»Kapitel V || Schatten im Schnee«

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Kᴀᴘɪᴛᴇʟ V || Sᴄʜᴀᴛᴛᴇɴ ɪᴍ Sᴄʜɴᴇᴇ
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»Sᴄʜɴᴇᴇ ᴍᴀɢ ᴡᴜɴᴅᴇʀsᴄʜᴏ̈ɴ sᴇɪɴ, Nᴏʀᴅᴘfᴏᴛᴇ, ᴀʙᴇʀ ᴇʀ ɪsᴛ ᴋᴀʟᴛ ᴡɪᴇ Eɪs. Uɴᴅ ᴇʀ ᴋᴀɴɴ ᴅɪᴄʜ ᴛᴏ̈ᴛᴇɴ.«

Schneeklang,
Zweite Anführerin des GletscherClans,
16 Worte aus
»Legenden von Eis und Feuer«.

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Das Eis wisperte Warnungen in ihre zuckenden Ohren, Warnungen, die nicht bis nach unten durchdrangen. Die Pfoten der kleinen Kätzin waren taub, sie zitterte am ganzen Körper. Bläuliche Schattenschlieren tanzten auf dem Eis unter ihr, über ihr, links und rechts von ihr. Überall. Irgendwo unter ihr, weit, weit weg und verschollen in der Tiefe des ewigen Eises, schien etwas leise zu wispern. Ein Rauschen, ein Flüstern, ein Plätschern.

Was ist das nur?
Die kleine Kätzin war vollkommen orientierungslos, alles, was sie leitete, waren die leisen Stimmen von Schlangensilber und ihrem Bruder, denen sie so gut es ging folgte, ihre tauben Pfoten auf dieselben Pfade setzte in der Hoffnung, herauszufinden, wie sie aus dieser Frosthöhle herauskam.

Falls sie überhaupt jemals aus diesem eisigen Tunnel herausfand, würde sie die Welt sehen! Den Schnee, den Himmel, den Wind um ihre Schnurrhaare spüren. Freude erweckte die gefrorenen Klötze an ihren Beinen wieder zum Leben und sie beschleunigte ihre kleinen Schritte. Wenn sie nur so lange Beine hätte wie ihr Bruder!

Langsam, unerträglich langsam, wurde das Licht heller. Immer mehr Strahlen drangen durch das Eis und warfen gletscherkalte Tupfen auf ihr braunes Fell. Selbst das Licht strahlte eine seltsame Kälte aus und brannte in ihren Augen.
Eine gewaltige Höhle hatte sie schon durchquert, hatte krallenspitze Eiszapfen bewundert und in wenigen Herzschlägen mehr von der Welt gesehen als im Rest ihres Lebens.
Wenn allein der Gletscher so gewaltig war - wie riesig musste die Welt sein?

Bekannte Stimmen von links ließen sie in einen schmalen Pfad einbiegen, und schon verblasste das grelle Licht erneut. Eine seltsame Feuchtigkeit lag in der Luft. Es hätten Blattwechsel vergehen können oder nur Herzschläge, Orkanjunges verlor jegliches Zeitgefühl und die Augenblicke zogen sich in die Länge wie ein zähes Stück Frischbeute. Sie schien eher weiter in den Gletscher hineinzulaufen als heraus.

Bin ich wirklich richtig hier?
Die blaue Dunkelheit schien ihr ein »Nein« entgegenzuschreien, doch die Stimmen von Schlangensilber und ihrem Bruder kamen ganz sicher von vorne.
Erst jetzt dachte Orkanjunges darüber nach, was sie hier eigentlich tat. Ohne die Bgleitung einer erwachsenen Katze und in einem Alter von gerade einmal drei Monden tappte sie einfach aus dem Lager in ein Labyrinth aus Eis hinein! Irgendwie kam ihr das Ganze unglaublich seltsam vor.
Fast so seltsam wie die Tatsache, dass ihr Bruder einige Fuchslängen vor ihr mit dem Zweiten Anführer des Clans - der normalerweise nur mit Jungen redete, um sie anzuschnauzen - sprach und sie ihm hinterherschlich.

