»Kapitel IV || Stimme einer Schlange«

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Kᴀᴘɪᴛᴇʟ IV || Sᴛɪᴍᴍᴇ ᴇɪɴᴇʀ Sᴄʜʟᴀɴɢᴇ
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»Sᴄʜʟᴀɴɢᴇɴ sɪɴᴅ ᴛᴜ̈ᴄᴋɪsᴄʜ. Sᴇɪ ᴅɪʀ ɪᴍ Kʟᴀʀᴇɴ, ᴍɪᴛ ᴡᴇᴍ ᴅᴜ ᴇs ᴢᴜ ᴛᴜɴ ʜᴀsᴛ, ᴍᴇɪɴ Sᴏʜɴ. Vɪᴘᴇʀɴɢᴏʟᴅ ɪsᴛ ɴɪᴄʜᴛ ɴᴜʀ ɴᴀᴄʜ ᴇɪɴᴇʀ Sᴄʜʟᴀɴɢᴇ ʙᴇɴᴀɴɴᴛ - sɪᴇ ɪsᴛ ᴇɪɴᴇ Sᴄʜʟᴀɴɢᴇ. Lᴀss ᴅɪᴄʜ ɴɪᴄʜᴛ ᴠᴏɴ ɪʜʀ ᴠᴇʀɢɪfᴛᴇɴ.«

Flachsfeder,
Zweite Anführerin des BrandClans,
34 Worte über
Viperngolds List.

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Ununterbrochen brannte Schlangensilbers Blick auf dem Pelz des jungen Katers, bohrte sich in seinen Rücken.
Dieser pirschte sich an ein Stück Lemmingfell an, spannte die Muskeln und trat langsam von einer Pfote auf die andere, als würde er sich an ein Beutestück anpirschen. Lautlos wie ein Schatten glitt er voran, über das silbrig schimmernde Eis, das seinen hellen Pelz in kaltes Licht tauchte.

Ein Windhauch, der das Labyrinth aus Eis durchwandert hatte, ließ das Fell des Nagetiers zittern. Sein Zeichen. Der Kater verharrte kurz, die Muskeln bis aufs Äußerste gespannt - dann sprang er. Seine kräftigen Hinterläufe katapultierten ihn in die Luft, und er landete zielsicher auf dem Stück Pelz. Schwerer Beutegeruch hing daran, ließ seinen Magen knurren und er spürte noch immer den Blick Schlangensilbers auf seinem Rücken.

Der junge Kater drehte sich um, das Fell ließ er auf dem Eis liegen, und sah tatsächlich den Zweiten Anführer neben dem Kriegerbau sitzen. Die grünblauen Augen bohrten sich in seine, und mit langen, kraftvollen Schritten tappte der silberne Kater auf das Junge zu.
»Du machst dich gut, Stromjunges. Wirklich gut. Und du wirkst viel reifer als deine Schwester«, miaute Schlangensilber in einem Ton, der nicht wirklich schmeichelhaft klang und doch viel zu sanft für den herrischen Krieger zu sein schien. Fast wie das Zischen einer Schlange, doch längst nicht so furchteinflößend.

Stromjunges hätte im ersten Moment beinahe vor Freude gequiekt wie ein Lemming - Lob von Schlangensilber war selten wie schwarze Füchse, sagte Rubinpfote - doch er besann sich eines Besseren und neigte respektvoll den Kopf, wie es die Krieger immer machten, wenn sie mit einer hochrangigen Katze sprachen.
»Danke! Ich gebe mein Bestes, schon vor meiner Schülerzeremonie zu trainieren, damit ich ein guter Krieger werde.« Dann jedoch dachte er über die letzten Worte des Stellvertreters nach und Ärger grummelte in seinem Bauch.
»Orkanjunges ist keinesfalls weniger reif als ich, sie nimmt nur viele Dinge noch nicht so ernst, wie ich es tue.« Er bemühte sich um einen möglichst ruhigen Tonfall.

»Na, hoffentlich wird sie wenigstens ihr Kriegertraining ernst nehmen«, knurrte Schlangensilber, doch gleich darauf lag wieder ein sanfter Blick auf seinem Gesicht. »Schön, dass du deine Schwester verteidigst. Loyalität ist eine wichtige Eigenschaft eines Kriegers.« Stolz kribbelte in Stromjunges' Brust bei den Worten des Kriegers, der sich nun zu ihm herunterbeugte.

