44. Kapitel
W I L D P F O T E
»Ist ja gut, du hast gewonnen! Aber jetzt nimm deine Pfote aus meinem Gesicht.«
Murrend wand sich Blitzpfote unter ihr hervor.
»Aber das hast du gut gemacht! Du hast so beherrscht gewirkt wie ein Krieger«, schnurrte die rot-schwarze Kätzin.
Stolz ließ ihre Brust anschwellen, sie fühlte sich frei wie ein Vogel.
»Danke«, maunzte sie.
»Ich glaube, so langsam müssen wir zum Lager zurück, sonst bemerken unsere Mentoren etwas«, sorgte sich Blitzpfote.
Wildpfote hob den Kopf zum Himmel, der von silbrig-goldenen Wolkenfetzen übersäht war. Am Horizont ballte sich eine gewaltige Wolkenwand auf, doch die ersten Sonnenstrahlen schoben sich durch die Wolkenschleier und tauchten das SturmClan-Territorium in ein seltsames Licht. Winzige Staubkörner tanzten mit dem Licht.
»Ach, meinst du nicht, wir können noch etwas bleiben?«, bat sie.
»Na gut. Aber nicht mehr lange!«
Spielerisch stürzte Wildpfote sich auf ihre Schwester, warf sie um und in einem Knäuel aus schildpattfarbenem Fell rollten sie durch die Heide, jagten sich durch hohes Gras und genossen die ersten warmen Brisen der Blattfrische, die kurz bevorstand.
»Wildpfote! Blitzpfote! Was beim SternenClan macht ihr da?«
Schnell rappelten sich die Schwestern auf, stellten sich brav hin und Wildpfotes Eingeweide zogen sich zusammen, als sie Falkenfeder mit peitschendem Schweif und wütend funkelnden Augen auf sie zupreschen sah.
»Was habe ich euch gesagt?«
Betreten senkte Blitzpfote den Kopfund murmelte eine Entschuldigung, was vermutlich eine klügere Entscheidung war, doch Wildpfote machte wütend einen Satz nach vorne und blickte entrüstet zu Falkenfeder hoch.
»Du hast gesagt, ich dürfe mit keiner Katze kämpfen, erst recht nicht mit Blitzpfote!«
»Und was tust du gerade?«
»Ich versuche, meine Selbstbeherrschung zu trainieren und Blitzpfote möchte mir dabei helfen, da der Rest des Clans mir nicht den Hauch einer Chance gibt, mich zu beweisen. Wir sind Schwestern, Falkenfeder, und du hast deine stinkende, erbärmliche Schnauze aus unseren Angelegenheiten rauszuhalten!« Ihre Krallen fuhren sich unwillkürlich aus und gruben sich in den Boden, was Falkenfeder nicht entging.
»Ich bin Blitzpfotes Mentor und für ihre Sicherheit verantwortlich. Und du gefährdest diese, das hast du gezeigt. Scheinbar hat das mit dem Training noch keine Wirkung, du bist genauso respektlos und impulsiv wie schon immer.«
»Ich denke, Blitzpfote kann für sich selbst sprechen.«
Die schwarz-rote Kätzin war vorgetreten und stellte sich nun zwischen Falkenfeder und Wildpfote. Diese wusste, wie schwer es Blitzpfote fallen musste, sich Falkenfeder entgegenzustellen, schließlich war sie von Natur aus eine Katze, die Grenzen und Regeln respektierte.
»Falkenfeder, bitte bestrafe Wildpfote nicht. Ich habe darauf bestanden, mit ihr zu trainieren.«
»Das ist nicht wahr! Ich habe dich doch gebeten, mir zu helfen!«, miaute Wildpfote schnell. Sie konnte nicht zulassen, dass Blitzpfote dafür bestraft wurde, dass sie ihrer Schwester geholfen hatte!
»Es ist mir egal, ob du es angeboten hast oder nicht. Wildpfote, einen Mond Zeckendienst!«
»Warum das denn?«, fuhr sie ihn an.
»Weil du eine Clan-Gefährtin in Gefahr gebracht hast.« Als Falkenfeder Wildpfote in die Augen blickte, nickte er scheinbar wissend.
»Aha. Bald werden es zwei, ich sehe schon.«
Liebend gern würde sie ihm dieses Grinsen vom Gesicht kratzen! Sie spürte schon, wie sich eine Pfote wie von allein hob.
Nein. Er will das doch! Gib ihm nicht diese Genugtuung!