Wobei das Seltsamste an der ganzen Sache immer noch war, dass Stromjunges - der Stromjunges, der den lieben langen Tag nichts anderes tat, als zu trainieren, sein Jagdkauern zu perfektionieren und die Gesetze auswendig zu lernen - etwas Verbotenes tat. Eine Regel brach.

Und Orkanjunges musste zugeben, sie war ein wenig beleidigt. Wenn sie vorgeschlagen hätte, sich mit ihrem Bruder aus dem Lager zu schleichen, hätte er sie angestarrt wie einen fünfäugigen Lemming. Und jetzt haute er mit Schlangensilber ab, ohne ihr etwas davon zu sagen!

Als sie schon begann, zu glauben, die Dunkelheit würde niemals enden, erleuchtete wieder das kalte Licht den Eistunnel vor ihr. Eine gerade Strecke, so lang, dass sie ein ganzes Stück vor ihr tatsächlich Stromjunges und Schlangensilber entdeckte. Ein riesiger Eisblock fiel ihr vom Herzen; die kleine Kätzin hatte sich nicht verlaufen! Sie war auf dem richtigen Weg und würde nach draußen finden.

Noch immer schwirrte ihr Kopf nur so vor Fragen. Was zum Himmel wollte der Zweite Anführer von ihrem Bruder? Warum verließen die beiden dafür das Lager? Und vor allem - warum machte Stromjunges das mit? Er würde niemals eine Regel brechen, da war Orkanjunges sich sicher.
Aber was, wenn sie ihren Bruder gar nicht so gut kannte, wie sie glaubte?

Die kleine braune Kätzin schüttelte die trüben Gedanken ab und richtete den Blick erneut nach vorne, wo das Licht immer greller wurde. Der Tunnel um sie herum wurde breiter und breiter, die Kälte spürte sie kaum noch vor Taubheit und ihre Augen schmerzten von den gleißenden Strahlen. Nicht einmal mehr die Silhouetten von Stromjunges und Schlangensilber waren zu erkennen, so hell war es.

Sonnenlicht. War es wirklich Sonnenlicht? Sah sie gerade die Sonne? Vor Freude sprang sie kurz mit allen vier Pfoten in die Höhe und unterdrückte ein Quietschen - schließlich sollten die Kater vor ihr die kleine Kätzin nicht bemerken.
Als sich ihre Augen langsam an das Licht gewöhnten, kamen um den gleißenden Ball herum dunkelgraue Gewölbe in Sicht; an der Stelle, wo der Himmel auf die Erde traf, waren sie fast schwarz. Waren das Wolken?

Die Kälte schien aus ihrem Körper zu weichen und nun erstrahlte die weiße Pracht ihres Territoriums, nur durchbrochen von riesigen Felsen. In weiter Ferne sah sie riesige Steine, oben spitz - Berge? - und der markerschütternde Ruf eines Tieres, das sie nicht kannte, hallte an den Felsen und in ihrem Herzen wieder. Eiskalte, aber frische Luft stieg ihr in die Nase und erst viele Herzschläge später kam sie auf den Gedanken, sich nach Stromjunges und dem Zweiten Anführer umzusehen - die Kater waren wie vom verschneiten Boden verschluckt.

Unbehagen kroch ihren Rücken hinauf, doch die verbannte alle unguten Gefühle ganz weit weg und tappte hinaus in den Schnee. Weich und pulvrig fühlte er sich unter ihren Pfoten an, nicht so klumpig wie das Zeug, das unter den Pfoten der Krieger klebte, die von Patrouillen zurückkamen. Bis zu den Schultern reichte er Orkanjunges, als sie weiter hineinhüpfte, immer weiter. Zum ersten Mal war sie vollkommen von Eis umgeben - Schnee zählte für sie unter Eis - und freute sich auch noch darüber!

Wieder der Ruf des unbekannten Tieres, diesmal lauter. Brauchte es Hilfe? Orkanjunges hatte noch nie ein Tier rufen gehört, außer andere Katzen natürlich. Was gab es überhaupt für Tiere, außer Lemminge, die immer auf dem Frischbeutehaufen lagen, oder diese Tiere, deren Namen sie nicht einmal kannte und aus deren Pelz das Nestmaterial bestand?