»Ich habe mir etwas überlegt«, wandte der Zweite Anführer ein. Aus der Nähe sahen seine blaugrünen Augen noch stechender und... schlangenhafter aus, fast etwas unheimlich. Und die ungewöhnlichen Rosetten auf seinem Fell wirkten wie Reptilienschuppen, wenn er sich bewegte. Aufmerksam lauschte der kleine Kater seinen Worten, in seinen Pfoten prickelte es schon.
»Du möchtest doch so schnell wie möglich Krieger werden, oder?«

»Aber natürlich!«, rief er begeistert aus, Freude kribbelte in seinem Pelz. »Aber das Gesetz sagt ja, ich darf erst mit zehn Monden meinen Kriegernamen erhalten.«

»Das Gesetz sagt aber nicht, dass Junge im Lager bleiben müssen, oder?«, wisperte der silberne Krieger mit einem seltsamen Funkeln in den Augen. Als er Stromjunges' erschrockenen Blick sah, meinte der Kater leicht amüsiert: »Das ist eine Regel - eine unausgesprochene noch dazu -, kein Gesetz. Was meinst du, Stromjunges? Willst du nicht unser Territorium sehen?«

Zahllose Gefühle stürzten gleichzeitig auf ihn ein. Bewunderung, Angst, Stolz. Ihm wurde warm vor Freude, dass der eigentlich unnahbare und herrische Stellvertreter so freundlich zu ihm war und er sogar die Ehre haben würde, das Territorium seines Clans zu sehen - vor seiner Schülerzeremonie!
Andererseits krochen die Klauen der Angst schleichend unter seinen Pelz. Draußen in der Kälte waren Felsen und grausame Kreaturen, für die er nicht mehr war als die nächste Mahlzeit. Schneestürme hatten schon viele Katzen verschlungen, Mächte der Urzeiten. Wieviele Male hatte Fahlstrom ihre Jungen vor all diesen Gefahren gewarnt?
Aber wäre es nicht undankbar, das Angebot auszuschlagen?

Schlangensilber kniff die Augen zusammen. »Ich sehe Zweifel. Hast du Angst davor, das Lager zu verlassen?« Seine Schweifspitze zuckte.
Ja! Ja, das habe ich. Vor allem davor, etwas Verbotenes zu tun!

Doch der junge Kater gab sich einen Ruck und straffte die Schultern.
»Nein. Ich werde mitkommen.«

Zufrieden blitzten die Augen des Stellvertreters. »Dann folge mir.«
Stromjunges hatte zunächst Mühe, dem großen Krieger zu folgen, der mit seinen langen Beinen über Pelze, Kräuter und das Eis des GletscherClan-Lagers hinwegschritt. Am Lagereingang hielt gerade Seelendonner Wache, der seltsame Kater, der fast kein Fell am Leib hatte -  sogar noch weniger als Orkanjunges. Doch davon sah man praktisch nichts, weil er sich auf seltsame Weise mit dem Pelz eines toten Fuchses bedeckte, von dem Stromjunges keine Ahnung hatte, woher er stammte.
Seelendonners Blick triefte fast vor Argwohn, doch er war klug genug, zu schweigen, als der Zweite Anführer ungerührt an ihm vorbeitappte, gefolgt von dem kleinen Kater.

Sofort war er überwältigt von der gewaltigen Eispracht, die sich hinter dem Lager zu einer riesigen Höhle ausweitete. Silberweißes Licht sprenkelte seinen Pelz, schimmernd blitzten ihm Eiszapfen entgegen und für einen Herzschlag war er so gefangen in der funkelnden Schönheit, dass er stehen blieb wie seine verträumte Schwester.

»Mal sehen, ob du das Ding immer noch schön findest, wenn es dir das Genick bricht«, sagte Schlangensilber trocken und sofort brachte der junge Kater eine Fuchslänge zwischen sich und das spitze Ding.
»Schau, dem Weg müssen wir folgen«, wies der Silberne ihm an und erneut prickelte es unter Stromjunges' hellem, cremegrauen Pelz vor freudiger Erregung.
Er folgte dem Zweiten Anführer in einen schmalen Weg nach links, und das silberweiße Licht verblasste. Stattdessen drangen nun blasse, azurblaue Strahlen durch die klirrend kalte Luft. Langsam spürte er die Kälte unter seinen harten Pfotenballen und hoffte, dass sich das mit seiner Kriegerausbildung bessern würde.

Je näher sie dem Ausgang kamen, desto schneller donnerte sein Herz in der Brust. Er spürte, die die Aufregung, die Freude fast übermächtig wurde, und Stromjunges musste aufpassen, dass er nicht wie ein kleiner Fellball herumhüpfte. Sein Pelz war gesträubt vor Aufregung, das dunkle Gesicht des Jungen spiegelte sich im Eis, das ihn umfing.

Dann öffnete sich der Tunnel vor ihm und Stromjunges starrte hinab in eine wunderschöne Landschaft wie in seinen Träumen. Am Himmel zogen Wolken wie stolze Vogelschwärme vorbei, flogen auf den Horizont zu und verdeckten das Blau, von dem alle sprachen.
Ebenso fluffig bedeckte Schnee alles um ihn herum, nur hier und da ragte ein Fels aus der Fluffdecke heraus und reckte sich dem Himmel entgegen. Jetzt, in der Schattenzeit, waren die Tage kurz und düster, doch wenn die Lichtzeit anbrach, dann - das sagten zumindest die ganzen erwachsenen Katzen - würde das GletscherClan-Territorium erst in all seinen Farben erstrahlen.

