8. Kapitel
Ich weiß nicht, ob das nötig ist, aber Triggerwarnung fürs Ende des Kapitels, Blut und so...
W I L D P F O T E
Entsetzt starrte Wildpfote ihrem besten Freund an. Wie kann das sein? Die Worte des silberweißen Katers aus ihrem Traum hallten in ihr wider wie Echos. Vertraue keiner Katze! Er hatte recht behalten.
Geschockt stand sie da, unfähig, sich zu bewegen. Ihre Kehle war zugeschnürt, ihre Pfoten am Boden festgefroren, ihr Blick auf Seepfote geheftet.
Er stand an der Grenze, schmiegte sich ans Fell der Silbernen,die ihm schnurrend den Schweif auf den Rücken legte.
Schattenpfote fauchte leise. Seepfote fuhr herum und sah seine Schwester aus der Heide springen.
Einen Moment lang blickten sich die fast ausgewachsenen Schüler an, die Luft zwischen ihnen knisterte scheinbar. Dann stürzte die silberne Kätzin vor und schlug Schattenpfote auf die Schnauze, hinterließ eine dunkle Blutspur auf der Nase der Schülerin, dann raste sie mit einem letzten wütenden Blick ins NebelClan-Territorium.
"Was war das gerade?", fauchte Seepfotes Schwester voller Wut. "Bist du denn völlig mäusehirnig?"
"Ich..." stotterte Seepfote mit angelegten Ohren, "Ich kann das erklären!"
"Ach, und wie?", fuhr seine Schwester ihn an.
"Sie ist nur... eine Freundin...", versuchte der silberne Kater, sich zu rechtfertigen. "Ich kann das erklären..."
"Erklären? Du musst mir nichts erklären! ", schrie seine Schwester und preschte davon.
Nun war Wildpfote allein mit ihm. Sie trat vorsichtig einen Schritt vor, gab sich ihrem Freund zu erkennen.
"Du auch", murmelte Seepfote verzweifelt.
"Was war da eben los?", wollte Wildpfote wissen. Ihre Ohren waren erschrocken angelegt.
"Nichts."
"Nichts sieht aber anders aus."
"Wildpfote. Bitte, erzähle keiner Katze davon. Bitte!", miaute er, wurde immer leiser und eindringlicher.
"Seepfote, ich kann nicht vor Windstern verheimlichen, dass du dich mit einer fremden Katze triffst", widersprach die Schülerin traurig. Wieder überkamen sie Zweifel. Ich habe ihm vertraut! Mehr als jeder anderen Katze außer Blitzpfote! Und nun hat er mich verraten. Mich und den ganzen Clan. Was soll ich tun? Ich darf ihm nicht vertrauen. Aber wenn ich ihm nicht trauen kann, wem dann?
Niemandem. Dieses Wort biss sich in ihr fest wie eine Zecke. Der Kater aus ihrem Traum hatte recht. Aber er hatte sie gewarnt, anderen zu trauen. Vielleicht konnte sie sich wenigstens auf den sternenlosen Ort verlassen, der so missverstanden war. Ich muss es wohl.
Trauer und Wut rangen in ihr, bis das Wort aus ihrer Kehle brach.
"Verräter!", schrie sie Seepfote an. "Du fuchsherziger Verräter!"
Dann drehte sie sich um und jagte hinter Schattenpfote her.
"Wildpfote, du verstehst das nicht! Warte!", rief er ihr noch hinterher, doch in ihrer Wut hörte sie ihn nicht.
Die Heide, die Felsen und das Gras flogen nur so an ihr vorbei, sie keuchte schon nach kurzer Zeit, doch rannte weiter, bis sie den Lagereingang entdeckte, sich hindurchwarf, unsanft auf der Seite landete und noch einige Schwanzlängen weiterrollte.
"Heiliger SternenClan, was ist denn hier los?", miaute Brandhimmel, einer der ältesten Krieger, der gerade aus dem Heilerbau trabte. Vielleicht hatte er seinen besten Freund Löwenmut besuchen wollen.
"Alle Katzen, die alt genug sind, ihre eigene Beute zu fangen, fordere ich auf, sich hier unter dem Hochstamm zu einem Clan-Treffen zu versammeln!", erscholl Windsterns scharfe Stimme.
Direkt unter dem Hochstamm stolzierte Schattenpfote unruhig und mit wütend blitzenden Augen umher. Langsam trudelten auch die anderen Katzen ein.
"Schattenpfote hat mir erzählt, was sie beobachtet hat", verkündete die Anführerin und berichtete dem Clan von Seepfote und der Silbernen.
Wildpfote hörte nicht hin, bemerkte alles nur durch eine Art Schleier aus Verwirrung und Verzweiflung, bis eine Stimme sie aus ihren Gedanken riss.
"Wildpfote, hörst du überhaupt zu? Wir dürfen heute zum ersten Mal zur großen Versammlung, ist das nicht toll?", maunzte Blitzpfote.
"Jaja, ganz toll", murmelte Wildpfote, konnte sich aber nicht richtig freuen.
