43. Kapitel
F U N K E N P F O T E
»Seht ihr auch den Wald da hinten?«
Ludwig riss erfreut die Augen auf und nickte eifrig.
»Natürlich! Meinst du, da sind diese Clans, von denen deine Mutter erzählt hat? Glaubst du, die gibt's wirklich?«
Die Worte des jungen Katers fühlten sich an wie Stiche in ihrem Herzen. Natürlich wusste er es nicht, aber jede Erwähnung von Falkenfrost schien sie zurückzubefördern an den Tag, an dem ihr Kopf schlaff in den feuerroten Wüstensand gefallen war. Als sie Himmelsmond gefunden hatte.
»Bestimmt gibt's die«, miaute sie optimistisch und beschleunigte ihre Schritte. Hinter ihr unterhielten sich die älteren Katzen, Fiete und Sonne, während Echo neben Funke und Ludwig hertrottete.
Nachdenklich nickte der junge Stammeskater.
»Und hoffentlich sind die anderen Katzen aus dem Stamm dort. Ich könnte es nicht ertragen, sie jetzt zu verlieren... Felsenseher verlässt sich doch auf mich!«
»Das hier ist bestimmt der richtige Weg!«
Vertrauensvoll richtete sie den Blick in Richtung Himmel und sah erleichtert den Greifvogel über ihr kreisen. Funke blickte wieder zum Wald, der ein beträchtliches Stück näher gekommen war.
»Ähm... was machen wir eigentlich, wenn wir bei den Clans sind? Also ich meine, bleiben wir da oder wie?«
Auch Ludwig schien bisher nicht daran gedacht zu haben.
»Ich denke... ich schaue mal, ob's mir da gefällt. Wenn ja, werd' ich wohl bleiben. Was'n los, Echo?«
Tatsächlich wirkte der graue Kater ungewöhnlich still, beteiligte sich immer weniger an ihren Gesprächen, je näher sie dem Wald kamen.
»Ach, ich weiß nicht«, miaute er. »Ich hasse den Wald nunmal.«
Das stimmte vermutlich. Funke konnte nicht leugnen, wie oft und ausgiebig er sich über eigentlich alles im Wald beschwert hatte, als sie auf dem damals schneebedeckten Weg hierhergekommen waren.
Wieso, wusste die junge Kätzin nicht, und sie wusste, dass Echo schon seine Gründe haben würde, sich so zu benehmen.
»Aber du kommst doch mit, oder?«, quiekte Funke alarmiert. Sie konnte sich kaum vorstellen, wie es wäre, wenn Echo nicht mit zum Clan ihrer Mutter käme. Dass dieser im Wald lebte, hatte Falkenfrost ihr erzählt, und da der Falke unaufhörlich über den Baumwipfeln kreiste, musste es einfach der richtige Ort sein.
»Ich... ich glaube nicht, dass ich jemals glücklich in diesem Gefängnis aus Zweigen werden könnte.«
»Aber du kannst doch jetzt nicht einfach abhauen!«
Echo wirkte fast gleichgültig.
»Schätze, schon. Es tut mir ja leid, Funke, aber ich werde keinen Pfotenschritt mehr in einen Wald setzen. Als wir durch einen Wald gelaufen sind, hast du das vermutlich nicht einmal bemerkt, aber ich hasse einfach so viele Bäume!«
»Och, bitte! Du kannst doch immer noch gehen, wenn wir da sind«, bettelte Funke.
Echo seufzte. »Also schön, ich komme mit. Aber nur so lange wie unbedingt nötig!«
»Danke!«, schnurrten Ludwig und Funke wie aus einem Maul.
»Schaut mal, wir sind da!«, freute sie sich. Über ihr erfüllte ein freudiger Schrei die Luft.
Die Schatten der Bäume fielen auf ihren Pelz, warfen ein Muster auf die sanften Streifen im Gesict der jungen roten Kätzin.
»Ist der Clan wohl damit einverstanden, wenn wir einfach auf ihrem Territorium herumspazieren?«, meldete Sonne. Echo sah aus, als hätte er eine schlechte Maus gefressen. Oder auch etwas mehr als eine.
»Hm... gute Frage. Bestimmt finden die das in Ordnung.«
Falsch gedacht - das bemerkte Funke spätestens, als die kräftige, dunkelgrau-weiße Kätzin sie mit ausgefahrenen Krallen auf den moosigen Boden nagelte, aus dem schon in einem frischen Grün einige Pflänzchen sprossen.
»Was... tust du da!?«, japste sie geschockt, da hatten sich schon zwei junge graue Kater auf die Kätzin gestürzt und rangen mit ihr, bis der kräftige Fiete dazwischen ging.
»Was macht ihr auf FlammenClan-Territorium?«, zischte sie hasserfüllt. Funke bemühte sich, nicht zu zittern, als sie zögernd die Stimme erhob.
»Wir wollen nichts böses. Eigentlich wollten wir uns euch anschließen, wenn das möglich wäre...«, bat sie.
»Wellensplitter! SternenClan, was machst du denn!?«
Ein silberschwarzer Tigerkater eilte herbei. Eines seiner Augen starrte blicklos ins Leere, doch das andere funkelte besorgt in Saphirblau.
