großen goldenen Augen zu ihr aufgeblickt  und gebeten hatte, noch für eine Nacht mit ihr in der Kinderstube zu schlafen, hatte sie unmöglich nein sagen können. Sie wünschte sich nur, ihre anderen Kinder auch hier zu haben. Schon wieder drangen in ihr die Schuldgefühle hoch, wie jedes Mal, wenn sie Wolfspfote sah.

Mit einem Mal brachen die Ereignisse der Versammlung über sie herein wie ein Hagelsturm und die Angst packte sie mit eiskalten Klauen, bohrte sich tief in ihre Seele. Aber was hatte sie auch erwartet? Einfach nie wieder das GletscherClan-Lager zu verlassen? Es hatte früher oder später so kommen müssen.

Erst, als sich Orkanpfote neben ihr bewegte und die Augen aufschlug - sie hatte immer einen leichten Schlaf gehabt, das lag wohl in der Familie - bemerkte Fahlstrom, dass sie gezittert hatte. Nein, gebebt.

»Mama?«, wisperte die kleine, braune Kätzin mit den goldenen Tupfen. »Was ist los?« Ihre Augen waren groß und glänzten vor Sorge. »Geht es dir nicht gut? Du warst schon auf der Versammlung so komisch. Bist du sauer auf mich wegen der Sache beim Feuerberg?«

Sie zwang sich zu einem Schnurren. »Nein, Stürmchen, alles gut. Ich bin nicht sauer auf dich. Im Gegenteil, das war sehr mutig von dir. Aber es ist verboten und du musst auf dich aufpassen.«

Orkanpfote nickte nachdenklich. »Aber fandest du es denn richtig, Zeitensturm zu verbannen? Obwohl sie nichts getan hat?«

»Nein, natürlich nicht. Aber die Katzen haben eine bestimmte Vorstellung davon, was richtig und was falsch ist. Und was in ihren Augen falsch ist, das bestrafen sie.«
Fahlstrom versuchte mit aller Macht, ihre Stimme fest klingen zu lassen. Um von dem Zittern in ihren Worten abzulenken, fragte sie ihre Tochter: »Möchtest du noch einmal Aschenklinges Legende hören? Es ist lange her, dass ich sie dir das letzte Mal erzählt habe.«

Die Augen ihrer Tochter leuchteten. »Ja! Ja, bitte!«

»Also gut«, schnurrte sie und diese unerklärliche Wärme füllte jede Faser ihres Herzens, vertrieb die Angst, die sie eisern gepackt hielt. »Aber nur die kurze Version heute, ja? Ich bin müde. Und so leise, dass...«

»...dass selbst Seelendonner es nicht hört, ich weiß schon«, kicherte Orkanpfote.

Fahlstrom nickte. »Ganz genau. Hör gut zu, Stürmchen, denn vor langer Zeit, als das Zwischenland noch nicht im Nebel der Zeiten versteckt war, da lebte eine junge Kätzin namens Aschenpfote. In ihrem Herzen glomm ein Funke der Rebellion, sie lehnte sich gegen die Gesetze auf und wollte die Welt verändern.

Aschenpfotes Leben war schwer und voller Steine, die ihren Pfad versperrten, doch die junge Kätzin war stark und mutig und ging immer weiter, erklomm selbst den höchsten Gipfel, aber nie sah jemand die Stärke der mutigen Kätzin, die noch viele Monde später unvergessen blieb. Für die einen als Heldin, für die anderen als Verräterin.

Sie war keine gute Schülerin, ganz im Gegenteil, sie konnte weder jagen noch wollte sie kämpfen, aber eine Heilerschülerin wollte sie auch nicht werden. Die anderen Schüler blickten auf die kleine Katze herab, die scheinbar in allem so viel schlechter war als der Rest. Sie stand immer im Schatten ihres Bruders Rauchpfote, der der beste, klügste und schnellste Schüler des Clans war.