Neugierig kämpfte sie sich weiter durch das weiße Zeug, allmählich flaute ihre anfängliche Euphorie ab und die Kälte kroch ihr unter die Haut. Noch ein Ruf, diesmal leiser, aber er klang viel näher. Jagte Orkanjunges Schauer über den Rücken - denn es war nicht dieser animalische, unbekannte Ruf. Es war der Schrei eines Katzenjungen. Keine Worte, nur ein verzweifeltes Heulen.

Panik schoss in ihre Glieder, gemeinsam mit der Kälte - schmerzhaft und eisig. Kannte sie diese Stimme? Was machte ein Junges draußen im Schnee?
Kurz darauf kam ihr diese Frage frosthirnig vor, schließlich war sie selbst ein einsames Junges im Schnee. Doch die Angst um das Junge, dessen Rufe immer schwächer wurden, ließ ihre Pfoten durch den Schnee wirbeln. Sie sprang voran, immer den verzweifelten Schreien nach.

Immer tiefer drang das Eis, bis in ihre Knochen. Die kläglichen Katzenrufe waren nun ganz nah, obwohl sie fast verstummt waren. Beißend schmerzte der Schnee an ihren frostigen Pfoten, sie spürte nur noch Kälte und Angst - dann, endlich, kam vor ihr im Schnee etwas Graues in Sicht. Ein Katzenjunges, etwa so alt wie sie, aber winzig klein und noch dürrer als sie selbst.

Selbst mit beinahe eingefrorener Nase bemerkte Orkanjunges den herben, unbekannten Geruch, der am dichten, grauen Fell der kleinen Kätzin haftete.
»H-hallo?«, krächzte die braune GletscherClan-Kätzin zitternd, näherte sich dem Jungen vorsichtig. Leises Wimmern war das einzige Lebenszeichen, das das kleine Junge von sich gab.

Hinter den beiden kleinen Katzen führte eine riesige Spur von ihnen weg, die aus Abdrücken bestand, die Orkanjunges noch nie gesehen hatte - doch das hatte jetzt keinerlei Priorität. Angst schoss erneut durch ihre Glieder, und sie stupste die Graue vorsichtig mit der Schnauze an.
»Hallo? H-hörst du mich?«

Wieder nur ein Wimmern, leichtes, schnelles Heben und Senken der dürren Flanken. Lähmende Erschöpfung kroch langsam, aber sicher in ihre Glieder, doch Orkanjunges weigerte sich, ihr nachzugeben, wehrte sich gegen diese Schlingen, die sie in die Dunkelheit des Schlafes ziehen wollten.
»H-hörst du mich? Wer bist du? Was machst du hier?«
Verzweifelt presste sie ihre Nase ins Fell der Fremden. Eiskalt wie sie selbst. Und erst jetzt erkannte die braune Kätzin, dass um sie herum nicht der vereiste Eingang zum Gletscher in Sicht war. Nur das endlose Weiß.
»Hilfe!« Jetzt schrie sie geradezu in den Schnee hinaus. Vergeblich.

Panik und Erschöpfung verschwammen zu einem Nebel der Verzweiflung, und sie hörte ihre eigenen Schreie immer schwächer werden, so wie die Rufe der kleinen grauen Kätzin. Taubheit umhüllte sie, ihre Lider wurden schwerer und schwerer.
»Mama!«, wimmerte sie kläglich. »Mama, hilf mir...«
Ihre Stimme brach und sie wurde von Finsternis umhüllt.

Leise Stimmen flüsterten ihr wieder direkt in die Seele, Stimmen wie aus ihrem Traum vor einigen Sonnenläufen. Stimmen, die weder Körper noch Geist zu haben schienen. Wieder tanzten Lichter wie glühende Katzenaugen im Nebel ihres Gedächtnisses.
Immer lauter wurden sie, unerträglich laut. Flüsterten wieder unzusammenhängende Worte.
»Ein Sssturm zzzzieht auf...«
»Die Sssschatten werden länger...«
»Die Sssschatten am Horizzzont...«
»Sssschatten im Sssschnee...«

Brandpfote,
Schülerin des FederClans,
1502 Worte über
Schatten im Schnee.

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