»Ach du, doch mehr Katzen! Willkommen, Fremde. Ich bin Mondschatten, aber kommt erstmal mit. Wir können unterwegs reden.«
Funke war so verwirrt, dass sie ihm einfach folgte. Den anderen Katzen schien es genauso zu gehen, noch immer schaute Echo gequält drein und ihr war es ehrlich gesagt lieber, er würde nicht ihretwegen durch diesen Wald laufen müssen, sondern frei wie ein Vogel über eine Wiese springen.
Als sich der schmale Trampelpfad zu einer Lichtung öffnete, erkannte Funke beeindruckt zahlreiche Katzen. Einige trugen noch recht alt aussehende Kratzer, doch die schienen sie nicht weiter zu stören. In irgendeinem Schatten hockte ein kleiner hellroter Kater und fixierte die Neuankömmlinge.
In der Mitte der Lichtung befand sich ein riesiger, moosbewachsener Stamm, auf dem ein grau-schwarz-weiß gescheckter Kater hockte, der sich gerade ungeschickt die Seite putzte.
Plötzlich sprang eine rote Kätzin auf sie zu - nein, geradewegs an ihr vorbei - und warf sich auf die Stammeskatzen.
»Echo! Sonne! Ich hätte nie gedacht, dass...« der Rest ihrer Worte ging in einem gewaltigen Schnurren unter.
Ein halbes Dutzend Katzen folgten ihr, begrüßten Sonne und Echo schnurrend und erdrückten sie schier, während Ludwig, Fiete und Funke nur verwirrt Blicke wechselten.
Nach einer Weile mischte sich der Kater auf dem Baumstamm ein: »So, fertig mit dem Geknuddel?«
Sie rissen sich zusammen und nickten, da erhob der Kater erneut seine Stimme, die etwas sarkastisch wirkte.
»Ich bin Falkenstern! Wollt ihr euch wenigstens uns anschließen? Der Stamm des jagenden Feuers oder wie die sich nennen, wollte nicht.
Für Funke stand fest: Sie würde sich dem Clan anschließen, der die Heimat ihrer Mutter war. Dieser Kater, Falkenstern, wirkte irgendwie seltsam, aber er teilte seinen Namen mit ihrer Mutter.
Was, wenn das nicht einmal Falkenfrosts Clan war?
Unsinn! Es musste einfach ihr Clan sein.
Sie drehte sich zu Ludwig und Fiete um, die scheinbar leichtfertig nickten, und tat es ihnen gleich.
Sonne und Echo entschieden sich dagegen wie die anderen Stammeskatzen, was Funkes Meinung nach vollkommen in Ordnung, wenn auch schade, da sie sich so irgendwie nicht sicher war, ob die beiden blieben.
»Geht doch!«, freute sich Falkenstern und versuchte, ernst zu bleiben.
»Heute werde ich drei neue Schüler ernennen!«
Blitzmerker!
»Ähm... du grau-weiße Katze mit den blauen Augen, du wirst von jetzt an Wolkenpfote heißen.
Frostblatt, du bist mittlerweile hoffentlich bereit für deinen ersten Schüler. Bilde Wolkenpfote gut aus und lehre ihn, ...was du eben kannst.
Du undefinierbare braune Katze mit den Luchsohren! Ab jetzt, bis du deinen Kriegernamen erhältst, wirst du Uhupfote heißen.
Donnerbruch, du wirst sein Mentor sein. Gebe deine Kampffertigkeiten an ihn weiter.«
Zwei Katzen traten aus der Menge des Clans heraus. Ein weißer Kater, der freundlich auf Ludwig - nein, Wolkenpfote - zutappte, und ein Dunkelgrauer, der Fiete alias Uhupfote wohl lieber umgebracht als ausgebildet hätte.
»Und du, rote Katze...«
»Mein Name ist Funke!«, unterbrach sie ihn und bereute es sogleich etwas. War das respektlos?
»Also schön. Funke, du wirst nun Funkenpfote heißen und Wellensplitter wird dich ausbilden. Wellensplitter, reiß dich zusammen und bringe ihr alles bei, was du weißt.
Möge der SternenClan die Pfoten dieser Schüler leiten, bis sie in ihren Pfoten den Mut und die Kraft eines Kriegers finden.«
Als Funkenpfote die aggressive dunkelgrau-weiße Kätzin genervt auf sich zutraben sah, zog sich alles in ihr zusammen, doch sie zwang sich, einfach freundlich dazustehen und ließ etwas verblüfft zu, dass Wellensplitter ihre Nase berührte. War das Brauch bei den Clans? Schien wohl so...
Auch überrascht hörte sie, wie ihr neuer Clan begann, ihre Namen zu rufen, so laut, dass ihr Echo bestimmt bis zum Himmel zu hören waren, wo der Falke kreiste.
Falkenfrost, siehst du das?
Sie hatte endlich ihren Clan gefunden. Ihre neue Heimat.
Und, da war sie sich sicher, bald auch ihre Bestimmung.
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