Aber Aschenpfote hatte die Gabe, hinter die Dinge zu blicken. Sie stellte alles infrage, was man ihr sagte, und sie akzeptierte die Dinge nicht einfach. Die Schülerin verstand nicht, was es mit dem Gesetz des Blutes auf sich hatte, und fragte oft andere Katzen, wozu die Gesetze überhaupt gut waren.

Alle anderen Katzen hielten sie für dumm. ›Aus der wird nie eine Kriegerin‹, hieß es, und das machte Aschenpfote wütend. Sie wollte nicht auf das reduziert werden, was alle anderen sahen, wollte nicht nur dastehen, was alle anderen in ihr sahen, und sie wollte vor allem nicht selbst so verbogen werden, dass sie so war, wie andere sie haben wollten.

Aschenpfote brauchte drei Anläufe, bis sie ihre Kriegerprüfung bestand und ihren neuen Namen Aschenklinge erhielt. Ihr Vater, der Anführer des GletscherClans, glaubte, ihr mit diesem Namen eine zweite Chance zu geben, eine starke und respektierte Katze zu werden.

Aber Aschenklinge wollte nicht von den anderen gemocht werden. Sie wollte sich nicht dem Druck auf ihren Schultern beugen, und als sie die Hinrichtung eines Blutsschänders beobachten musste, fällte sie eine Entscheidung. Sie würde eine Revolution beginnen, für das kämpfen, an das sie wirklich glaubte - denn sie glaubte daran, die Welt zu verändern.

Selbst ihr Gefährte Nordsturm, der dieselben Ansichten teilte, glaubte nicht daran, dass so wenige Katzen eine Ordnung stürzen konnten, die seit tausenden von Monden bestand.
Aber Aschenklinge glaubte es. Sie glaubte daran, dass sie die Clans umstimmen konnte, und so trat sie auf der nächsten Blutmondversammlung vor und sprach zu den Clans.
›Gefährten, Brüder und Schwestern‹, sagte sie, ›was hier geschieht, ist Unrecht. Eine Katze kann nichts dafür, wer ihre Eltern sind, und sie kann nicht für die Taten anderer verurteilt werden. Eine Katze kann nichts dafür, wen sie liebt, also verurteilt sie nicht für das, was ihr Herz will. Eine Katze kam nichts für ihr Blut, ihre Herkunft oder ihr Aussehen, also hört, was ich sage.

Lasst uns gemeinsam für die Gerechtigkeit eintreten. Kämpfen für den Frieden. Lasst uns dafür sorgen, dass niemand für etwas verantwortlich gemacht wird, wofür er nichts kann. Verurteilt niemanden dafür, wer er ist oder sein will.
Stürzt den Clan des reinen Blutes und das Unrecht, dass er streut, auf dass alle Katzen in Frieden und Glück leben können.‹

Viele Katzen stimmten ihr zu und waren bereit, für die Gerechtigkeit zu kämpfen. Aber sie waren zu schwach, die Verteidiger der alten Gesetze besiegten Katze um Katze, bis nur noch Aschenklinge stand. Ihre Rebellion wurde niedergeschlagen und sie als Blutsschänderin verurteilt.

Doch bevor Gipfelblut sie hinrichten konnte, erhob sie sich gegen ihr Schicksal und floh in die Schatten des Zwischenlandes. Einige Monde später verschwand auch ihr Gefährte Nordsturm. Und die Legenden sagen, dass die beiden eine Armee aus Schatten und Rebellen um sich scharten - und bis heute versuchen, die Clans und das Gesetz des Blutes zu zerstören.«
Als Fahlstrom geendet hatte, sah sie schon, wie Orkanpfote wieder friedlich zusammengerollt neben ihr schlief. Bald würde die Sonne über die Gipfel wandern und ein neuer Tag im GletscherClan anbrechen.
Und keine Katze würde erfahren, was die Kätzin ihrer Tochter erzählt hatte.

Aber ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als ihr klar wurde, dass es das letzte Mal gewesen war.


Brandpfote,
Schülerin des FederClans,
1937 Worte über
Die letzte Legende.

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