Momentan waren ebendiese Farben Weiß und Grau. Doch der kühle Schnee, die ziehenden Wolken, der Wind, der sein Fell teilte - all das wirkte so wunderschön, so unwirklich.
»Wunderschön«, entwich es ihm und mit den Worten verließ eine kleine Nebelwolke sein Maul.

»Ja, schön ist es. Komm mit, Stromjunges, ich möchte dir etwas zeigen. Du wirst staunen.«
Ohne auf eine Antwort zu warten hatte sich Schlangensilber in Bewegung gesetzt und trabte leichtpfotig durch den Schnee, in dem Stromjunges beinahe einzusinken drohte.
Mit neugierig gespitzten Ohren - jetzt aber wirklich kalten Pfoten - folgte der kleine Kater dem Stellvertreter, der einen riesigen Felsen erklomm. Höher als alle anderen ragte er empor, pechschwarz und imposant.

Als das Junge in endlich erreicht hatte und vorsichtig versuchte, am rissigen Gestein hochzuklettern - zum Glück nicht glatt oder senkrecht, sondern mit tiefen Furchen darin und ein wenig wie der kleine Hang, auf dem die Kinderstube lag. Nur eben viel, viel höher.

Nach einer gefühlten Ewigkeit und mit endgültig tauben Pfoten, einer ausgerissenen Kralle und erschöpft keuchend erreichte Stromjunges die Spitze. Ein kleines Plateau erhob sich über die anderen Felsen und er fühlte sich fast wie ein Anführer, so weit über allem anderen. Doch als er den Blick hob in die Ferne, verschlug es ihm schier den Atem.

Endlos weit erstreckten sich Berge, dann Felsen, und in der Ferne verliefen sie zu einer ebenen Landschaft ohne auch nur einen Baum: Die Tundra, von der alle erzählten. Die Lemminge, die Schlangensilber liebte, gab es dort in Massen.
Am Horizont sorgten Nebelschwaden dafür, dass Himmel und Erde auf seltsame Weise miteinander verschwammen.
»Unfassbar«, hauchte Stromjunges.

»Das, Kleiner«, erklärte der Stellvertreter stolz, »ist dein Zuhause.
Aber das ist es nicht, warum ich eigentlich hierhergekommen bin. Ich wollte mit dir reden, dir einen Vorschlag machen.«

Aufgeregt machte er doch noch einen kleinen Sprung und wäre beinahe den Felsen hinuntergestürzt - was sein sicheres Ende gewesen wäre. Gerade noch rechtzeitig packte der Zweite Anführer ihn am Genick und setzte ihn sicher auf dem schwarzen Felsen ab. Er versuchte, seine Ungeduld und Aufregung etwas zu verbergen.

»Also«, begann Schlangensilber. »Ich werde Schneeblut bitten, deine Schülerzeremonie vorzuziehen. Die Kriegerzeremonie auch, wenn du dich gut machst und der Clan des reinen Blutes es billigt. Ich selbst werde dich ausbilden und zu dem besten Krieger machen, der du werden kannst.«

Ungläubig starrte Stromjunges ihn erst einen Herzschlag lang an. Wo war der skrupellose, schroffe Stellvertreter Schneebluts? Was war mit diesem Kater passiert und warum hatte er ausgerechnet ihn ausgewählt?
Dann explodierte Freude in seiner Brust.
»D-danke! Ich weiß nicht, was ich sagen soll, ich-« Er brach ab, sammelte seine Gedanken und miaute dann um einiges gefasster: »Vielen Dank. Ich werde dich nicht enttäuschen.«

»Oh, aber deinen Teil musst du auch beitragen zu unserer Vereinbarung«, verlangte der silberne Krieger. »Wirst du dennoch zustimmen? Dann hör gut zu.«

Was ist denn mein Teil?, wollte er fragen, alles in ihm schrie danach. Aber war das nicht egal? Das ist es! Alles, was er wollte, war doch, der beste Krieger aller Zeiten zu werden, egal, was er dafür tun musste! Der Clan stand an erster Stelle und Schlangensilber würde ihm dabei helfen, seinen größten Traum zu erfüllen.
Entschlossen nickte Stromjunges. Kein Preis war zu hoch, wenn es darum ging, der beste Krieger seit Katzengedenken zu werden und dem Clan zu dienen wie kein anderer!

Doch als Schlangensilber geendet hatte, war er sich da nicht mehr so sicher.



Brandpfote,
Schülerin des FederClans,
1701 Worte über
Die Stimme einer Schlange.

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