"Du klingst aber anders!", beschwerte sich ihre Schwester. "Komm, das mit Seepfote wird sich noch klären. Er ist wieder zurückgekommen, darf aber nicht mit zur Versammlung. Windstern wird hinterher mit ihm reden. Und jetzt hör auf, so zu tun, als wäre etwas ganz furchtbares passiert. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir losgehen. Schau, die Sonne geht schon unter."
"Froschhirn! Ich habe dir doch gesagt, du sollst vor Sonnenuntergang zu mir kommen."
Glühend heiß fiel es Wildpfote ein. "Ich komme, Moosstrahl!" Sie flitzte hinüber zum Heilerbau, wo der graubraune Kater sie schon, grimmig vor sich hin starrend, erwartete. Er begann, um sie herum zu laufen und ihre Kratzer zu begutachten.
"Sieht in Ordnung aus", knurrte er. Mehr würde wohl nicht mehr kommen, also tappte Wildpfote zu ihrer Familie hinüber. Flussecho legte ihr fürsorglich die Schweifspitze auf den Rücken.
"Es geht los!", rief Windstern und lief voraus, dicht gefolgt von Wolkennacht, ihrem Stellvertreter. Schnell flitzte Blitzpfote hinterher und auch Wildpfote selbst beschloss, Seepfotes Verrat auszublenden und sich stattdessen zu freuen.
"Wir sind fast da", meldete Wolkennacht laut. Die schildpattfarbene Schülerin schaffte es, einen Blick zu erhaschen auf eine Lichtung, auf der bereits viele fremde Katzen versammelt waren.
Als sie die Lichtung betraten, riss sie vor Erstaunen die Augen weit auf. Nicht nur das Meer aus unbekannten Pelzen beeindruckte sie, nein, in der Mitte der Lichtung glänzte im Mondlicht ein gewaltiger Felsen, der einen kristallklaren, im Sternenlicht schimmernden Wasserfall speiste.
Der Mondfall! Das muss er sein, dachte sie ehrfürchtig.
Windstern kletterte auf den Felsen, auf dem bereits zwei andere Katzen standen. Bei der einen handelte es sich um einen schon etwas älteren, silbernen Kater, die andere war eine goldweiße Kätzin.
Nun stürmten aus dem Wald noch mehr Katzen, von denen viele nicht so aussahen, als würde man sich mit ihnen gerne anlegen. Ein grau-schwarz-weiß gefleckter Kater, scheinbar ihr Anführer, gesellte sich zu Windstern.
"Möge die große Versammlung beginnen", jaulte er. "Federstern, was hast du für Neuigkeiten?"
Der silberne Kater nickte respektvoll und trat einen Schritt vor.
"Beim NebelClan läuft die Beute gut. Wir haben zudem zwei neue Schüler, Kleepfote und Eulenpfote. Schattenpfote hat sich entschieden, sich von Honigwolke zum Heiler ausbilden zu lassen."
Wildpfote folgte seinem Blick nach unten, wo eine rot-weiße Kätzin neben einem kleinen Grauen saß und ihm beruhigend zuflüsterte.
"Kleepfote!"
"Schattenpfote!"
"Eulenpfote!", erschollen die Rufe der Clans.
"Leuchtstern! Wie läuft es beim LichtClan?", erkundigte sich Federstern.
Die hellgoldene Kätzin erhob sich in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung und verkündete: "Einen so fischarmen Blattfall gab es bei uns schon länger nicht, doch unsere Krieger sind geschickt und fangen trotz allem genug. Wir sind stolz, verkünden zu können, dass Bernsteinglut und Schlangenmut ihre Kriegerprüfung erfolgreich bestanden haben!"
"Bernsteinglut!"
"Schlangenmut!"
Zwei junge Katzen, ein Kater und eine Kätzin standen mit stolz geschwellter Brust inmitten ihres Clans. Als Windstern vortrat, wollte Wildpfote ihre Freundin Schattenpfote -erst jetzt fiel ihr auf, dass der neue Heilerschüler des NebelClans genau so hieß- suchen, doch sie war wie vom Erdboden verschluckt.
Plötzlich ein gellender Schrei. Wildpfote fuhr herum.
Und da lag sie. Schattenpfote. Am Rande der Lichtung, in den Schatten des Schilfes des NebelClan-Territoriums.
Doch sie war nicht mehr wiederzuerkennen. Ihr gesamtes Gesicht war blutverschmiert, aus einer Wunde an ihrer Brust, genau über dem Herzen, quoll massenweise dickes, dunkles Blut. An ihrem Vorderbein schimmerte der Knochen an einigen Stellen durch.
Entsetzt stieß die Schildpattfarbene einen spitzen Schrei aus und preschte zum geschundenen Körper ihrer Freundin.
Diese blickte sie an, oder wollte es zumindest. Wildpfote sah nichts als Blut, als Schattenpfote schwach krächzte:
"Wildpfote. Es war sie." Dann sackte ihr Kopf schlaff auf das blutgetränkte Gras.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top