Sie riss sich zusammen, fuhr die Krallen wieder ein und trat einen Schritt zurück.
»Müsste nicht Löwenmut über meine Strafe entscheiden?«
»Löwenmut wird dich nicht bestrafen«, knurrte Falkenfeder verächtlich.
»Kommt mit.«
»Was, wenn nicht?«
»Werden es zwei Monde Zeckendienst.«
»Fuchsherz.«
»Missgeburt.«
»Zitierst du deine Mutter bei deiner Geburt?«
»Hört auf, alle beide!«
Blitzpfote sprang mit angelegten Ohren zwischen die Streitenden.
»Wir gehen jetzt alle zusammen zum Lager, ohne jemanden zu beleidigen!«
Vor sich hin murrend tappten die drei Katzen zur Senke, die von dichter Heide umgeben war, und Löwenmut empfing sie freundlich, doch er fragte nicht nach, was passiert war, als er die Mienen der Katzen entdeckte.
»Wildpfote, kann ich mit dir sprechen?«
Seine Stimme verriet nichts. Keine Wut, aber auch keine Freude spiegelte sich in seinen goldenen Augen.
»Ja klar«, sagte sie verdattert.
Schon trabte der goldene Krieger davon, und sie hatte Mühe, ihm zu folgen. Sie erwartetem dass er irgendwohin laufen würde, wo sonst keine Katze war, doch er trabte nur halb um das Lager herum, bis der Schatten eines Baumes ihren Pelz verdunkelte.
Vor ihr ragte ein Stamm in die Höhe, kohlschwarz und verbrannt, oben abgebrochen, als hätte jemand ihn einfach in der Mitte durchgerissen.
Die Blitzeiche.
»Warum hier?«
Sie fühlte sich zurückversetzt an ihren ersten Tag als Schülerin, an dem Löwenmut ihr das Territorium gezeigt hatte. Der erste Baum, den sie je gesehen hatte, war die Blitzeiche gewesen. Goldschimmer hatte erzählt, dass ein Blitz hier einen gewaltigen Brand ausgelöst hatte.
»Was war los mit Falkenfeder?«
Verwirrt über die Rückfrage erzählte sie ihm von Blitzpfotes und ihren Trainingskämpfen, von Falkenfeder und ihrer Diskussion.
Löwenmut stieß einen lauten Seufzer aus und schüttelte sein goldenes Fell, sodass er im Morgenlicht wirklich aussah wie ein Löwe.
»Oh Wildpfote. Weißt du, du machst die gleichen Fehler wie ich, als ich ein Schüler war. Du versuchst, dich zu beweisen, um Katzen zu imponieren, die du nicht einmal leiden kannst. Du willst eine perfekte Kriegerin werden, was natürlich toll ist, aber du vergisst, dass keine Katze perfekt ist. Du siehst nur deine Schwächen, statt dich über das zu freuen, was du kannst.«
Einen kurzen Moment lang schwieg Wildpfote, denn er hatte ihre Gedanken exakt ausgesprochen.
»Aber wie soll ich mich über meine Stärken freuen, wenn sie den Clan keinen Mäuseschwanz interessieren?«
»Beweise ihnen, dass du es wert bist, von ihnen respektiert zu werden.«
»Und wie? Keine Katze gibt mir eine Chance!«
Frustriert peitschte sie mit dem Schweif.
»Jeder große Krieger war einmal ein hilfloses Junges mit nichts mehr als großen Träumen. Jede Katze muss kämpfen, um ihre Träume zu erreichen. Und du, Wildpfote, bist eine der talentiertesten Kämpfer, die ich je ausgebildet habe. Ich weiß, dass du es kannst. Vertrau mir. Das ist etwas, was du definitiv mehr tun solltest.«
Zweifelnd blickte Wildpfote Löwenmut an. Vertrauen... es gab so ziemlich fünf Katzen, denen sie wirklich traute. Ihre Eltern, Blitzpfote, Eis und eben Löwenmut.
Doch irgendwie klangen seine Worte aufbauend und fast musste sie schnurren, als sie sich den großen Krieger Löwenmut als winziges Junges vorstellte.
»Nicht alle Kämpfe werden mit Krallen ausgefochten, Wildpfote. Du bist dabei, einen finsteren Pfad zu beschreiten, aber noch kannst du umkehren.«
Entgeistert starrte sie ihren Mentor an, als sie begriff, was seine Worte bedeuteten.
»Ja«, meinte er leise, »ich weiß es.«
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